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Ämterpatronage: Wie kriminelle Seilschaften bei Professorenberufungen funktionieren

Hadmut Danisch
14.2.2011 0:00

Am Beispiel der Universität Tübingen. Wir sind wieder mal im Hochschulkorruptionsländle Baden-Württemberg.

Ein Leser hat mich auf etwas aufmerksam gemacht (Danke!): An der Eberhard Karls Universität Tübingen wird gerade eine Universitätsprofessur (W3) für Eingebettete Systeme ausgeschrieben. Dabei werden gefordert:

Der/die Stelleninhaber/in soll auf dem Gebiet der eingebetteten Systeme wissenschaftlich hervorragend ausgewiesen sein und eine mehrjährige erfolgreiche industrienahe oder industrierelevante Forschungs- und Entwicklungstätigkeit nachweisen können. Die fachlichen Schwerpunkte sollen in einem oder mehreren der folgenden Schwerpunkte

  • Methoden und Werkzeuge für den Entwurf verteilter eingebetteter Systeme
  • Virtual Prototyping eingebetteter Systeme
  • Verifikation und Analyse funktionaler und nicht-funktionaler Eigenschaften (Performanz, Leistungsaufnahme und Zuverlässigkeit) eingebetteter Software
  • Einsatz von Embedded Multicore-Architekturen unter Berücksichtigung von Energieeffizienz und Performanz
  • Virtuelle Qualifikation eingebetteter Systeme (Robustheit)

liegen und Anwendungen in den Bereichen Automotive, Industrieautomatisierung und Telekommunikation inklusive aktueller Standards (z.B. AUTOSAR) aufzeigen. Die Forschung sollte die Kooperationsmöglichkeiten innerhalb der Universität, mit den ansässigen Max-Planck-Instituten sowie den Forschungstransfereinrichtungen und der Industrie in der Region, wie z. B. Computer- und Automobilindustrie, aufgreifen.

Das stinkt doch schon gewaltig, weil es viel zu präzise und eng eingeschränkt ist. Einerseits haben wir in Deutschland Forschungsfreiheit, und die Professoren trommeln immer darauf, daß sie tun und lassen können, was sie wollen. Andererseits wird hier verdammt präzise und überscharf eingeschränkt und eingegrenzt, was für ein Profil der Bewerber haben muß. Und zwar so sehr eingeschränkt, daß es die gesetzlich vorgeschriebene Bestenauslese (Art. 33 II GG) eigentlich nicht mehr geben kann, weil es bei einer so engen Eingrenzung kaum noch Bewerber geben kann. Fehlt nur noch, daß sie auch die Schuhgröße, die Augenfarbe und das Geburtsdatum vorgeben.

Googelt man mal so ein bisschen vor und zurück nach diesen Angaben, stößt man auf die Webseite von Oliver Bringmann, der ausgerechnet am FZI (Forschungszentrum Informatik), dem Anbau meiner Lieblings-Korruptionsuniversität und (und -informatikfakultät) Karlsruhe, arbeitet. Und in der Eigenbeschreibung von dessen Webseite heißt es:

Des Weiteren koordiniert er die Entwicklung von Methoden und Werkzeuge für den Entwurf verteilter eingebetteter Systeme und Systems-on-Chip und fördert den Transfer neuester Electronic System Level (ESL) Entwurfs- und Verifikationsmethoden in Industrie und Mittelstand. Es ist verantwortlich für das bereichsübergreifende FZI-Projekt Mobile IT.

Forschungsschwerpunkte:

  • Methodischer Entwurf und Analyse verteilter eingebetteter Systeme und Systems-on-Chip
  • Modellierung, Verfeinerung und Analyse eingebetteter Software
  • Automatische Architekturexploration mit virtuellen Prototypen
  • Modellbasierte Systemintegration und -verifikation
  • Entwurf und Architekturen für Autonome Integrierte Systeme
  • Entwurfs zuverlässiger eingebetteter Systeme
  • Robustheistsvalidierung und virtuelle Qualifikation
  • Simulation von AUTOSAR Software-Komponenten

Was eine schier verblüffende Übereinstimmung der Ausschreibung mit der Selbstbeschreibung von Oliver Bringmann ist. Jedem Studenten würde man die Hausarbeit wegen Abschreibens ablehnen, wenn sie solche Ähnlichkeit mit einer Webseite hat wie diese Ausschreibung mit dieser Selbstdarstellung.

Ein Zufall? Wohl kaum.

Der Dekan der Tübinger Fakultät, von dem diese Ausschreibung stammt, ist nämlich ein gewisser Professor Wolfgang Rosenstiel.

Der Chef des besagten Oliver Bringmann, aus dessen Profil die Ausschreibung abgeschrieben scheint, am FZI in Karlsruhe ist – Überraschung!derselbe Professor Wolfgang Rosenstiel, von dem die Ausschreibung stammt.

Da wird also nicht für eine Stelle mit objektiven Anforderungen der beste Bewerber gesucht, sondern umgekehrt die Ausschreibung einer Stelle fingiert und vorgetäuscht, indem man sie auf den Seilschaftskollegen maßschneidert.

Und als Sahnehäubchen obendrauf zeigt der Lebenslauf Rosenstiels, wo er gelernt hat: In der Korruptionsretorte Karlsruhe.

Nach meiner Einschätzung ist das kriminell, ich halte das für Ämterpatronage (Spezialfall der Korruptionsstraftat Untreue) und versuchten Betrug (gegenüber dem Land Baden-Württemberg, dem eine reguläre Ausschreibung mit Bestenauslese vorgegaukelt wird).

Und das ist nicht nur kriminell, sondern – so wie ich die kennengelernt habe – genau nach dem Geschmack des Wissenschaftsministeriums Baden-Württemberg. Die stehen auf solche Berufungsmethoden. Seilschaften werden im Ländle nämlich gepflegt, die sind da wichtig.

In Deutschland im Allgemeinen und im Ländle im Besonderen passiert sowas deshalb auch sehr häufig. Nur selten so auffällig und plump. Erst vor ein paar Tagen hatte ich über einen Aufsatz berichtet, in dem jemand wissenschaftlich die Besetzungsseilschaften in Medizin untersucht hat. Hier also dasselbe Schema in Informatik.

Was dann auch (wieder einmal) erklärt, wie in Deutschland manche Leute Professor werden. Ich hatte ja vor einiger Zeit schon über einen berichtet, der in Karlsruhe eine Schrott-Dissertation über Security abgeliefert hat und in seinem Fachbuch nicht mal Primzahlen richtig definieren kann, aber auch in eine Professur gelupft wurde. So läuft das in Deutschland.

2 Kommentare (RSS-Feed)

anon
14.2.2011 11:27
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Naja, ein Schaden entsteht dem Staat ja nur, wenn der Herr Bringmann nicht tatsächlich der am besten geeignete Kandidat ist. Das nachzuweisen dürfte schwierig sein. Ich finde diese Methode auch falsch, aber nachvollziehbar.
Zum Beispiel weiß ich von einem Fall, wo man einem Professor wegen seiner guten Arbeit einen eigenen Lehrstuhl geben wollte. Diese neue Professur musste man natürlich ausschreiben. Deshalb hat der Präsident der Uni die Berufungskommission darauf hingwiesen, wer an erster Stelle der Bewerberliste stehen müsse – andernfalls werde er der Liste nicht zustimmen-
Wie gesagt finde ich dieses Vorgehen nicht richtig. Allerdings wäre es für die Uni teuer geworden, wenn die Professur mit jemandem anderen besetzt worden wäre, da ja dann die bereits existierende Professur weiterhin bezahlt werden hätte müssen.


Steffen
14.2.2011 11:41
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Ich kann ähnliches vom Berliner Filz berichten.

In dem Forschungsinstitut wo ich mal beschäftigt war, war während meiner Zeit eine leitende Position ausgeschrieben worden. Natürlich war es ein offenes Geheimnis, daß das ganze so formuliert und arrangiert war, daß es exakt auf eine ganz bestimmte Person passt. Das Feld übrigens: Medizin.

So ziemlich zur gleichen Zeit hatte sich ein Post-Doc bei mir ausgeheult. Der hatte gleich mehrere Nachteile im deutschen Stellenbesetzungsfilz: Er war Ausländer, er hat sich auf die Qualität seiner Arbeit konzentriert, und er war in seinem Feld richtig gut. Als sein Vertrag ausgelaufen ist, er aber unbedingt noch wichtige offene Punkte fertig bearbeiten wollte, haben sie ihm (ich scherze nicht) einen Studentenwerkvertrag angeboten. Er hat den Wink mit dem Zaunpfahl verstanden, und ist in die Niederlande geflüchtet.

Dafür war es einige Wochen später für den patronierten Lieblings-Post-Doc des Professors überhaupt kein Problem, dem eine volle Stelle zu organisieren.