Forschungsmafia: Titelhandel · Forschungsbetrug · Wissenschaftskorruption · Hochschulkriminalität

Buchkritik: Volker Rieble, Das Wissenschaftsplagiat

Hadmut Danisch
18.6.2010 0:11

Schon seit Wochen will ich diese Kritik schreiben, ich habe das Buch gleich nach dem Erscheinen gelesen. Aber mir kam soviel Wichtigeres dazwischen. Jetzt aber endlich mal.

Ich mache das mal anders als sonst. Ich bringe erst das Positive, dann das negative.

Positive Kritik

Äußerst positiv fällt mir auf, daß endlich mal aus dem Kreis der Professoren eine Art Selbstkritik geübt wird. Dazu kann man auch das heute erschienene Interview beim SPIEGEL lesen, das die Stoßrichtung erkennen läßt.

Wer mein Blog und mich kennt, der weiß, daß ich seit Jahren damit hadere, daß die Professorenschaft jegliche Kritik unterdrückt, alles unter den Teppich kehrt, immer sind die anderen Schuld. Rieble ist selbst (Rechts-)Professor und schließt sich diesem Herdenverhalten nicht an, sondern kritisiert das ebenfalls. Schon das ist es wert, das Buch zu kaufen und zu lesen.

Deutsche Professoren sind meist lausige Autoren. Entweder schreiben sie so verschwurbelt, daß man es nicht lesen kann (vor allem viele der Geisteswissenschaftler), so verkompliziert, daß man es nicht lesen will (die Informatiker) oder so aufgeblasen und gehaltlos, daß es darin nichts zu lesen gibt. Der Publikationsdruck führt oft zu einer künstlich aufgeschäumten Schreibweise.

Nichts davon trifft auf dieses Buch zu. Im Gegenteil, mir ist an vielen Stellen aufgefallen, daß Rieble einen äußerst knappen, schnörkellosen, informationsdichten Schreibstil hat, und seine Aussagen oft auf die kürzestmögliche und eine sehr geradlinige Weise ausdrückt. Er hat eine sehr klare, schwafelfreie und präzise Ausdrucksweise und vermeidet Schachtelsätze. Das macht das Lesen bisweilen etwas anstrengend, weil einfach der Informatiosfluß sehr hoch ist, man also bei einem normalen Lesetempo die Informationen schneller verarbeiten muß als üblich. Ein bischen Füllstoff tut auch der Sprache manchmal ganz gut und gibt dem Leser Zeit zu denken, so wie man auch in einem Vortrag gelegentlich mal kurze Pausen oder zumindest Informationsflußpausen einlegen muß, damit der Zuhörer das verarbeiten und sacken lassen kann. Es führt aber dazu, daß in dem eigentlich sehr dünnen (120 Seiten) und auch angenehmerweise sehr preisgünstigen Bändchen trotzdem viele Informationen findet. Und es führt dazu, daß man endlich mal wieder ein Buch ohne übergroßen Aufwand zu Ende lesen kann.

Kernaussage des Buches, und das zieht sich wie ein roter Faden durch den Inhalt und ist auch Untertitel, ist die Feststellung des Versagens eines Systems. Damit hat er auch völlig Recht. Wir müssen heute konstatieren, daß das gesamte Wissenschaftssystem in Betrug und Schwindel abgestürzt ist.

Immer häufiger werden inzwischen auch Dissertationsplagiate aufgedeckt – und manchmal auch verfolgt.

Ein besonderer positiver Umstand ist, daß Rieble nicht irgendeinem Fachbereich angehört, sondern Jurist ist. Das heißt, er schildert nicht einfach nur Fälle von Fehlverhalten, sondern liefert auch gleich noch eine juristische Bewertung und gegebenenfalls den Verweis auf das jeweilige Urteil mit. So stellt er – erfreulicherweise – klar, daß beispielsweise Textpassagen aus fremden Werken ohne ausreichende Kennzeichnung gegen das wissenschaftliche Arbeiten verstoßen und deshalb zur Nichtannahme einer Dissertation führen müssen. Eine geltungserhaltende Reduktion findet nicht statt. Anders gesagt, es wird nicht gefragt, ob der Rest noch für sich betrachtet promotionsfähig ist. Das müßte man mal einigen Fakultäten mit dem großen Hammer beibringen. Ganze Jahrgänge von Dissertationen müßten nach meiner Erfahrung zurückgerufen werden, weil es an vielen Fakultäten einfach üblich ist/war, Dissertationen aus den Diplomarbeiten zu plagiieren. Allerdings zeigt Rieble dann auch kuriose bis unverständliche Gerichtsentscheidungen auf, die plagiats- und betrugsfördernd sind (wie ich es ja auch erlebt habe). Man nimmt beim Lesen förmlich wahr, wie das deutsche Wissenschaftssystem von Betrug und Schwindel, von Plagiat und intellektuellem Raub durchsetzt, durchtränkt und degeneriert ist.

Plagiate kommen im alltäglichen Wissenschaftsbetrieb ständig vor – und werden nur selten aufgedeckt. […] Geistenswissenschaftler kommen (zu) leicht davon – anders als Naturwissenschaftler.

Mehrfach aufs Korn nimmt Rieble auch die sogenannte Bauernopfer-Referenz. An unauffälliger und unbedeutsamer Stelle wird irgendwo eine Referenz auf die Quelle, aus der plagiiert wird, versteckt. So als Alibi, damit man sagen kann, daß man doch zitiert hat, falls es auffliegt. Und herrlich zu lesen ist auch, daß Rieble nicht im Trüben bleibt, sondern ganz konkrete Fälle benennt und dazu auch die Namen mitteilt. Der ist direkt am Geschehen dran, so wie ich es mag. Und auch seine Beobachtungen stimmen erfreulich oft mit meinen eigenen Beobachtungen überein.

Professoren sind als Plagiatoren überwiegend Dilettanten. Meist sind sie nur etwas faul oder ihnen fällt nichts ein – oder sie haben Publikationspflichten übernommen, die ihre beschränkte Schaffenskraft übersteigen.

Exakt so erging’s mir mit dem Bundestagsgutachten für die Enquete-Kommission 1998. Als wäre er dabei gewesen.

Und auch den heute so häufig anzutreffenden Effekt, daß Professoren immer alles auf ihre Assistenten schieben, von denen sie sich ihre Werke schreiben lassen, nimmt er auf’s Korn. Hatten wir sowas nicht gerade erst im Fall Claudia Kemfert? Und wie groß die Übereinstimmung ist, da mußte ich dann sogar lachen, zeigt sich, daß sogar die Antwort der Staatsanwaltschaft Darmstadt auf meine Anzeige hin Eingang in das Buch gefunden hat:

»Es ist allgemeiner Usus, daß Professoren Mitarbeiter beauftragen, für sie Forschungen anzustellen, Artikel zu schreiben und selbst Kommentarpassagen zu entwerfen. Das ist auch in den Verlagshäusern bekannt und wird dort hingenommen.«

Freut mich, wenn ich dadurch einen Betrag leisten konnte, und freut mich, wenn sich nun doch endlich sowas wie ein bischen Empörung regt – auch wenn es nur bei einem von 30.000 Professoren ist.

Schärfer noch formuliert Posner aus us-amerikanischer Sicht: In Europa sei es üblich, daß Professoren Assistententexte unter eigenem Namen publizieren. Es kommt also in der Tat auf die Verkehrserwartung an – freilich nicht nur der Verlage, sondern gerade auch der (wissenschaftlichen) Leser.

Betrug ist keine Erscheinung. Betrug ist das System. Und deshalb ist es so schwer anzugreifen, weil alle den Betrug wollen. Zumindest alle, die Macht haben. Es gibt so eine Redewendung, nach der man nicht im Stau steht, sondern der Stau ist. Genauso könnte man über die deutsche oder europäische Wissenschaft sagen, daß sie nicht unter Betrug leidet, sondern der Betrug ist.

Kurioserweise wird auch das Eigen- oder Selbstplagiat untersucht, was ich bisher zwar unter Schwindel, aber nicht unter Plagiat abgelegt hätte. Es geht darum, wenn Autoren ihre eigenen Texte oder wissenschaftlichen Ergüsse immer und immer wieder in leicht veränderter Form wiederholen und neu aufbrühen, weil ihnen nichts neues einfällt. So gesehen hätte man auch Beths Methode (der Professor, bei dem ich mal Mitarbeiter war) betrachten können, dem schon beim ersten Mal nichts einfiel, und der deshalb die Texte mit extra großen Zeichensatz und zweieinhalbzeiligem Abstand setzte, damit wenigstens ein dünnes Bändchen zustandekam und die Buchbindung überhaupt funktionieren konnte.

Der Mehrfachverwerter ist nicht als Plagiator, sondern als Langeweiler abzustrafen.

Schön gesagt.

Überhaupt beschreibt Rieble allerhand vergnügliche und kuriose Begebenheiten und dubiose Vorgänge im Zusammenhang mit Plagiaten und Forschungsbetrug, die man aber schlecht hier zusammenfassen kann. Sogar auf die kommerziellen Ghostwriter und Plagiatoren geht er ein, die selbst aus dem Knast heraus noch arbeiteten.

An einer Stelle verrent sich Rieble aber gewaltig, da merkt man dann sehr deutlich, daß er als Jurist ein altmodischer Papier-Ritter ist, nämlich wenn er auf Open Access losgeht, und Juristen den Umgang mit Information nicht lernen. Open Access würde die Aufdeckung von Plagiaten erleichtern, aber Rieble meint, daß Open Access dem Plagiat Vorschub leistet.

Wundern muß man sich allerdings über die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die unter Kollektiv-Schizophrenie zu leiden scheint. Gerade die DFG will Plagiate verhindern und die gute wissenschaftliche Praxis sichern – gehört aber zu den treibenden Kräften der Open-Access-Allianz, ermuntert und fordert die Online-Publikation in von ihr geförderten Projekten.

Da liegt Rieble ziemlich daneben und da habe ich sogar den Verdacht ziemlicher Unredlichkeit auf Seiten Riebles. Die DFG ist ein korrupter verlogener Sauhaufen, der nur so tut, als wäre er gegen Fehlverhalten, in Wirklichkeit aber gar nichts dagegen unternimmt und das durch Wegschauen noch fördert. Schon genug habe ich dazu geschrieben. Aber dieser Vorwurf gegen die DFG ist ungerechtfertigt, denn Open Access ist dringend nötig. Vielleicht wäre das einfacher zu verstehen, wenn man stattdessen den – meines Erachtens viel besseren – Begriff des Public Domains verwenden würde, der sich darauf bezieht, daß der Öffentlichkeit gehört, was aus öffentlichen Geldern bezahlt wurde. Wenn ein Professor aus Steuergeldern für seine Arbeitszeit bezahlt wird, muß auch das Ergebnis dem Steuerzahler gehören und nicht doppelt und dreifach bezahlt werden (etwa wenn derselbe Steuerzahler für die Bibliotheken die Bücher bezahlen muß, an denen derselbe Professor erneut verdient). Rieble scheint also auch die ein oder andere Leiche im Keller zu haben und ganz gerne doppelt zu verdienen, dazu unten aber mehr.

Sehr gut ist dagegen wieder, wie Rieble das Versagen des Systems zur Selbstreinigung beschreibt.

Auf der Strecke bleiben all diejenigen, deren geistige Leistung abgekupfert worden ist. Auf der Strecke bleibt auch die Wissenschaft mit ihrem Redlichkeitsanspruch – gerade weil sie zur Selbstreinigung nicht in der Lage ist. Grob gesagt ist ein institutionelles Versagen zu verzeichnen. Autoren, Verlage, Universitäten, Wissenschaftsinstitutionen tun bestenfalls so, als wollten sie das Plagiat bekämpfen. »An’s Leder« geht es keinem.

Damit hat er ziemlich Recht. Aber nicht ganz. »An’s Leder« geht es nämlich jedem, vor allem jedem Mitarbeiter, der bei diesem Treiben nicht mitspielt. (Ich weiß, wovon ich rede.) Es ist keine reine passive Unterlassenskriminalität, in der einfach jeder alles duldet, wie er das da trotz seiner scharfen Worte immer noch verhamlosend schreibt. Hier geht es um aktive Bandenkriminalität, in der jeder vernichtet wird, der nicht mitspielt. Trotz seiner drastischen Darstellung hat Rieble das Ausmaß der Kriminalität an den deutschen Hochschulen noch lange nicht erfaßt, sieht nur die Spitze des Eisberges.

Stirnrunzeln bereiten dann Riebles Aussagen zur Rechtslage, wonach aus urheberrechtlicher Sicht gegen ein einvernehmliches Ghostwriting nichts einzuwenden sei. Ich sehe das anders, weil man nur durch Selbstschreiben und nicht durch Rechtsgeschäft Autor werden kann, aber will das mal so hinnehmen. Die katastrophale Rechtslage ist schließlich nicht Rieble, sondern dem Gesetzgeber vorzuwerfen. Überhaupt könnte man mal die Frage aufwerfen, warum die Bundesregierung so oft von der Stärkung der Urheberrechte faselt und immer härter gegen Raubkopierer im Außerforschungsbereich vorgeht, gegen universitäres Raubkopieren aber überhaupt nicht vorgeht. Insofern muß man auch unserer Justizminsterin Leutheuser-Schnarrenberger, so sehr ich sie zumindest im Vergleich mit anderen Politikern schätze, Unehrlichkeit und korrupte Interessenverfolgung vorwerfen. Würde man Professoren genauso verfolgen wie 14-jährige, die sich eine Musik-CD im Internet runterladen, wären die meisten Universitäten ausgestorben.

Interessant ist dann, wie Rieble auch aufgreift, daß man Professoren da locker – auch von Seiten der Gerichte – durchgehen läßt, selbst von Gerichten, wofür man Studenten oder Doktoranden hängen würde, denen man dann auch noch alles anhängt. Diese unendlich tiefe Verlogenheit des deutschen Wissenschafts- und Rechtssystems, wie ich sie auch erfahren habe.

Rieble kommt auch wieder auf seinen roten Faden des Systemversagens zurück und zeigt beispielsweise die (beabsichtigte?) Unwirksamkeit und Unverbindlichkeit der DFG-Maßnahmen auf. Das System duldet keine Fremdkontrolle, sondern beschränkt sich auf eine Selbstkontrolle, die es gleichzeitig völlig außer Funktion setzt. Ein geschlossenes kriminelles System, daß sich alle Hindernisse aus dem Weg schafft.

Schließlich stellt Rieble auch Forderungen auf und beschreibt mögliche Auswege.

Erforderlich ist zuerst ein eigener, wissenschaftsrechtlicher (und nicht wissenschaftsethischer) Plagiatsbegriff. Das Urheberrecht schützt das Plagiatsopfer und ist für dieses jedenfalls faktisch disponibel. Hier geht es aber nicht um den Opferschutz des beklauten Autors; hier steht die Täterabwehr im Allgemeininteresse an einer sauberen Wissenschaft in Rede. Nicht Schadensersatz dem Opfer zuliebe, sondern Strafe und Abschreckung dem Täter zuleide sind das Programm. […]

Die Konzentration auf den Urheberrechtsschutz hat gezeigt, daß es für eine rechtliche Plagiatabwehr an einem allgemeinen wissenschaftsrechtlichen Plagiatverbot fehlt. Ethische Apelle sind unzureichend; ihre Befolgung ist freiwillig. Den hartgesottenen Plagiator erreichen sie nicht. […]

Wer Wissenschaftsverhalten steuern will, muß exakt sagen, welche konkrete Verhaltensweise als »Fehlverhalten« angesehen wird. Schon der bloße Empfehlungscharakter (»sollen«) ist irritierend – »soll ich oder muß ich?« wird sich der Wissenschaftler fragen.

Dem kann ich nur in jeder Hinsicht zustimmen. Das Problem ist nur, daß unsere Politik korrupt und interessengesteuert ist. Sie wird niemals ein Strafrecht gegen Professoren erlassen, solange niemand ein Interessen an der Bekämpfung der Mißstände in pekuniärer Formulierung geltend macht, solange sich die Politik durch manipulierte Berufungen mit Gefälligkeitsgutachten versorgt und solange auf den Professuren die Spezis untergebracht werden, die mehr als Plagiieren nicht können. Und daran erkennt man dann auch wieder, daß die DFG nur so tut als würde sie Fehlverhalten verfolgen, es aber nicht tut. Schwindel, wohin man sieht.

Und auch die hochinteressante Frage wird aufgeworfen, wie die Praxis, sich die Bücher von Assistenen schreiben zu lassen, eigentlich mit dem Wettbewerbsrecht vereinbar sein soll:

Warum sollte die Übernahme von Assistentenwerken in das Professorenlabel und damit die Irreführung der lesenden Wissenschaftsverbraucher eine im Verlags- aber auch Autorenwettbewerb erlaubte Handlung sein?

Geniale Idee. Wenn ich alle Verlage abmahnen könnte, die diesem Plagiatswesen zustimmen, wäre ich reich. (Könnt Ihr Euch noch erinnern, wie mich eine Professorin gerichtlich zum Schweigen bringen lassen wollte, als ich beim Oldenbourg-Verlag die Frage aufgeworfen habe, wie sie Autorin ihres dort erschienenen Buches sein könnte, wenn sie laut ihrem Sachverständigengutachten doch selbst nicht weiß, was in ihrem eigenen Buch steht?)

Und ebenso treffend wie traurig ist dann auch das Fazit, das Rieble gegen Ende des Buches zieht:

Indes ist nicht ernsthaft zu glauben, daß in nährerer Zukunft ein Umdenken einsetzte und all jene, die so tun, als träten sie für wissenschaftliche Redlichkeit ein, diese Redlichkeit von ihren Kollegen auch offensiv einforderten. Insbesondere steht nicht zu erwarten, daß Universitäten ihren plagiierenden Mitgliedern Disziplinarverfahren auferlegen oder daß andere, eben aufgezeigte Wege zur Plagiatsabwehr beschritten werden. Dazu geschieht schon zu lange – nichts. Die Wissenschaft und ihre Verbände sind zur Selbstreinigung nicht fähig. Deswegen darf die übereinstimmende Auffassung von DFG und DHV, ohne staatlich-hoheitliche Maßnahmen auszukommen und dies inbesondere mit dem ungeklärten Verhältnis zur Forschungsfreiheit zu begründen, ja staatliche Kontrolle als kontraproduktiv zu verwerfen und die Verantwortung einer nebulösen »Gemeinschaft der Wissenschaftler« zuzuweisen, als Freibrief für Plagiatoren aufgefaßt werden. […]

Skurril jedenfalls ist die Haltung des Hochschulverbandes, der nur solche Mitglieder wegen »standeswidrigem Verhalten« ausschließen will, die strafrechtlich verurteilt sind. Dieser Wille zum harten Durchgreifen ist der Einsicht zu verdanken, daß eine solche Verurteilung ausgeschlossen ist, weil es am Straftatbestand fehlt.

Die Gesellschaft für Informatik ist übrigens auch so ein Verein, der nur so tut als ob, aber grundsätzlich nichts macht.

Im Ergebnis also ein Buch, das mir vom Inhalt und seinen Aussagen sehr gut gefällt. Endlich regt sich in den Universitäten mal erster Widerstand. Und viele der Aussagen entsprechen exakt meinen Beobachtungen der letzten 15 Jahre.

Negative Kritik

Außer der Sache mit dem Open Access und der manchmal etwas zu trockenen und zu verdichteten Schreibweise hätte ich nichts auszusetzen.

Kritisieren muß ich aber, was nicht in dem Buch steht. Für ein wissenschaftliches Werk hat der einfach zu früh aufgehört. Ich habe so den Eindruck, als ob er selbst die Größe des Problems noch nicht erfasst hat und erst mal staunend bis fassungslos vor dem steht, was er bisher entdeckt hat. Zu einer guten wissenschaftlichen Abhandlung gehört nicht nur die Sammlung empirischer Beobachtungswerte, sondern eben auch die Erklärung der Ursachen. Und die fehlt hier weitgehend.

Ich habe kürzlich an der Ausschreibung einer Professur und dem Berufungsverfahren an der Uni Karlsruhe teilgenommen. Die Vorgänge waren haarsträubend. Bei einem Bewerber kam heraus, daß er ein Werk in seiner Publikationsliste nie selbst geschrieben hatte und nie Autor war, sondern das einfach mal so behauptet und damit seine Publikationsliste gefälscht hatte. Es fiel nur deshalb auf, weil ich selbst der Originalautor des Werkes war und ziemlich überrascht war, mein Bundestagsgutachten als Werk auf der Liste eines Konkurrenten zu finden.

Normalerweise müßte ein solcher Bewerber sofort aus dem Auswahlverfahren wegen Anstellungsbetruges fliegen. Nicht so an deutschen Universitäten (oder zumindest in Baden-Württemberg). Man erklärte offen, daß man das Angeben fremder Werke als eigene als normales Verfahren und in keiner Weise der Bewerbung abträglich ansehe. Längst hat sich die Ansicht durchgesetzt, daß die Hauptaufgabe eines Professors das Geldranschaffen ist, und man mit Betrug mehr Geld und Drittmittel holt als mit fachlichem Können. Da liegt es auf der Hand, daß ein im Berufungsverfahren aufgeflogener Schwindel nicht mehr als Mangel, sondern geradezu als Auszeichnung angesehen wird. Der lügt bereitwillig, der betrügt direkt, der hält auch die Klappe, der paßt gut zu uns. So laufen heute Berufungsverfahren.

Und dann kommt eben diese grenzenlose Unfähigkeit vieler Professoren. Wie bei den Gerichtsgutachtern, über die ich geschrieben habe, und die auf sich gestellt, ohne ihre Assistenten, nicht einmal die einfachsten Dinge konnten und auf ihrem angeblichen Fachgebiet einfach völlig unfähig waren.

Was sollen denn diese Leute anderes machen als Abschreiben? Selbstschreiben? Können die doch gar nicht. Und einfach auswechseln kann man die auch nicht. Würde man Plagiate ernsthaft verbieten, würde das gesamte deutsche wissenschaftliche Publikationswesen zum Erliegen kommen, die Verlage würden zusammenklappen und die DFG auf ihren Milliarden hocken bleiben.

Rieble sieht die Sache viel zu oberflächlich und führt dies alles nur auf leichte Faulheit und eine zu bescheidene Befähigung zurück. Daß aber das gesamte deutsche Hochschulwesen systematisch mit Inkompetenz und Korruption angereichert und unterwandert wurde, und ein Verbot von Plagiaten (und anderen Betrügereien) viel weitreichendere Auswirkungen hätte, nämlich das ganze System zum Erliegen käme und wegen des Beamtentums nicht einfach neu gestartet werden kann, übersieht er. Rieble unterstellt ein Systemversagen bei der Selbstreinigung. Er sieht nicht, daß das System selbst das Problem ist, weil es auf dem Einschleusen von Leuten beruht, die nichts anderes als Abschreiben können.

Warten wir mal auf die nächste Auflage.

Und dann gibt es da noch ein ganz anderes Problem. Rieble hebt den moralischen Zeigefinger sehr hoch und richtet hart über andere. Man muß gut gefrühstückt haben um sich sowas leisten zu können. Ich glaube nicht, daß Rieble sich das leisten kann. Denn Plagiate sind nicht das einzige Übel unserer Hochschulen, auch wenn er das so hinstellt.

Ein anderes Übel ist die Korruption, die Durchdringung der Wissenschaft von Wirtschaftsinteressen. Und laut Wikipedia ist Rieble geschäftsführender Direktor des von Arbeitgeberverbänden über eine Stiftung finanzierten Zentrums für Arbeitsbeziehungen und Arbeitsrecht (ZAAR), einem An-Institut der LMU München.

Und sowas halte ich für hochgefährlich, für noch weit gefährlicher als Plagiate. Interessenvertretung und Gefälligkeitsgutachten sind nochmal zwei Klassen gefährlich und übler als Abschreiben. Ich sage immer, daß sich Plagiieren zur Wissenschaftskorruption verhält wie Haschisch zu Heroin. Es ist die Einstiegsdroge.

So sehr ich mich im Prinzip über das Buch freue, so sehr mir gefällt wie Rieble mit Steinen wirft und vor andere Leute Haustür kehrt. Es hätte mir besser gefallen, wenn er nicht selbst angreifbar wäre, wenn er nicht selbst im Glashaus säße und nicht erst einmal vor seiner eigenen Tür kehren müßte. Der moralische Zeigefinger ist grundsätzlich richtig und berechtigt. Ob gerade er in sich leisten kann, daran habe ich Zweifel, wenn ich das so lese.

Man könnte mal die Frage stellen, wie das eigentlich beamtenrechtlich möglich sein soll, gleichzeitig Professor und Direktor eines zivilrechtlich geführten Instituts zu sein.

9 Kommentare (RSS-Feed)

moni
19.6.2010 11:25
Kommentarlink

“Genauso könnte man über die deutsche oder europäische Wissenschaft sagen, daß sie nicht unter Betrug leidet, sondern der Betrug ist.”
Diesen Satz werde ich mir merken und ihn an noch etwas naive Mitstudenten mit offenen und sauberen Ohren weiterflüstern…allein schon wegen der Gesichter, die sie dann immer ziehen: “Wirklich!? Nein, das kann ich nicht glauben….WIRKLICH?!”

—-
“Es geht darum, wenn Autoren ihre eigenen Texte oder wissenschaftlichen Ergüsse immer und immer wieder in leicht veränderter Form wiederholen und neu aufbrühen, weil ihnen nichts neues einfällt.”
Es gibt in Deutschland zwei Soziologen, die in ihrem “Fachgebiet” an sich die einzigen sind, die vernommen werden und zwar auch so, dass daraus letztendlich Handlungsanweisungen auch (Gesetzes)politischer Natur werden. Das Feld dieser 2 Autoren ist “Armut” und auch “Armut und Migration”, Einkommensverteilung und Ursachen, Gründe, Effekte wie Kriminalität usw. Man versteht. Einer dieser Professoren heißt Stefan Hradil und er gibt dieses Buch hier jedes Jahr neu heraus: http://www.amazon.de/Die-Sozialstruktur-Deutschlands-internationalen-Vergleich/dp/3531158872/ref=sr_1_3?ie=UTF8&s=books&qid=1276938070&sr=8-3
Dieses Buch ist eine Pflichlektüre für einen Großteil der Studenten der Soziologie, der Pädagogik, in manchen Fällen der Psychologie und auch in der Ethnologie. Es kommt also eine ordentliche Studentenmenge zusammen, die kategorisch die Anzahl der in der Bib vorhandenen Bücher übersteigt, d.h. sie müssen gekauft werden. Und weil in diesem Buch ein paar bzw. eine Menge Statistiken sind, die immer wieder ein bisschen aktualisiert werden können, um an den Aussagen des Buches selbst aber gar nichts zu verändern, kann man das alle 1 bis 2 Jahre als Stefan Hradil auch neu heruasbringen; und für die jeweilige Pflichtlektüre verlangen, dass man bitte auch immer die neuseste Ausgabe gelesen hat, mitunter kann das prüfungsrelevant sein (wenn man Pech hat). Aber wie ergibig ist dieses Buch wohl? In meiner Nebenfachprüfung Soziologie, für die ich eben dieses Buch hätte lesen müssen, habe ich einfach (als es zu Fragen um dieses Buch kam) ein paar Klischees, die ich mit dem Werk und dem Professor aossoziiere aufgezählt, was dies und das wohl heißen könnte, was daraus abzuleiten wäre usw. Ich habe das Buch nie gelesen und bemerkt wurde es nicht. SO viel zur Qualität solcher Bücher. Man sollte diese Menschen nicht nur wegen Langweiligekeit an die Kandare nehmen, sondern auch wegen gestohlener Zeit. Und wegen dem Geld-aus-der-Tasche-von-Studenten-ziehen, denn dieses Buch kostet 25€. Ein Schmankerl ist dann noch: der zweite Professor, der sich dem selben Thema (an einer anderen Uni) widmet, war ein Zeit lang mit dem Herrn Hradil befreundet. Aber man hat sich irgendwann verstritten. So läuft die Reeditierung des Buches vom Hradil nun so ab, dass EIN ASSISTENT die Aufgabe bekommt, alle Statistiken aus Hradils Buch zu entfernen, die der verfeindete Professor in seinem Werk ebenfalls benutzt; und diese Statistiken durch leicht veränderte, aber andere – Hradils “EIGENE” – zu ersetzen; dann noch ein bisschen die Reihenfolge der Themen zu verändern (damit es neuer aussieht). Und so ist dann eine “Neuauflage” entstanden, obwohl sich die mageren Aussagen des Buches seit seiner Ersterscheinung kaum verändert haben.
Der selbe Herr Hradil, sagte mir jüngst eine Freundin, die seine Vorlesungen besucht hatte, der sich mit “sozialer Ungleichheit” beschäftigt, lässt in seinen Vorlesungen auch gerne mal sehr fragwürdige Sätze fahren, die manchmal nur noch die Frage aufwerfen “war das jetzt Rassismus oder Faschismus?”. Und natürlich, niemand darf das kritisieren: als Student hat man verloren, als Professor anscheinend gar keine Gründe für Kritik.
Ich will hier nochmal die Brisanz der Geisteswissenschaften betonen: auf der Grundlage (vor allem, aber nicht nur, statistischer Werke, d.h. soziologischer) werden ganze Handlungsanweisungen und Politiken, die sich darauf begründen und berufen, deren Vorhaben nicht umsetzbar wäre, ohne die Existenz der “Evidenz” dieser Werke. Deswegen ist Plagiatismus und Korruption in den GW nicht minder desaströs, allerdings mancher Orten viel subtiler. Die Frau Kristina Schröder wäre wohl auch so ein Beispiel: ihr gekaufter Grad steigert das Vertrauen der Menschen in sie, und nun ist diese Frau Bundesfamilienministerin… bei wem hat sie eigentlich promoviert? Vielleicht beim Hradil??? Das wärs ja…

“Würde man Professoren genauso verfolgen wie 14-jährige, die sich eine Musik-CD im Internet runterladen, wären die meisten Universitäten ausgestorben.” Auch diesen Satz werde ich mir merken und ihn mal flüstern…

was ich noch zufügen will: die Pflicht, zitierte Textstücke als Zitat zu kennzeichnen. Es gab mal einen Philosphen (der für Sie, Herr Danisch, ohne Zweifel ein Schwafler wäre, so wie er schrieb), der das absichtlich gemacht hat, nur die Zitate und Autoren kenntlich zu machen, die er, man könnte sagen, dafür würdig hielt. Er hat Dinge zitiert, ohne sie zu kennzeichnen und sie nur gekennzeichnet, wenn es entweder wirklich relevant war (als historische Quellen) oder, wenn er sie hervorheben wollte. Also ein Frage des Stils. Er begründete das u.a. damit, dass man in der Physik, wenn man sich auf Einstein beruft, ja auch nicht jedesmal sagen muss “das ist von Einstein”, weil es schlicht Grundlagen gibt, die einfach vorausszusetzen sind (Kenntnisse um Autoren) will man auf einem Gebiet wissenschaftlich arbeiten. Die Aufgabe des WIssenschaftlers ist es dann, die hervorzuheben, die es hervorzuheben sich lohnt (aus positiven oder negativen Gründen). Und ich finde jedenfalls, dass man die Fragen des Stils nicht unter den Tisch kehren sollte. Und dann darf man nicht vergessen, dass die Sache der Kritik an nicht ausgewiesenen Zitaten im Grunde (heute) keine Frage der Wissenschaftlichkeit ist, sondern erstmal eine des Urheberrechts. Und erst dann eine der Wissenschaft. Ich will nicht sagen, dass Plagiatismus kein Problem wäre. Aber man kann nicht einfach allen Autoren dieser Welt vorschreiben, alles zitierte zu kennzeichen, weil man damit unterstellt, alle Autoren, die es nicht machen würden, wären Betrüger. Was zb zur Folge hätte, dass alle, die, wenn sie Einsteinsche Formeln benutzen und es nicht explizit kennzeichnen, Betrüger wären. Dass ausserdem das Kennzeichnen von Zitiertem eine Art Garantie wäre, es nicht mit einem Betrüger zu tun zu haben (nichts wäre heute falscher!). Man bedenke auch, dass diese “Königlichkeit” des kenntlich gemachten Zitates zu dieser Zitations-Klüngel-Industrie geführt hat, wie sie in Amerika vorliegt. Wäre das gekennzeichnete Zitat nicht König, ja was dann eigentlich?


Hadmut Danisch
19.6.2010 11:33
Kommentarlink

Zur Frage, beim wem Kristina Köhler/Schröder promoviert hat, siehe hier, hier und hier. Sehr dubios die Soziologie.


quarc
19.6.2010 22:21
Kommentarlink

Hattest Du dies hier schon gesehen?
Insbesondere das mir dem “risk manager”.


Hadmut Danisch
19.6.2010 22:35
Kommentarlink

Nee, noch nicht gesehen. Danke!

Erstaunlich, daß sie sowas haben. Daß man aber etwas nicht untersucht um jemandes Reputation nicht anzkratzen ist ein bekanntes Phänomen, habe ich auch schon oft erlebt.


Hartmut Woldeit
18.7.2010 13:19
Kommentarlink

oha, was muß ich auf klostermann.de lesen:

“Vittorio E. Klostermann
zum Rechtsstreit um
Volker Riebles Buch
“Das Wissenschaftsplagiat”

Zwei Jura-Professoren, deren Zitierpraxis Volker Rieble in seinem Buch beschrieben und kritisch bewertet hat, haben beim Landgericht Hamburg einstweilige Verfügungen gegen den Verlag erwirkt. Uns wird die Verbreitung bestimmter Passagen aus dem Buch verboten. Ausgenommen von dem Verbot sind allerdings die bereits aufgebundenen Exemplare des Buches. Das hat es dem Verlag leichter gemacht, auf eine kostspielige Fortsetzung des Rechtsstreits zu verzichten und die einstweiligen Verfügungen als endgültige Regelung zu akzeptieren.

Als Nichtjurist will und kann ich mich nicht zu den subtilen juristischen Erwägungen äußern, die die beiden Antragsteller zur Begründung ihrer Verbotsanträge angeführt haben. Was das Gericht zu seinen Entscheidungen bewogen hat, weiß man leider nicht, weil sie nicht begründet sind. Ich habe gelernt, dass ein deutsches Gericht im Wege der einstweiligen Verfügung eine Äußerung verbieten darf, ohne zu sagen warum. Gut finde ich das nicht. Den Richtern in Hamburg hätte es meiner Meinung nach nicht schlecht angestanden, uns zumindest in knapper Form zu sagen, weshalb es die Äußerungen verboten hat. Dann wüssten wir wenigstens, ob sie das Buch eigentlich gelesen haben oder nur die Passagen, an denen die Antragsteller Anstoß nehmen – und wie die Richter diese im Gesamtzusammenhang sehen.

Was mich bewogen hat, Volker Riebles Buch ins Programm zu nehmen, war sein wichtiges Anliegen, auf problematische Gepflogenheiten im Wissenschaftsbetrieb aufmerksam zu machen. Es geht Rieble um die wissenschaftliche Redlichkeit: Nicht (nur) um das platte Abschreiben, also das Plagiat im klassischen Sinne, sondern um die Unsitte, sich bei fremdem Gedankengut zu bedienen und dies nicht zu kennzeichnen. Für die vielfältigen Praktiken dieser Art hat er den Begriff „Wissenschaftsplagiat“ geprägt und zum Titel seines Buches gemacht. Was damit gemeint ist, erläutert er ausführlich auf den Seiten 80 ff.

Die Auseinandersetzung über das, was Rieble geschrieben hat, gehört nicht vor Gericht, sondern vor die Fachöffentlichkeit. Dass der wissenschaftliche Diskurs, den wir mit unsere Bücher fördern wollen, durch den strafbewehrten Maulkorb eines Gerichts behindert wird, ist ein Novum in der 80-jährigen Geschichte unseres Verlages. Aber dass die Freiheit der Rede in der Wissenschaft bedroht ist, sieht man ja auch anderwärts (siehe den Bericht der FAZ vom 2. Juni 2010 über die Weigend-Rezension des Buches von Calvo-Goller).”


Hadmut Danisch
18.7.2010 13:34
Kommentarlink

Wieso erstaunt Dich das?

Das deutsche Universitätssystem beruht nicht auf wissenschaftlichem Disput, sondern dem Ausschalten von Kritik. Schwindel ist allgemein anerkannt. Das Kritisieren von Schwindel nicht.

Der Schwindler steht in Deutschland immer besser da als der Ehrliche und der Kritiker.


Hartmut Woldeit
18.7.2010 13:50
Kommentarlink

Erstaunlich finde ich den Verleger. Daß es juristischen Ärger geben könnte, mußte ihm schon vor der Veröffentlichung klar gewesen sein.
M.E. hat er seinen Autor im Regen stehen lassen: Ein Verleger, der von
seinem Tun überzeugt ist, würde sich in erster Instanz nicht mit einem -juristisch unbegründeten!- Maulkorb einverstanden erklären.


Hartmut Woldeit
18.7.2010 13:58
Kommentarlink

Noch etwas! Da Du ja Soziologen “liebst”. Kennst Du das Buch “Die Hexenmeister der Sozialwissenschaften” des Soziologen Stanislav Andreski?


Hadmut Danisch
18.7.2010 14:11
Kommentarlink

Würde ich so nicht unbedingt sehen.

Einstweilige Anordnungen sind aus juristischen Gründen meist nicht oder nur dünn begründet, weil der Richter die Entscheidung in der Hauptsache formal ja gerade nicht vorwegnehmen darf. Es reicht, daß es offen ist und man es noch nicht weiß, ob in der Hauptsache der, der den Rechtsschutz beantragt, gewinnen könnte. Mit jeder Begründung würde sich das Gericht vorzeitig festlegen. Eine Vorwegnahme der Hauptsache in der eA ist unzulässig.

Etwas anderes ist es, wenn ein Gericht eine eA ablehnt, weil sie dann begründen müssen (sollten), warum der Antrag fehlerhaft ist oder es auch im Hauptverfahren nicht dazu kommen kann, daß der begehrte Anspruch durchzusetzen wäre.

Es muß auch nicht unbedingt ein Fehler des Verlegers gewesen sein, vielleicht war der Autor einverstanden. Der ist immerhin selbst Jurist und weiß, was er tut.

Davon abgesehen haben wir in Deutschland durch den fliegenden Gerichtsstand eine so völlig verbogene und Meinungsfreiheitswidrige Rechtslage, daß das böse in die Hose gehen kann. Denn solange keine Begründung da ist, kann ein anderer damit auch nichts anfangen. Dann kann man das nächste Buch schreiben. Legt man es aber auf eine Begründung an, dann kann man sich viel größeren Schaden einhandeln als nur ein Buch, das man nicht mehr rausgibt. Insofern kann das taktisch sogar richtig sein.

Was aber nichts daran ändert, daß diese Professoren, die hier den Gerichtsweg gegangen sind, wie so viele deutsche Professoren, offenbar den fachlichen Disput scheuen und ergo keine Wissenschaftler sind.

Und nein, das Buch kenne ich (noch) nicht. Hört sich zwar sehr interessant an, aber meine Bücherwand ist voll von Büchern, die (ganz) zu lesen mir die Zeit fehlt.