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Bundesverfassungsgericht hebt Habilitationsablehnung auf

Hadmut Danisch
9.12.2010 14:19

Wie krachend unfähig müssen Hamburger Professoren eigentlich sein, wenn sie sich von einem Gericht erst einmal erklären lassen müssen, was eine Habilitation ist, sie also nicht einmal ihren innersten Kernbereich beherrschen?

Das Bundesverfassungsgericht hat (Danke an den Leser für den Link!) eine Entscheidung, mit der einem Bewerber die Habilitation abgelehnt wird, aufgehoben. Dabei sind einige Teile der Entscheidung sehr interessant:

Absatz 48 f.
1. Prüfungsverfahren, die für die Aufnahme eines bestimmten Berufs den Nachweis bestimmter erworbener Fähigkeiten verlangen, greifen in die Freiheit der Berufswahl ein und müssen deshalb grundsätzlich den Anforderungen, die aus dem Grundrecht der Berufsfreiheit folgen, genügen (vgl. BVerfGE 37, 342 <352>; 79, 212 <218>; 84, 34 <45>).

a) Bei der vom Beschwerdeführer angestrebten Habilitation, durch die gemäß § 71 HmbHG „die besondere Befähigung zu selbständiger wissenschaftlicher Forschung“ nachgewiesen wird, handelt es sich um eine Berufszulassungsprüfung (vgl. BVerwGE 91, 24 <33 f.>; 95, 237 <242>).

Absatz 53 f.
a) Das Bewertungsverfahren muss im Rahmen des Möglichen Objektivität und Neutralität gewährleisten. Daraus ergeben sich Anforderungen bezüglich der sachgerechten Auswahl der Prüfer, ihrer Zahl und ihres Verhältnisses zueinander, insbesondere bei Bewertungsdifferenzen (vgl. BVerfGE 84, 34 <46>). Der Betroffene hat Anspruch auf eine fehlerfreie und verfahrensmäßige Leistungsbewertung durch sachkundige Personen (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 16. Januar 1995 – 1 BvR 1505/94 -, NVwZ 1995, S. 469 <470>). Bei fachspezifischen Fragen darf eine mit guten Gründen vertretene Auffassung nicht als falsch bewertet werden, nur weil das Prüfungsgremium hierzu eine andere Auffassung vertritt als der zu prüfende Bewerber (vgl. BVerfGE 84, 34 <55>).

b) Mit diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen, die sich auch aus dem Verhältnismäßigkeitsgebot ableiten, korrespondiert ein Anspruch auf wirksame fachgerichtliche Kontrolle aus Art. 19 Abs. 4 GG (vgl. BVerfGE 84, 34 <53>; 84, 59 <77 ff.>). Im Wege der gerichtlichen Nachprüfung muss sichergestellt sein, dass die konkreten Rechte, die sich aus der materiellen Grundrechtsposition des Betroffenen ergeben, effektiv geltend gemacht werden können. So dürfen die Gerichte bei fachspezifischen Bewertungen ihre Kontrolle nicht unter Hinweis auf den Beurteilungsspielraum der Prüfungsbehörde zurücknehmen, soweit vom Betroffenen substantiierte Einwendungen gegen die fachliche Bewertung vorgebracht werden (vgl. auch BVerwGE 104, 203 <208>). Sie haben insbesondere nachzuprüfen, ob durch das jeweilige Prüfungsverfahren eine sachkundige und fachlich korrekte Leistungsbewertung gewährleistet war, keine wesentlichen Verfahrensfehler begangen wurden, die jeweiligen Prüfer von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen sind und sich nicht von sachfremden Erwägungen haben leiten lassen (vgl. BVerfGE 84, 34 <53 f.>).

Lediglich bei prüfungsspezifischen Beurteilungen, die der Prüfer aus Erfahrungen im fachkundigen Vergleich mit der Leistung anderer Prüflinge gewinnt, ist von einem gerichtlich nur begrenzt nachprüfbaren Entscheidungsspielraum auszugehen. Die gerichtliche Kontrolle ist allerdings auch hier nur so weit eingeschränkt, als eine intensivere Prüfung zu einer Verzerrung der Bewertungsmaßstäbe und zu einer Verletzung des Grundsatzes der Chancengleichheit führen würde (grundlegend BVerfGE 84, 34 <50 ff.>; 84, 59 <77 ff.>).

Absatz 59 ff.
bb) Das Bundesverfassungsgericht hat bereits in seinem Hochschulurteil hervorgehoben, dass an das Berufungsverfahren der Hochschullehrer wegen der Bedeutung dieses Vorgangs für die Wissenschaftsfreiheit besondere Anforderungen zu stellen sind. Das Auswahlverfahren bestimme die eigentlichen Träger der freien Forschung und Lehre innerhalb der Universität und sei deshalb mit der Garantie des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG besonders eng verknüpft (vgl. BVerfGE 35, 79 <133>). Gleiches muss auch für die vorgelagerten Prozesse der Habilitation, der Erteilung einer Lehrbefugnis oder einer anderen Qualifikation für die Berufung auf eine Hochschulprofessur gelten, zumal durch eine negative Entscheidung die Wissenschaftsfreiheit des einzelnen Grundrechtsträgers besonders intensiv betroffen ist (vgl. auch BVerwGE 91, 24 <35 ff.>). Dem Bewerber ist durch eine Ablehnung seiner Habilitation die Berufung auf eine Professur und damit die Teilhabe an der besonderen Stellung der Hochschullehrer innerhalb der Universität verwehrt. Zugleich enthält die Ablehnungsentscheidung ein Urteil über die fachliche Eignung des betroffenen Grundrechtsträgers, der auf der Grundlage seiner eingereichten Arbeit für nicht ausreichend befähigt angesehen wird, das von ihm angestrebte Fach in Forschung und Lehre eigenständig als Hochschullehrer zu vertreten. Entsprechend sind an die Leistungsbewertung im Rahmen eines Habilitationsverfahrens besondere Anforderungen zu stellen, die dem Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit in seiner subjektiven wie objektiven Ausprägung Rechnung tragen.

3. Dem für den Beschwerdeführer aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG folgenden verfassungsrechtlichen Recht auf sachkundige Leistungsbewertung ist im Habilitationsverfahren nicht schon damit genügt, dass über den Erfolg der Habilitation nur von Personen entschieden werden darf, die selbst habilitiert sind oder über eine gleichwertige Qualifikation verfügen. Vielmehr muss durch die Ausgestaltung des Habilitationsverfahrens gewährleistet sein, dass der zur sachkundigen Bewertung erforderliche fachwissenschaftliche Sachverstand in dem zur Entscheidung berufenen Gremium nicht nur eingebracht, sondern auch dessen maßgebliche Berücksichtigung bei der Bewertungsentscheidung sichergestellt wird (vgl. BVerwGE 95, 237 <244 f.>).

a) Den vorbereitenden Fachgutachten kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Die jeweiligen Gutachter beurteilen, ob es sich bei der Habilitationsschrift um eine wesentliche Förderung der wissenschaftlichen Erkenntnis in dem Fach handelt, für das die Feststellung der Lehrbefähigung und gegebenenfalls der venia legendi erstrebt wird. Demgemäß bedarf es besonderer Anforderungen an die Auswahl der Gutachter sowie an deren Tätigkeit (vgl. BVerwGE 95, 237 <245>). Dem Gebot sachkundiger Bewertung sowie der Chancengleichheit ist nur dann ausreichend entsprochen, wenn die Gutachter im Habilitationsfach entsprechend ihrer fachlichen Qualifikation kompetent für die Bewertung sind.

Eine sachkundige Beurteilung, ob eine wesentliche Förderung der wissenschaftlichen Erkenntnisse in dem Habilitationsfach anzunehmen ist, setzt in Anbetracht von Umfang, Spezialisierungs- und Schwierigkeitsgrad von Habilitationsschriften die Auswahl und Bestellung von Personen voraus, die über einen hinreichenden Überblick über den fachwissenschaftlichen Erkenntnisstand in denjenigen Sachgebieten verfügen, mit denen sich die Habilitationsschrift befasst (vgl. BVerwGE 95, 237 <246>; siehe auch Maurer, in: Fläming u.a., Handbuch des Wissenschaftsrechts, Bd. I, 2. Aufl. 1996, S. 779 <790>). Bei Arbeiten mit interdisziplinären oder fächerübergreifenden Bezügen wird sich der erforderliche Sachverstand meist nur auf einen Ausschnitt der Arbeit erstrecken (siehe bereits Schwerdtfeger, WissR 12 <1979>, S. 107 <113>). Demgemäß muss vom Fachbereichsrat oder von der zuständigen Habilitationskommission durch entsprechende Auswahl der Gutachter dafür Sorge getragen werden, dass die fachliche Thematik der Arbeit umfassend abgedeckt, das heißt in allen wesentlichen Aspekten einer fachkundigen Nachprüfung unterzogen wird. Die Zusammenstellung der Gutachter muss insgesamt auf die Arbeit abgestimmt sein; für jedes wesentlich berührte Fach muss mindestens ein Gutachter bestellt werden (vgl. BVerwGE 95, 237 <246>).

b) Unter Bezugnahme auf die von der Verfassungsrechtsprechung entwickelten Grundsätze hat das Bundesverwaltungsgericht zugleich Anforderungen für die Qualität der im Habilitationsverfahren einzuholenden Fachgutachten formuliert, die dem Gebot sachkundiger Bewertung im Wissenschaftsbereich genügen. Durch das jeweilige Gutachten muss das zur Entscheidung berufene Gremium in den Stand gesetzt werden, eine eigenverantwortliche und verbindliche Bewertungsentscheidung zu treffen (vgl. BVerwGE 95, 237 <247>). Allgemein gehaltene oder pauschale Stellungnahmen reichen danach nicht aus. Insbesondere die für die Annahme oder Ablehnung der Leistung wesentlichen Gründe, vor allem Art und Umfang der Förderung der wissenschaftlichen Erkenntnisse in dem Habilitationsfach, aber auch Mängel und Vorzüge etwa hinsichtlich der Methoden und der Darstellungsweise des Bewerbers sind in dem einzelnen Gutachten so zu begründen, dass die anderen stimmberechtigten Mitglieder in die Lage versetzt werden, selbst verantwortlich zu entscheiden (vgl. BVerwG, a.a.O.; vgl. auch VGH Mannheim, Urteil vom 15. November 2000 – 9 S 2553/99 -, NVwZ 2001, S. 937 <938 f.>).

Absatz 68
b) Nur eingeschränkter verfassungsrechtlicher Nachprüfung unterliegt hierbei die Frage, ob das vorliegende Gutachten von Prof. Dr. E… den Anforderungen, die nach der Rechtsprechung an eine fachgerechte Begutachtung im Habilitationsverfahren anzulegen sind, genügt. Dieses zu bewerten, ist Aufgabe der Fachgerichte. Allerdings kann die Knappheit der gutachtlichen Feststellungen, welche die Gerichte teilweise selbst als „apodiktisch“ bezeichnet haben, nicht allein mit der „überragenden fachlichen Kompetenz“ des Gutachters und seiner „enormen Erfahrung“, die er im Laufe seiner „außergewöhnlich erfolgreichen wissenschaftlichen Karriere“ gesammelt hat, gerechtfertigt werden. Die Qualitätsanforderungen an fachwissenschaftliche Gutachten im Habilitationsverfahren gelten unabhängig vom Ansehen und der Person des Gutachters. Danach ist die gutachtliche Bewertung in der Weise zu begründen, dass die anderen stimmberechtigten Mitglieder des Fachbereichs beziehungsweise der Habilitationskommission in die Lage versetzt werden, auf ihrer Grundlage über die Annahme der Habilitation selbstverantwortlich zu entscheiden und zugleich eine effektive Kontrolle des Rechts auf sachkundige Bewertung durch die Gerichte ermöglicht wird (vgl. BVerwGE 95, 237 <247, 251>). Dazu reicht es jedenfalls nicht aus, dass der Gutachter seine Einschätzungen in Ergebnissätzen zusammenfasst.

c) Ob die Feststellungen von Verwaltungs- und Oberverwaltungsgericht zum Inhalt des Gutachtens danach den verfassungsrechtlichen Vorgaben entsprechen, kann hier dahinstehen. Denn jedenfalls ist durch die „maßgebliche“ Berücksichtigung des Gutachtens von Prof. Dr. E… bei der Entscheidung der Habilitationskommission das Recht des Beschwerdeführers auf eine umfassende sachkundige Leistungsbewertung verletzt worden.

In seiner gutachtlichen Stellungnahme erklärt Prof. Dr. E… eingangs, es sei evident, dass er aufgrund seines wissenschaftlichen Hintergrunds nicht in der Lage sei, zu medizinischen Fragestellungen oder zur Interpretation von Daten im Kontext einer „Biochemie in der Psychiatrie“ Stellung zu nehmen. Er werde sich nur zum wissenschaftstheoretischen Teil äußern. Damit hat sich der Gutachter selbst in wesentlichen Teilen der vom Beschwerdeführer eingereichten Habilitationsschrift als fachlich nicht ausreichend kompetent bezeichnet. Die Gerichte hätten vor dem Hintergrund des Rechts auf umfassende sachkundige Leistungsbewertung nicht davon ausgehen dürfen, es sei unschädlich, dass sich der Gutachter nicht zu im engeren Sinn fachlichen Aspekten der vorgelegten Schrift geäußert habe. Vielmehr war der wissenschaftstheoretische Aspekt der Habilitationsschrift, den Prof. Dr. E… ausschließlich gewürdigt hat, bereits durch das Gutachten von Prof. Dr. T… positiv evaluiert worden.

Wie unfähig müssen die Hamburger Professoren sein – und dieser Streit geht ja schon seit über 20 Jahren – um sich sowas von einem Gericht sagen lassen zu müssen?

Und was müssen da in Hamburg für Zustände herrschen, daß solche Leute Professor, verbeamtet und dafür auf Lebenszeit aus Steuergeldern bezahlt werden, wenn sie nicht einmal die Grundtätigkeiten ihres Berufs beherrschen? Worin besteht denn die Befähigung eines Professors, wenn die nicht einmal das können?

Hamburger Korruptionssumpf?

4 Kommentare (RSS-Feed)

J.
9.12.2010 14:50
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Es gab doch da schonmal einen Rechtsstreit von einem Lateinlehrer, der (dann letztendlich doch) über Schimpfworte bei irgendeinem antiken Schriftsteller habilitiert wurde …


J.
9.12.2010 14:51
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Erwin Lück
13.12.2010 13:12
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Komisch, zu einer Habilitationsschrift werden von drei Professoren zunächst Gutachten erstellt. Über Annahme/Ablehnung der Habilitationsschrift entscheidet dann auf Empfehlung eines mit zumindest sechs Professoren besetzten Habilitationsausschusses der komplette, mit mehreren Dutzend Professoren besetzte Fachbereichsrat der Uni.

Alle genannten, am Habilitationsverfahren beteiligten Professoren besitzen das Recht bzw. die Qualifikation, Habilitationen zu beurteilen.

Schlimm genug, dass einzelne Gutachter – wie im vorliegenden Fall – die verfassungsgemäßen Rechte eines Prüflings verletzen.

Wäre dann aber nicht zwingend zu erwarten, dass Mitglieder des Habilitationsausschusses dies erkennen und die Reißleine ziehen? Schlafen die?

Und müsste nicht spätestens die geballte Kompetenz der Mitglieder des Fachbereichsrats erkennen, dass die Rechte des Prüflings mit Füßen getreten werden? Schlafen die?

Es wäre zu wünschen, dass jeder einzelne am Habilitationsverfahren beteiligte Professor für den dem Prüfling entstandenen materiellen und immateriellen Schaden persönlich haftbar gemacht wird. Nur auf diesem Weg ließe sich zukünftig ein solcher Rechtsstreit mit 21-jähriger Prozessdauer verhindern.


Hadmut Danisch
13.12.2010 13:28
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Solche Probleme habe ich schon oft und genau so – auch in meinem eigenen Promotionsstreit – beobachtet.

Die haben nichts in der Birne. Die sind verbeamtet, haben keine Dienstaufsicht, haben ihren Beruf nicht gelernt und machen gerade, was sie wollen.

Das hängt damit zusammen, daß es keine Berufsausbildung zur Professur gibt, kein nachzuweisendes Wissen. Die führen die Berufung selbst durch und fragen nicht nach Dienstaufgaben und Befähigungen. Jeder Depp kann in Deutschland Professor werden, wenn die Kommission mitspielt. Obwohl Prüfen zu den Dienstaufgaben eines Professors zählt, verfügt kaum ein deutscher Professor über das Wissen, was eine Prüfung überhaupt ist und was er für Pflichten hat. Jeder Supermarktverkäufer muß für seinen Beruf mehr Wissen nachweisen als Professoren.

Und dann ist das eben bis zum hintersten Anschlag mit Korruption, Willkür und Inkompetenz durchsetzt.

Man müßte mal die Frage stellen, wie die an diesem Habilverfahren beteiligten Idioten jemals Professor werden konnten, wenn sie kein Habil-Verfahren durchführen können.