Forschungsmafia: Titelhandel · Forschungsbetrug · Wissenschaftskorruption · Hochschulkriminalität

Prüfer durch Software ersetzen…

Hadmut Danisch
26.11.2011 23:15

…oder wenigstens damit unterstützen?

Ich war heute beim zweiten Tag der Tagung über Plagiate, Wissenschaftsethik und geistiges Eigentum in Bayreuth (dazu schreib ich morgen noch ein paar Worte).

Der – in meinen Augen – beste Vortrag heute war der von Debora Weber-Wulff über Plagiatserkennungssoftware. Dabei habe ich heute mehrfach (allerdings auf dem Handy und deshalb nicht notiert, weil es mir nicht sofort als wichtig erschien) auf irgendwelchen Webseiten gelesen, daß man jetzt Software entwickelt hat, die die Attraktivität von Fotografien erkennen und bewerten können soll (siehe z. B. heise-Fotos).

Sowas ähnliches hatte ich doch neulich schon mal gelesen. Was war das noch gleich? Ach ja, richtig. Das MIT hatte untersucht, welche Fotos lange in Erinnerung bleiben und welche nicht. Schnöde Landschaftsbilder und die so extrem beliebten Sonnenuntergänge sind ganz schlecht. (Siehe z. B. ProfiFoto und das Paper vom MIT).

Natürlich kann solche Software nicht ernsthaft gute Bildbewertungen vornehmen, aber für eine Vorauswahl bei den riesigen Bilddatenbanken der Agenturen und Online-Bilderguckereien, die niemand mehr manuell durchforsten kann, wäre das vielleicht gar nicht so schlecht (wenn es halbwegs funktioniert).

Könnte das, was es für Fotos gibt, auch für Texte möglich sein?

Gerade bei Prosa-Dissertationen (Geisteswissenschaften) fragt man sich gelegentlich, warum die eine besser sein soll als die andere. Und so richtig greifbare Kriterien können die Universitäten ja auch nicht benennen. Ist eine Dissertation vielleicht dann besonders gut, wenn sie einem besonders gut im Gedächtnis haften bleibt? Und lässt sich diese Eigenschaft auch bei Texten irgendwie algorithmisch eingrenzen?

Aktuell wird hie und da manchmal die Forderung erhoben, daß Prüfer doch jede Dissertation durch eine Plagiatssoftware drehen müßten. Ist es in einigen Jahren vielleicht generell so, daß Software nicht nur nach Plagiaten sucht, sondern einen Teil der Bewertung vornimmt?

Ich habe schon im vorgehenden Blog-Artikel geschrieben, daß Sloterdijk die Plagiatssuchsoftware als „Lesemaschinen” bezeichnete, für die man Dissertationen schreibt. Vielleicht steht uns das erst noch bevor, wenn nämlich nicht nur die rote oder die grüne Plagiatslampe aufleuchtet, sondern auch noch die Note angezeigt wird. Was letztlich die Gefahr birgt, daß man Arbeiten dahin trimmt, möglichst gut auf die verwendeten Algorithmen zu passen. Wäre vielleicht immer noch besser und gerechter als die meisten Prüfer und Peer Reviews.

5 Kommentare (RSS-Feed)

Gerhard
27.11.2011 14:03
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Mir ist ein Projekt bekannt, in dem mit Hilfe evolutionsbiologischer Methoden und Software mittelalterliche Handschriften untersucht wurden.

Ziel des Projekts war es, anhand von insgesamt 58 verschiedenen Inkunabeln der “Canterbury Tales” festzustellen, welcher Schreiber von welchem abgeschrieben hat und welche handschriftliche Version dem Chaucer’schen Original am nächsten kommt.

Hier der Link zum “abstract”:

http://www.nature.com/nature/journal/v394/n6696/abs/394839a0.html

und zum .pdf-file der Veröffentlichung:

http://www.canterburytalesproject.org/pubs/nature.pdf


yasar
27.11.2011 15:24
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Vermutlich hätten dann die Suchmaschinenoptimierer ein neues Betätigungsfeld: Plagiatssoftwareumgehungsoptimierer (oder so ähnlich).


Alex
27.11.2011 16:56
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@yasar
Sicher, das wäre ein neues Feld, aber solange google & co auf der Seite der “guten” sind, wird das schon nicht passieren.

Kurz: Ich glaube nicht, dass es zu einem Hase und Igel Spiel kommen wird – die aktuellen Plagiatsfälle zeichnen sich ja gerade durch ihre extrem miese Qualität (also geringem Aufwand) aus.


Klonderer
28.11.2011 14:06
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@Alex
wir stehen ganz am Anfang dieser Entwicklung. Es ist und bleibt spannend


http://ddi.cs.uni-potsdam.de/Lehre/BelegDiplomarbeiten/Gutachten.htm
6.12.2011 12:30
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Passt mehr zur Überschrift als zum Thema Plagiate. Eine Phrasendreschmaschine für Gutachter

http://ddi.cs.uni-potsdam.de/Lehre/BelegDiplomarbeiten/Gutachten.htm

“Den Lehrenden und dem objektiven Bewertungsverfahren würde es helfen, wenn der Bewertungsprozeß maschinell zu unterstützt würde. Gedacht ist an ein System, das eine Vielzahl von etablierten Bewertungskriterien (z.B. Inhalt, Breite, Tiefe, Wissenschaftlichkeit, Format, Darstellung etc.) gruppiert bereitstellt, bei der Bewertung jedes Kriteriums durch Angabe von Merkmalen die Einschätzung der Qualität interaktiv unterstützt und schließlich auf der Grundlage vorformulierter Standardsätze ein Gutachten erstellt und einen Notenvorschlag liefert.”