Forschungsmafia: Titelhandel · Forschungsbetrug · Wissenschaftskorruption · Hochschulkriminalität

Die Ehrendoktorwürde des Dr. h.c. Carsten Maschmeyer

Hadmut Danisch
6.10.2009 0:21

Über die Legalisierung von Titelhandel.

Vor einiger Zeit hatte ich über die Verleihung der Ehrendoktorwürde an den steinreichen AWD-Gründer Carsten Maschmeyer berichtet, die für dessen Spende an die Universität Hildesheim vergeben wurde, einschließlich Eintragung ins goldene Buch der Stadt und Laudatio durch den niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff. In der Promotion Deluxe für richtig viel Geld bekommt man dort einiges mehr als nur den Doktor geboten, das wird dort richtig professionell durchveranstaltet.

Und die Ehrenpromotion hat noch den Vorteil, daß man wissenschaftliche Leistungen und eine Dissertation gar nicht erst beschaffen oder vortäuschen müßte. Die Disputation gibt es nicht, es wird nichts veröffentlich, was hinterher irgendwer nachprüfen könnte. Man gibt das Geld ab, spaziert da unbeleckt, ohne Arbeit, ohne Vorbereitung hin, macht sich nen netten Tag, und geht hinterher clean und unangreifbar als Doktor wieder raus.

Die Sache hat drei Haken:

  1. Universitäten sind Anstalten öffentlichen Rechts und haben Befugnisse nur im Rahmen ihrer Aufgaben und gesetzlichen Ermächtigungen. Titelhandel gehört nicht entfernt zu den Aufgaben einer Universität. Dazu kann sie unmöglich befugt sein.
  2. Was die wenigsten Professoren wissen (und die, die es wissen, nicht interessiert) ist die Bindung der Universität und berufseingreifender Maßnahmen an das Gesetz. Universitäten können Promotionen nicht aus eigenem Recht, sondern nur aufgrund gesetzlicher Ermächtigung durchführen, denn grundsätzlich und anders als historisch im Mittelalter haben die Universitäten in unserer Rechtsordnung keine eigenen Rechte. Und können sie auch nicht, denn nach unserer Verfassung muß die Staatsgewalt vom Volke ausgehen, und Universitäten sind nicht selbst demokratisch legitimiert. Also können Universitäten nur das tun, wozu sie das jeweilige Landesrecht ermächtigt.

    Viele Bundesländer gestatten Ehrenpromotionen. Nur das Hochschulgesetz von Niedersachsen, ausgerechnet das, sieht Ehrenpromotionen gerade nicht vor (§ 9).

    Es ist verblüffend, aber in Niedersachsen dürfen keine Ehrenpromotionen vergeben werden. Nicht einmal dann, wenn der Ministerpräsident die Laudation hält.

  3. Selbst wenn Ehrenpromotionen möglich wären, so müssen sie sich immer noch erstens an das Grundgesetz (Berufsfreiheit, Auslegung von Wissenschaft), zweitens das Landesgesetz, und drittens an die Promotionsprüfungsordnung halten.

    Das Grundgesetz (d.h. das Bundesverfassungsgericht) sagt, daß Wissenschaft die Suche nach Wahrheit, nicht die Suche nach Geld ist. (Was aber wohl der modernen Auffassung von Wissenschaft zunehmend zuwiderläuft.)

    Das Landesgesetz sagt, daß die Promotion der Nachweis der Befähigung zu selbständiger vertiefter wissenschaftlicher Arbeit ist, wie es in allen Landesgesetzen steht. Selbst da, wo die Ehrenpromotion gestattet ist, gilt das. Nur daß man bei der Ehrenpromotion eine Leistung auszeichnet, die nicht in einem Promotionsprüfungsverfahren, sondern außerhalb und nicht mit dem Ziel der Promotion abgegeben wurde, aber eben doch diese Fähigkeit nachweist.

    Und sogar die Promotionsordnung der Erziehungs- und Sozialwissenschaften der Uni Hildesheim sagt in § 1 Abs. 4:

    Für hervorragende wissenschaftliche Leistungen und kulturelle Verdienste kann der Fachbereich den Doktorgrad auch ehrenhalber (Dr. phil. h. c.) verleihen.

    Damit maßt sich der Fachbereich zwar ein Promotionsrecht an, das er nicht hat, aber immerhin steht da was von wissenschaftlichen Leistungen. Stirnrunzeln verursacht aber die zweite Formulierung, die „kulturellen Verdienste”. Was soll das sein? Naja, immerhin geht es um Erziehungs- und Sozialwissenschaften, deren Wissenschaftlichkeit mir sowieso verschwindend gering vorkommt. Wenn da beispielsweise jemand ein Musikstück komponiert hätte, das sich als ganz hervorragend für die Musikerziehung herausgestellt hätte und wissenschaftlichen Ansprüchen genügt, das die Musikerziehung quasi revolutioniert, könnte ich mir sowas gerade noch so als äußersten Grund für einen solchen kulturellen Verdienst vorstellen. Gerade noch so.

    Aber nicht für Geld.

Also habe ich Strafanzeige erstattet. Wegen des Verdachts der Bestechung, Bestechlichkeit, Führen eines nicht ordnungsgemäß verliehenen Grades. Letzte Woche habe ich die Antwort der Staatsanwaltschaft bekommen.

Etwas positives gibt es zu berichten. Bei der Staatsanwaltschaft Karlsruhe bekommt man beispielsweise immer nur völlig inhaltslose Einstellungsmitteilungen ohne jede Begründung, die prüfen gar nichts nach. Hier wurde das immerhin von der Staatsanwaltschaft Hildesheim, an die ich das gesandt hatte, an die Zentralstelle für Korruptionsstrafsachen der Staatsanwaltschaft Hannover weitergeleitet. Die haben das zwar auch eingestellt, aber immerhin haben sie es untersucht und begründet. Und wenn man das so liest, bekommt man den Eindruck, daß denen das auch nicht gefällt, man aber aus Staatsräson eine Konstruktion baut, wie man das legalisiert.

Interessant ist beispielsweise, warum es keine Bestechung sein soll:

In Ihrer Anzeige gehen Sie zu Recht davon aus, dass es eine Korruptionsstraftat darstellen würde, wenn Herr Maschmeyer sich mit seiner Spende die Ernennung zum Ehrendoktor „erkauft” hätte. Die Tatsache, dass er einerseits eine erhebliche Spende an die Universität Hildesheim geleistet hat und andererseits von dieser Universität zu einem späteren Zeitpunkt unter Bezugnahme auch auf diese Spende zum Ehrendoktor ernannt wurde, reicht für den Nachweis dieses von Ihnen geäußerten Verdachts aber nicht aus. Eine Strafbarkeit wegen Bestechung bzw. Bestechlichkeit würde vielmehr voraussetzen, dass nachweislich eine Unrechtsvereinbarung zwischen Herrn Maschmeyer und Vertretern der Universität Hildesheim mit dem Inhalt geschlossen worden wäre, dass die Spende des Herrn Maschmeyer Gegenleistung für die spätere Verleihung der Ehrendoktorwürde sein sollte.

Dokumentiert ist eine solche Abrede nicht. Das wäre aber freilich nicht einmal in Fällen zu erwarten, in denen es tatsächlich zu einer Unrechtsvereinbarung gekommen ist. […]

Liest sich für mich wie: Ja, natürlich ist es strafbar und korrupt. Aber wir können als Staatsanwaltschaft leider nur dann was machen, wenn es einen schriftlichen Kaufvertrag für den Doktorgrad gibt, und so doof ist keiner. Also können wir es nie verfolgen.

Und dann kommt der Hammer, warum man das sogar billigt (liest sich, als wäre das aus einer Stellungnahme der Universität wortwörtlich übernommen worden):

Universitäten stehen im Zusammenhang mit Drittmitteln in einem Spannungsfeld zwischen der Erfüllung ihres öffentlichen Auftrages und der Notwendigkeit zur Vermeidung korruptiver Verhaltensweisen. Dabei ist es in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt, dass die Einwerbung von Drittmitteln an sich nicht unter einem Verdacht korruptiver Zusammenhänge steht.

Die Umstände der Spende waren zunächst einmal völlig unverfänglich. Herr Maschmeyer spendete im April 2008 – zunächst anonym – einen Betrag von 500.000,00 €, mit dem im Fachbereich I der Universität eine Juniorprofessur „Neurobiologische Grundlagen des Lernens” eingerichtet wurde. Der seinerzeitien Presseberichterstattung ist zu entnehmen, dass Herr Maschmeyer erst auf Bitten des Universitätspräsidenten bereit war, als Spender genannt zu werden. Grund für die Bitte des Präsidenten sei die positive Signalwirkung der Spende gewesen. […] Laut Mitteilung der Universität ging die Initiative vom Institut für Psychologie des Fachbereichs I der Universität aus. Herr Maschmeyer habe von dem Vorhaben nichts gewusst.

Ach, Herrje. Ein bischen Höflichkeits- und Bescheidenheitsgehampel, ein bischen von Sich-bitten-lassen, und schon sieht die Staatsanwaltschaft keine Korruption mehr. Das Bitten war wohl im Preis mit drin. Und wenn der Rektor so stark bitten konnte, kann es so anonym auch nicht gewesen sein. Und die Signalwirkum ist auch klar: Seht her, für Geld gibt’s bei uns nen Doktor. Zivilrechtlich würde man da von Angebot und konkludenter Annahme zum Vertrag ausgehen. Nur die Staatsanwaltschaft sieht dann keine Unrechtsvereinbarung.

Aber woher kommt der Ehrendoktor rechtlich überhaupt? Die Staatsanwaltschaft:

Die Verleihung von Ehrendoktortiteln ist grundsätzlich zulässig und wird insbesondere auch nicht durch § 9 NHG ausgeschlossen. Diese Norm ist nicht abschließend, siehe insbesondere § 9 Abs. 4 NHG. Letztlich sind Ehrenpromotionen auch keine Hildesheimer Besonderheit, vergleichbare Regelungen finden sich in praktisch allen Promotionsordnungen im Bundesgebiet.

Und das ist ganz übel. Da werden Gewaltenteilung und Staatsstruktur praktisch umgestülpt. Es gilt nicht mehr das öffentlich-rechtliche Prinzip, daß die Universität darf, was ihre Aufgaben sind und wozu sie explizit ermächtigt ist, sondern jetzt darf sie alles, was nicht ausdrücklich verboten ist. Und verboten ist nichts, als grenzenlose Rechtsfreiheit.

Auch die verfassungsmäßige Bindung an Landesrecht wird aufgelöst. Hey, die anderen machen’s doch auch, also dürfen wir das genauso. Daß das aber in anderen Ländern wie Baden-Württemberg explizit im Gesetz steht, interessiert nicht. Warum haben wir eigentlich noch ein Landesrecht, wenn alle das gleiche dürfen, quasi immer mindestens die konvexe Hülle aller Unsitten als Maßstab gilt?

Wie paßt das nun in die Promotionsordnung?

Die Promotionsordnung des Fachbereichs I der Universität Hildesheim erlaubt die Verleihung einer Ehrendoktorwürde für „hervorragende wissenschaftliche Leistungen und kulturelle Verdienste”. Dass hier in der Finanzierung einer Juniorprofessur ein „kultureller Verdienst” des Spenders Maschmeyer gesehen wurde, ist nicht zu beanstanden. Der Universität steht bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der „kulturellen Verdienste” ein Beurteilungsspielraum zu. Die Einbeziehung finanzieller Förderung aktueller Forschungsprojekte unter diesen Begriff ist jedenfalls in Fällen wie dem hier gegebenen, wo letztlich aufgrund der Spende eine Juniorprofessur geschaffen und somit neue Forschungsschwerpunkte überhaupt erst gesetzt werden konnten, durchaus vertretbar.

Eine Ehrung von Spendern, die mit ihren Zuwendungen wissenschaftliche Arbeit erheblich gefördert haben, durch die Verleihung eines Ehrendoktortitels ist also strafrechtlich nicht zu beanstanden. Dies bedeutet zugleich, dass die dergestalt Geehrten ihre Titel zu Recht führen.

Heißt im Ergebnis: Es ist jetzt – Spannungsfeld und so – in Deutschland völlig legal und rechtswirksam, wenn man sich Doktorgrade kauft. Nicht über schmierige Promotionsberater und Ghostwriter, sondern ganz offiziell über das Rektorat. Und die Staatsanwaltschaft Hannover erklärt detailliert, was die Uni sagen muß, damit das keiner angreifen kann. Gesetze brauchen wir auch nicht mehr. Erlaubt ist, was Geld bringt.

Geldspenden werden als kulturelle Leistungen angesehen (klar, bei der Art von Kultur an unseren Universitäten nicht verwunderlich) und „hervorragenden wissenschaftlichen Leistungen” gleichgestellt.

Deutschland wird damit ganz offen und regulär Titelhandelsland. Bananenrepublik.

Ein Kommentar (RSS-Feed)

Karl
25.10.2009 12:25
Kommentarlink

http://www.ard-text.de/index.php?page=418

Laut dem Text könnte es ähnlich sein.
Die Leistung besteht in der Anwesenheit in Gremien und Förderung.