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Agnotologie

Hadmut Danisch
29.5.2010 15:57

auch als Agnotology bekannt. Eine Wissenschaft, die sich mit der Unwissenschaftlichkeit befasst.

Eine interessante Bewegung in der Wissenschaft, eine neuere Disziplin namens Agnotologie oder besser (englisch) Agnotology (Wikipedia deutsch, englisch). Die Bezeichnung stammt laut Wikipedia von Robert N. Proctor.

Worum geht es dabei? Wenn man die Webseiten darüber zusammennimmt, um die Erschaffung und Aufrechterhaltung von Unwissen aus politischen, kulturellen und kommerziellen Gründen. Meines Erachtens sollte man dazu noch die religiösen (oder genauer gesagt kirchlichen oder religionsindustriellen) Gründe und die Korruption hinzunehmen.

Dazu gab es kürzlich auch einen lesenswerten Artikel in der Schweizer Die Wochenzeitung.

Beobachtet habe ich so etwas schon oft, nur habe ich es bisher (auch hier im Blog) eher unter universitätstypische Rabulistik abgelegt. Ich habe sehr häufig diese Diskussionstechniken beobachtet (und auch selbst schon im Streit mit der Uni abbekommen), die auf die Produktion von Nichtwissen und Zweifel hinauslaufen:

  • Scheuklappen: unerwünschte Standpunkte werden einfach als unwissenschaftlich und damit unbeachtlich oder irrelevant hingestellt. Eine Standardtechnik, Argumente, die einem nicht in den Kram passen, zu ignorieren und als nichtexistent hinzustellen.
  • Angriffe gegen die Person: Oft wird auf die Argumentation gar nicht eingegangen und stattdessen der Urheber in Zweifel gestellt. Oder eine Motivation unterstellt. Typische Argumentation: „Das macht/sagt der nur, weil …” ohne die Frage zu klären, ob das, was einer sagt, falsch oder richtig ist. Nicht mehr die sachliche Richtigkeit zählt, sondern ob die Absichten und Ziele mit den eigenen konform gehen.
  • Endloses in die Länge ziehen (in letzter Zeit häufig mit dem schönen Wort „Filibustern” bezeichnet), indem man etwas einfach als unfertig hinstellt und es dazu so auswuchern läßt, daß das Ergebnis nicht mehr in absehbarer Zeit vorliegen oder dann nicht mehr zur Kenntnis genommen werden kann.
  • Das hätte man anders machen müssen. Man kann etwas als schlecht hinstellen, ohne es zu betrachten, indem man einfach über etwas ganz anderes redet und dann sagt, das hätte betrachtet werden müssen.

Die meisten deutschen Professoren, die ich bisher erlebt habe, beherrschen solche Techniken weitaus besser als ihr eigenes Fachgebiet. Im Wissenschaftsumfeld ist das Produzieren von Unwissen eine weitaus wichtigere Schlüsselqualifikation als die Produktion von Wissen.

Und soweit ich bisher sehen kann, werden unter dem neuen Oberbegriff Agnotology noch viel mehr dieser Techniken zusammengefasst. Eine Disziplin der Wissenschaft, die sich systematisch mit den Angriffen auf die Wissenschaft befasst.

Dabei sollte man natürlich bedenken, daß solche Angriffe ihre Ursache nicht nur außerhalb der Wissenschaft haben, denn je mehr das Niveau in der Wissenschaft absinkt, je mehr sich die Wissenschaft zum niemals nachgeprüften Laber- und Schwafelwettbewerb entwickelt, desto anfälliger wird sie natürlich auch für Laber- und Schwafelangriffe. Wer sich als (Pseudo-)Wissenschaftler systematisch auf das Niveau des Laberns und Schwafelns begibt, darf sich natürlich auch nicht wundern, wenn er plötzlich den Laber- und Schwafelangreifern aus den Lagern derer, die an wissenschaftlichen Ergebnissen nicht interessiert sind, „auf Augenhöhe” gegenübersteht oder diesen sogar noch unterlegen ist, weil die es dann wenigtens professionell machen.

Letztlich ist das aber und damit ein Symptom der Selbstzersetzung der Wissenschaft, denn wenn, wo und weil die Wissenschaft sich zum beliebigen Gefasel um Interessen und willkürliche Standpunkte zersetzt, verliert sie ihre ausgezeichnet und maßgebliche Position. Dann gibt es nicht mehr das „wissenschaftlich richtig” sondern nur noch ein Wirrwarr von Standpunkten wie Angebote auf dem Marktplatz, an dem sich der Zuschauer das billigste und gefälligste heraussucht.

Das Thema gefällt mir. Da werde ich dranbleiben.

(Und danke wieder an den Leser für den Link auf die WOZ)

5 Kommentare (RSS-Feed)

Tungsten
30.5.2010 23:29
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Das hier sieht interessant aus:
http://arstechnica.com/science/news/2010/05/when-science-clashes-with-belief-make-science-impotent.ars

Einfach irgendwas als “kann nicht durch die Wissenschaft beschrieben werden” deklarieren und gut ist …


marina
31.5.2010 9:40
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zur kunst des streitens: http://coolhaus.de/art-of-controversy/erist-i.htm

schopenhauer wusste es auch schon…besonders deutlich im letzten punkt: Letzter Kunstgriff

Wenn man merkt, daß der Gegner überlegen ist und man Unrecht behalten wird, so werde man persönlich, beleidigend, grob. Das Persönlichwerden besteht darin, daß man von dem Gegenstand des Streites (weil man da verlornes Spiel hat) abgeht auf den Streitenden und seine Person irgend wie angreift: man könnte es nennen argumentum ad personam, zum Unterschied vom argumentum ad hominem: dieses geht vom rein objektiven Gegenstand ab, um sich an das zu halten, was der Gegner darüber gesagt oder zugegeben hat. Beim Persönlichwerden aber verläßt man den Gegenstand ganz, und richtet seinen Angriff auf die Person des Gegners: man wird also kränkend, hämisch, beleidigend, grob. Es ist eine Appellation von den Kräften des Geistes an die des Leibes, oder an die Tierheit.

das mit der universität hat nietzsche vor 150 jahren beschrieben, vor allem diesen effekt des ausbrennens (der text heißt: über die zukunft unserer bildungsanstalten). wobei das wort korruption da nicht fällt…


moni
31.5.2010 15:39
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na ich hoffe mal, dass ich nicht zu infam schreibe…
oh je, ich merk schon, ich hab nichts erkannt. und wieviel ich nicht-erkannt habe ist noch schlimmer…

—-
man achte die etymologie, dafür bin ich immer sehr: a-gnotologie ist, sinngemäß, die “Lehre vom nicht-erkannten” (griech: gnosis = erkenntnis; a-gnosis: nicht-erkenntnis; agnostizisten sagen “gott ist der erkenntnis nicht zugänglich”; gnothi: erkenne … usw.). hier soll also ein fundamentales erkenntisproblem vorliegen, die leute erkennen die wahrheit nicht mehr, sie brauchen hilfe dabei. was vielleicht tatsächlich ein fettes problem ist.

ABER: statt die kirche in die welt tragen zu wollen, tragen wir doch mal die kirche in den universitätsdiskurs zurück.

erstens frage ich mich, was denn unwissen sein soll. man meint doch wohl irgendwie falsches wissen oder ähnliches, im grunde deviantes wissen, dem wissenschaftlichen wissen widersprechendes wissen, der (postulierten) normalität entgegengesetztes wissen. womit wir direkt innerhalb der politischen ökonomie wären, die übrigens immer ökonomie der wünsche ist (heißt: “hört auf euch das und das da so zu wünschen und/oder beginnt das und das da so und so zu wünschen” aka libidinöse ökonomie). das also das richtige wissen gerade ein problem hat mit dem falschen wissen, welches sich die leute anscheinend auch einfach selbst ausdenken und was nie aus wissenschaft kommt und meistens wohl nur interpretationsfehler ist. brauchen wir also noch mehr exegeten, mehr wahrheitsauslegungsexperterie. da es also so viel anti-wissen oder dissidentes wissen gibt.
naja und wo steht man denn, in wessen häusern verkehrt man oder wird man verkehren wollen, wenn dissidentes wissen ein problem ist? bei denen, die ich nicht nur, aber auch apologeten nenne. und genauso erscheint mir die agnotologie auch: als apologie.

wieso?
so ein satz aus dem WOZ-artikel: “Wir reden darüber, dass man im Namen des wissenschaftlichen Geistes Ungewissheit schürt, Scheindebatten vom Zaun bricht und eine Vielfalt der Standpunkte inszeniert, die im Grunde nicht existiert.” ist die sache mit aids echt eine scheindebatte, die gesamten zweifel an der pharmazie nur eine falscherkannte wahrheit? die instrumentalisierung der wissenschaft durch privatunternehmen und politik nur ein erkenntnisproblem? und welcher wissenschaftliche Geist denn noch? der gestorbene von humboldt? und wer bewertet denn die inexistenz von standpunkten, dass sie nicht divers wären, wie erhebt man die und das denn überhaupt?
die frage ist doch wohl, wieso das so krass super funktioniert (das muss man vorwerfen!), wieso die wissenschaft so viel macht besitzt ohne tatsächlich “wahres” hervorbringen zu müssen. wieso glauben die menschen so sehr an die wissenschaft? ist es eine frage des glaubens, also kann man sich der sache denn entziehen? oder liegen hier wohl vertraktere wirkungen der universitäten zu grunde, die man wohl erkennen muss, aber nicht nur erkennen?

ich nehme an, dass auch agnotology in diesem problem nach hinten losgeht, wenn auch dieser bereich von kompetenzpriestern übernommen worden ist; wenn die es nicht selbst ins leben gerufen haben, was anzunehmen naheliegt, da der herr proctor ja offensichtlich an allen glanzuniversitäten der welt vorspricht (princeton, yale, stanford, harvard, steht im wiki). man sollte immer aufpassen, wenn wissenschaftler über wahrheit reden, weil sie sich in diesem punkt ständig selbst mystifizieren.
agnotologie führt dann vielleicht noch eher dazu, dass noch mehr unwissenschaftliches als wissenschaftlich legitim durchgeht (“ach es ist wahr, die leute haben es nur nicht erkannt. wer braucht schon die leute”), weil man hat es ja nochmal a-gnotologisch dechiffriert (“sie haben nicht erkannt, dass…”) usw., also ists gleich noch wahrer als vorher und die zweifel der zweifler also noch unwahrer. kurz, es geht ums saubermachen schmutziger wäsche, ums eingrenzen von devianz, also ums normalisieren der kritik (die offensichtlich überhand nimmt, aber nur, weil die leute nicht richtig erkannt haben?), nicht darum mit deren produktion aufzuhören, sondern gerade damit richtig in fahrt zu kommen. die hiv-aids-zusammenhangs-in-frage-stellungs-menschen verbreiten nur unwissen und sind die gleiche sparte idioten wie kriegsgegner oder wissenschaftskritiker und öko-hippies und die anderen infamen unserer famösen gesellschaften, nämlich die sparte derer, die nicht erkennen können, vor allem nicht richtig. skepsis als erkenntnisproblem, als problem für erkenntnisdurchsetzung (nicht als problem der erkenntnis), sehr schön.
in 20 jahren braucht man eine genehmigung, um zweifeln zu dürfen. ein agnotologisch verifizierte genehmigung.

da will man sich als wissenschaft von religion usw. abgrenzen und nennt sich a-gnoto-logisch, benutzt einen begriff, der untrennbar von der gesamten geschichte des christentums ist und entstanden ist aus einem Bruch mit der Dogmatik (die, die “gebrochen” haben waren eben die a-gnostiker; man lasse sich durch den kopf gehen, “wen” die a-gnotologen finden werden: die a-dogmatiker).
ein stempel mehr auf inhaltsloser geldverschwenderei durch weitere blendgranaten-produktion, das wird agnotologie werden, wobei hoffentlich nicht, denn es könnte auch schlimmer werden

und dann überholte soziopsychologie des unglaubens: “Der Homo oeconomicus etabliert sich auch hier: Wissen als Portfolio, das den «Wissenden» auf dem Markt positioniert” [und so den unwissenden vom markt ausschließt] – nichts könnte falscher sein, als das bei uns die unwissenden vom markt ausgeschlossen werden würden (die agnotologie will sie ja selbst auf den markt bringen!), nichts falscher, als dass die wissenden die sind, die den markt beherrschen würden, denn die unwissenden scheinen jetzt genug zu sein, um sie zu einer weiteren wissenschaft zu machen. fehlen nur noch marx und freud.
und dann wird nachgesetzt: “Die Reduktion des Wissens auf ein Wirtschaftsgut setzt exakt das aufs Spiel, worauf wir bauen. Universitäten sollten sich daher als Pflegestätten dieses Ethos wiederentdecken, statt es erodieren zu lassen.” 1. haben die unis ja nicht gerade wenig an der erodierung mit gewirkt, oder wessen schuld soll das schon wieder sein? 2. Wenn man wissen als Ware produziert und nur noch als solche behandelt – was nicht alle menschen tun, sondern einige – ist das eine weitere art, wissen machtvoll umzusetzen, genauer: die macht, die wissen produziert auf eine weitere art zu gebrauchen, nicht die reduktion des wissens auf eine ware.
das problem, dass herr kaesar in seinem artikel stellt ist faktisch das, dass nicht alles wissen zur ware machbar ist und kontextuell hier das agnotologische “wissen”, das “richtige wissen vom falschen wissen” (das die falschen leute hervorbringen und verbreiten und die leute nicht erkennen) nicht verkaufbar ist, jedenfalls nicht effizient genug. das herr kaesar also gerade marktprobleme hat; und dann klagt der, die ökonomisierung der bildung sei böse, obwohl gerade die unfähigkeit einer weiteren ökonomisierung ihm das problem stellt: “wie verkaufe ich das an die leute?”
und dann resümiert der artikel sich selbst damit, dass man ohne wissenschaften wieder in die baraberei verfallen könnte, so als ob wissenschaft nicht selbst ab und zu intensiv an der produktion von barbarei beteiligt gewesen wäre oder (heute oder irgendwann) davor geschützt wäre, es vielleicht immer noch zu sein. als ob wissenschaftliche institutionen nicht barberei erzwingen könnten. so vergisst man dann geschichte oder irrelativiert ihren status und die tatsache, dass wir immer noch gefangene unserer geschichte sind, zu der auch die uni zählt und was uns immer ärgere probleme bereitet. sagt man eben einfach, das problem ist die reduktion der bildung auf einen warenstatus. braucht man gar nicht mehr über geschichte reden, sehr praktisch und gut verkäuflich, weil sich für geschichte ohnehin kaum noch jemand interessiert. geschichte zu ignorieren, vor allem die der institutionen, ist dem verkaufe nicht abträglich, es fördert ihn sogar.

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@ tungsten: der artikel ist kognitionspsychologie und – oh-mein-gott – sollte man der amerikanischen version dieser disziplin extrem skeptisch gegenüber stehen, insofern man das denn darf, weil es könnte ja meine agnotologische prägung sein, ich erkenne einfach nicht (richtig). vielleicht sollte ich erstmal den herrn proctor fragen, ob ich überhaupt die berechtigung dazu habe und danach zum psychoanalytiker. am ende machen da frauen mit bei der kognitionspsychologie und ich habe eigentlich nur ein problem mit meiner mutter, weswegen ich alle frauen als lügnerinnen hinstelle und alle, die mit ihnen zu tun haben auch, weswegen ich die wahrheit nicht erkenne. jaja, ich hab schon gnotologische probleme.
jedenfalls: wenn man deutschland für zitations-irre hält würde man sich in den usa vorkommen wie im garten des wahnsinns selbst, vor allem was deren psychologie betrifft.
aber davon abgesehen: schon der erste satz ist bezeichnend: “It’s hardly a secret that large segments of the population choose not to accept scientific data because it conflicts with their predefined BELIEFS: economic, political, religious, or otherwise”.
aha, die leute glauben also nur nicht richtig an die wissenschaften, weil es ihren präsuppositionen, die selbstredend falsch sind oder jedenfalls unberechtigt kontra-szientistisch (einfach, weil es menschen sind, die nicht alles glauben, obwohl sie der wissenschaft doch glauben sollten, dieser jungfer der erkenntnis; man kann sich fragen, warum), widerspricht und es hat rein gar nichts damit zu tun, dass da ein megageschäft mit der vera*schung der leute gemacht wird, das da vielleicht derbe schindluder betrieben wird oder irgendwie unnütze sachen produziert werden (wie zb. diese diss der familienministerin), für die wir einen haufen geld rausschmeißen. fehlt eigentlich nur noch, dass das natürlich auch was mit mann-frau zu tun hat und ergebnisse von frauen seltener akzeptiert werden, weil das dem glauben nicht entspricht usw. und man braucht jetzt mehr diss von frauen, weil die männer die personifizierte unterdrückung und dreckschweine sind und das alles probleme der einzelnen psyche des einzelnen ist. privatisierung aller probleme.
nein, dass man das einfach ethisch oder sonstwie abstoßend finden könnte – irgendwas, was und wie da produziert wird – , dass man vielleicht einfach keine lust mehr hat auf diesen apparat, weil er auch nicht der stein der weisen ist, nein, das ist nicht drin, da muss was bei den einzelnen im kopf nicht richtig sein, denn wo nichts falsch sein kann, da kann auch niemand was falsches erkennen, da gibt es gar nichts falsches, aber die leute erkennen es nicht, da gibt es widerstände, die auch was mit familie und religion usw. zu tun haben, was man also gleich mal mit untersuchen muss; dass zb sicher die unterschichten noch weniger von den sachen glauben, was natürlich ihrer geringen intelligenz wegen ihres devianten milieus usw. geschuldet ist usw usw., widerstände, die man rausfinden wird müssen um techniken zu entwickeln und zu legitimieren (was noch wichtiger ist), die diese widerstände kurzerhand umgehen oder sich zu nutze machen können und überhaupt einen weiteren psychologischen eingriff ins leben nicht nur rechtfertigen, sondern gleich “evident” notwendig machen, weil der laden nicht nur raucht, sondern brennt.
in der tat ist der schritt notwendig, weil die leute wirklich weniger an wissenschaft glauben, aber nicht, weil sie bescheuert sind, aber das darf man warhscheinlich bald so nicht mehr sagen, weil das gnotologisch indikativ wäre (schau mal, der erkennt nicht!).
und da kann man dann auch fragen, ob “homosexuality [is] or [is] not a mental illness” – als testfrage, eine wahrhaft etwas infame frage, aber wer wundert sich heute noch über infame fragen? die ganze zeit ist infam (150.000.000.000 € an inexistente, nicht mal auf papier vorhandene firmen; Umweltsünder die selbst ausrechnen dürfen, wieviel umwelt sie zersündigt haben usw.) geworden.
oder, ob die todesstrafe nicht doch angebracht ist: fragt man psychologiestudenten (“ja, aber nur bei wirklich anomalen”), die übrigens heute den hauptteil aller befragten in psychologischen “studien” ausmachen, was man günstiger weise gleich zu einer pflicht ihres studiums erklärt hat: man muss eine mindestanzahl von diesen tests mitgemacht haben, um zu den prüfungen zugelassen zu werden. wenn man es näher beschreiben würde, käme man wohl zum schluß, dass das autologisierung + überwachung ist, aber wen interessiert sowas noch? ist ja bloß geisteswissenschaft oder naturwissenschaft, je nachdem, wie man will, jedenfalls bissi bedeutungslos und ignorabel.

was ich meine ist, dass der artikel das primat der wissenschaft (auf wahrheit) schlicht unterschiebt und jedes abweichen davon als problem darstellt und zwar als psychologisches: willkommen im land der normalisierung des denkens.
stört das niemandem mehr? haben wirs jetzt voll akzeptiert? und tatsächlich, das ist applied psychology. das gerade das quasi-agnotologisch (“Lehre der nicht-erkenntnis”) ist, um zu zeigen, wie falsch es ist, dass die menschen der wissenschaft nicht glauben, weil es zwar schon ein zwei schwarze schafe gibt, das meiste aber abgelehnt wird, weil die leute einen kleinen dachschaden haben (keinen großen dachschaden, denn die anomalie beginnt seit dem ende des 19.jahrhunderts in den kleinen dingen, die sich aus religon, milieu, familie usw. ableiten lassen sollen). also müssen wir einfach nur den skeptischen ein bisschen mehr dazu bringen, ein bisschen mehr erzwingen, dass er sich nicht mehr dagegen wehren kann und WILL, was wir ihm verkünden, dass er einfach erkennen MUSS, dass alle die dagegen sprechen wollen schweigen werden müssen, also möge er uns seine widerstände aufzeigen, auf das unsere macht in ihn fahren möge, wir priester der wahrheit, damit dieser gegensprecher da auch seinen mund hält, bis es keine gegensprecher mehr gibt. ich brauche mich auf die zeit, in der das wahr sein wird, nichtmal freuen, weil wir ja schon mitten in ihr leben. der versuch der agnotolgie ist der beste beweis.

nicht nur verblendung, sondern machtinteresse und jedenfalls mehr als täuschung. und der versuch, die markierungen von dissidenten ins psychologische noch tiefer einzuschreiben oder auch: psychologisierung der falschen kritik (= unwissen wegen a-gnotis, also kognitionsfehler),
fundierung der notwendigkeit dieses kritik-äh-unwissen zu unterdrücken,
kontrolle der dissidenz durch produktion der gruppe der dissidenten (der a-gnotischen, oder wie nennt man diese neuen kunstsubjekte wohl?).
kein wunder, das man da über aids, todesstrafe und homosexualität fragen stellen kann als beispiel in der methode, allerdings schade, das man es macht und allerdings ziemlich selbst-verratend.

intensive bitte um erkenntnis meinerseits.


brummkreisel
3.6.2010 23:35
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Die Wissenschaft ist wohl die Religion unserer Zeit, an die wir glauben, ohne ihren Wahrheitsgehalt überprüfen zu können – worin der Vorteil von ‘Herrschaftswissen’ liegt und den Wissensmissbrauch (für individuelle Begehrlichkeiten) einer ganzen akademischen Kaste geradezu provoziert. Dabei ist der ‘Wille zur Macht’ (Nietzsche) plus ‘Wissen ist Macht’ (Francis Bacon) doch allzu oft das eigentliche Motiv der Menschen, die Wissenschaft betreiben ohne Wissen zu schaffen. ‘Der Verstand ist ein guter Diener, aber ein schlechter Herrscher’ – demnach ist der Wissenschaft als solcher stets zu misstrauen. Bin damit bisher ganz gut gefahren.

Zu Wissenschaftsideologie:
http://boag-online.de/pdf/boagap01.pdf

und vielleicht noch:
http://de.wikipedia.org/wiki/Nikolaus_von_Kues#Belehrte_Unwissenheit_und_Gotteserkenntnis

@moni: Beeindruckend, volle Zustimmung! Wenn ich es richtig verstanden habe (..), geht’s um den Erhalt der Deutungshoheit einer lang etablierten Elite. Macht wurde einst durch physische Gewalt ausgeübt, heute durch psychische Gewalt (Manipulation) – bis der ganze Zauber auffliegt, weil Wissen auch als Information definiert werden kann, die allen Menschen nutzt. Und DAS ist in der heeren Wissenschaft heute selten geworden.


elgordo
18.6.2010 0:00
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Meßergebnisse bilden die reale Grundlage von Wissenschaft. Diese sind aber 1) in ihrer Bedeutung zu interpretieren und 2) das auch (nach Publikation) gegen andere Interpretationen zu verteidigen, um einen /wahrscheinlich temporären) Konsens zu erreichen über vermutliche Realität aufgrund der Meßdaten.
Der durchschnittliche Bürger und betroffene Interessengruppen haben ein komplett anderes Interesse: den Status quo nämlich, dass ihre Kreise nicht gestört würden. Auch können sie durch mangelnde Fachkompetenz mit den Meßdaten nichts anfangen & an der Fach-Diskussion nicht qualifiziert teilnehmen, bilden sich aber, wenn die Interpretationen sie betreffen, trotzdem eine Meinung, die dann auch mit einigem Aufwand (und Gegengutachten, im Fall daß Geld übrig ist) gegen den eigentlichen Fach-Konsens verteidigt wird.
Nun sieht man auch täglich die andere Perspektive, wenn etwas außerhalb der eigenen Fachkompetenz (zB Auto) streikt und der hebeizitierte Spezialist seine faktisch begründete & fachlich interpretierte Meinung zum eigenen Unvergnügen kundtut – aber da gehts ja nicht um’s Weltklima sondern nur die eigene Rostschüssel, und der Griff zum Portemonee scheint unausweichlich.
Der Kulturkampf zwischen Interpretation für Konsens und Interpretation für Komfort bleibt.