Forschungsmafia: Titelhandel · Forschungsbetrug · Wissenschaftskorruption · Hochschulkriminalität

Stimmen zum Zustand der Wissenschaft

Hadmut Danisch
11.5.2011 12:38

Verschiedene interessant-dümmlich-bemerkenswerte Blog-Kommentare zum fragwürdigen Zustand unserer „Wissenschaft” im Kontext der Plagiate. Und eine Betrachtung der dreckigen Argumentationsweise eines Professors.

Ein gewisser Michael Blume, promovierter Religionswissenschaftler, schreibt dazu in einem Blogartikel u.a. (wobei ich gleich sagen muß, daß mir seine religionsbezogenen Argumentationen gar nicht gefallen, weil religiös orientierte – meines Erachtens dümmliche – Sichtweisen mit „Wissenschaft” völlig inkompatibel sind und sich gegenseitig konterkarrieren. Man kann Plagiate nicht bewerten, indem man die eigene religiöse Empörung über Ehebruch druntermischt. Sowas halte ich für dumm. Das übergehe ich jetzt hier aber mal, um mich auf seine wissenschaftliche Kritik zu beziehen):

Nun ist Freiher Karl-Theodor zu Guttenberg also zurück getreten. Jubel allerorten? Bei mir bleibt ein schaler Beigeschmack über die erlebte Gruppendynamik unter Akademikern und Wissenschaftlern. Als ob Mißstände im Wissenschaftsbetrieb nicht schon seit Jahren jedem bekannt sein konnten, der oder die sich “wirklich” interessierten… […]

Umso überraschter war und bin ich, nun als Religionswissenschaftler einen stellenweise selbstgerechten, gruppendynamischen Furor meiner eigenen Kolleginnen und Kollegen gegenüber Karl-Theodor zu Guttenberg zu erleben. Verstehen wir uns dabei nicht falsch: Ein Plagiat ist keinesfalls ein “Kavaliersdelikt” (ist Ehebruch inzwischen eines?) und die Folgen – Aberkennung des akademischen Titels, öffentliche Kritik & Beschämung – hat sich der Freiherr selbst zuzuschreiben. Nur: Offenkundig hat es einen Minister zu Guttenberg gebraucht, damit sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler endlich einigen Zuständen ihrer eigenen Zunft stellen! Rührt daher ein Teil des Zorns?

So berichtete der SPIEGEL bereits 2009 über “die Doktor-Macher” – einen Ring von hunderten (!) Hochschullehrerinnen und -lehrern, Vermittlern und Kunden, die sich letztlich gegen Geld akademische Titel erschlichen. Haben Sie einen allgemeinen Aufschrei dazu gehört? Empörte Briefe, Stellungnahmen von Hochschulverbänden, Forderungen nicht nur nach öffentlicher Bloßstellung sondern auch sofortiger Entlassung aller beteiligten Universitätsbeschäftigten, Bloggewitter zur Ehrlichkeit in der Wissenschaft? Kaum. […]

Wenn wissenschaftliches Betrügen so verdammenswert und gefährlich ist – warum diskutieren wir erst jetzt darüber, wo ein Außenstehender überführt wurde? Wo blieb die empörte Debatte über die seit Jahren bekannten Zustände in unseren eigenen Reihen? […]

Das Internet beginnt nach Politik und Medien nun (endlich) auch die Wissenschaft zu hinterfragen. […]

Wir Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler stehen in der Versuchung, uns selbst für die besseren Menschen zu halten – genau deswegen, weil wir das eben nicht sind. Auch wir leben Mechanismen der Eitelkeiten und Gruppendynamiken, der Verdrängung, des Schönsprech. Und auch wir benötigen daher demokratische Kontrolle, umso mehr wir öffentliche Gelder beanspruchen und in das Leben anderer eingreifen. Gerne glauben wir, über die vermeintlich niederen Instinkte “des Volkes” erhaben zu sein, das doch in Wirklichkeit schon längst geahnt hat, wer Doktortitel seit Jahrzehnten entwertet. […]

Mit einer direkten Erkenntnis kann jede und jeder von uns damit beginnen: Auch wir haben erst den Fall eines Minister zu Guttenberg gebraucht, um Ehrlichkeit in der Wissenschaft als dringendes Thema zu entdecken…

Damit trifft er den Nagel ziemlich auf den Kopf.

Die ach so eingebildete und überhebliche Gilde der Wissenschaftler hat es jahrzehntelang geschafft, ein Selbstbewertungsmonopol aufrecht zu erhalten und sich über den Elfenbeinturm und die Verachtung des Außenstehenden von jeder Betrachtung von außen abzuschotten. Gleichzeitig hat sie intern die Wissenschaftlichkeit durch Willkür und Korruption ersetzt, jede Kritk der Opportunität untergeordnet, Kritiker als unbeachtlich abgetan, Kritik auf unlautere Motivlagen zurückgeführt und entwertet.

Der Fall zu Guttenberg hat diesen Mechanismus durchbrochen, indem von außen, über das Crowdsourcing, über einen nicht (an-)greifbaren Gegner die Kritik erstellt und die Universität in einer Weise überrannt wurde, daß deren jahrzehntelang erfolgreichen Ignoranzmechanismen überlastet wurden und ausfielen. Die kriminelle Substanz kam erst dann ans Licht, als eine Öffentlichkeit es der Wissenschaft nicht mehr durchgehen ließ, daß nur sie sich selbst bewertete.

Von dem religiös-dämlichen Geschwurbel, das an sich schon eines Wissenschaftlers unwürdig ist, mal abgesehen halte ich die Aussagen von Michael Blume für sehr gut und richtig.

Dazu gibt es eine Replik von Anatol Stefanowitsch, einem Professor für – ja, so ganz sicher bin ich mir da nicht. Aber Professor ist er.

Und der versucht nun gleich schon wieder, das – wie Professoren das eben so tun – immer auf die anderen abzuschieben und abzuwälzen:

Aber dort, wo wir den Grundstein für diese wissenschaftliche Ehrlichkeit legen müssten — bei den Studierenden — gehen wir trotz des Eindrucks, der in der öffentlichen Diskussion um Guttenberg entstanden sein mag, mit Plagiaten sehr milde um, und wenn Blume uns Wissenschaftler/innen an dieser Stelle einen Vorwurf gemacht hätte, müsste man ihm Recht geben. Der Sturm der Entrüstung, der sich gegen Guttenberg gerichtet hat, bleibt angesichst studentischer Plagiate meistens aus.

Oh, ist das dreckig und verlogen. Jetzt sind es wieder die Studenten, auf die man zeigt, bei denen man mehr Strenge anlegen muß.

Nicht nur der Volksmund sagt, daß der Fisch vom Kopfe her stinkt. Jeder, der damit schon einmal zu tun hatte, etwa als Consultant, weiß, daß man in einer Firma, in der was richtig schief läuft, nicht bei den Lehrlingen, sondern bei der Geschäftsführung mit dem Aufräumen beginnen muß. Die wissenschaftliche Redlichkeit muß bei den Professoren beginnen, und die unvermeidliche Konsequenz daraus ist, daß man zuerst und am stärksten in deren Hintern treten muß, und nicht den der Studenten. Denn schließlich richten Professoren mit falschen Gutachten und Studien sehr viel mehr Schaden an als ein Student. Wann hätte je die Hausarbeit eines Studenten zu falschen politischen Entscheidungen oder falschen Gerichtsurteilen geführt?

Das wird aber noch schlimmer:

Jeder und jedem mit ein paar Jahren universitärer Lehrerfahrung wird der der/des Studierende/n X bekannt vorkommen (es ist ein authentischer, in den Details aus Datenschutzgründen verfremdeter Fall, wobei auch die Verfremdungen aus der eigenen Erfahrung stammen). X fiel bei mir zum erstenmal durch einen Betrugsversuch auf, als er/sie in der Klausur zur Einführung in die Sprachwissenschaft alle Antworten wortwörtlich bei einer Kommilitonin abgeschrieben hatte, die einen Tisch weiter saß. Von mir konfrontiert, stritt X alle Vorwürfe ab (bezeichnete sie allerdings nicht als „abstrus“ sondern als „gemein“) und beschuldigte dann die betreffende Kommilitonin des Abschreibens. X hatte beim Abschreiben allerdings Fehler gemacht, aus denen klar hervorging, wer hier von wem abgeschrieben hatte (Plionem statt Phonem ist mir in Erinnerung geblieben).

Gleich im darauffolgenden Semester reichte X gemeinsam mit einem Kommilitonen eine Arbeit ein, die die beiden zuvor bei Hausarbeiten.de erworben hatten. […]

Dreckigste Rabulistik. Zeigen auf andere, auf einen X, der sich nicht wehren und widerlegen kann. Freilich wird man unter hunderttausenden Studenten immer wieder welche finden, die schummeln und abschreiben. Aber damit ist doch das Problem nicht erfasst, sondern vom Problem abgelenkt, ein Nebenkriegsschauplatz als Ablenkungsmanöver aufgetan. Daß die Hauptursache die Professoren sind, wird da übertüncht.

Wieviele Professoren lassen sich ihre Vorträge, ihre Buchkapitel, ihre Papers von Mitarbeitern schreiben? Sehr viele. Nur daß man das dann nicht als verwerflich, sondern als normal hinstellt, während man dem Studenten heiße Vorwürfe macht. Diese Doppelmoral ist die Ursache des Problems.

Insofern empfinde ich es als höchst widerlich und abstoßend, wenn dieser Professor hier dann schreibt:

Da ich an Wunder nicht glaube, möchte ich zum Abschluss eine Vermutung äußern, warum Plagiate relativ gesehen so selten sind. Wir haben nämlich eine Waffe gegen Plagiate, und das sind wir selbst. Unsere offen dargestellte menschliche und professionelle Enttäuschung gegenüber Studierenden, die wir ausführlich beraten haben und die uns dann ein Plagiat vorlegen. Unsere klar kommunizierte Entrüstung über einen Verstoß gegen das akademische Ehrverständnis. Und nicht zuletzt unseren Ärger darüber, dass man uns für dumm genug hält, einen Betrug nicht zu bemerken.

Menschliche und professionelle Enttäuschung gegenüber Studierenden als Waffe gegen Plagiate? Als ob Plagiate nur bei Studierenden vorkämen?

Wenn man Plagiate ausrotten will, muß man zuerst mal unter den Professoren aufräumen, und die Studierenden beiseite lassen. Solange man aber solche Auf-andere-Zeiger wie diesen Professor Stefanowitsch Professor werden und damit über den Umgang mit Plagiaten entscheiden läßt, wird es niemals zu einer Besserung der Zustände kommen, sondern nur zu weiteren Vertuschungs- und Ablenkungsmanövern.

Der Fisch stinkt wieder einmal vom Kopfe her.

2 Kommentare (RSS-Feed)

Granado
12.5.2011 2:00
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Hm, sind das nicht auch ein bisschen viel Tippfehler(?) für den Linguisten Stefanowitsch.


anonym
14.10.2011 14:37
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