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Über Prüfungsrecht, Blog-Kommentare und professorale Wissens-Panscherei

Hadmut Danisch
3.11.2009 1:43

Überlegungen zu einem Blog-Disput mit Informatik-Professoren der LMU München.

Für gewöhnlich schreibe ich meine Meinung in mein eigenes Blog. Wer wissen will, was ich schreibe, kann es lesen, und wer nicht will, kann es bleiben lassen.

Neulich habe ich eine Ausnahme gemacht. Ich lese gelegentlich das Blog Erlebt, geschrieben von einem Münchner Informatik-Professor, auf das ich zufällig mal irgendwie gestoßen bin. Ich kenne den Mann nicht. Aber er schreibt oft ganz interessante Sachen, und sieht sich und den Universitätsbetrieb durchaus auch selbstkritisch. Aber neulich habe ich da was gelesen, da haben mir die Haare zu Berge gestanden. Da schrieb er, was ein Dozent vom Prüfungsrecht wissen müsse. Nämlich das:

  • Beinträchtigungen sollen durch entsprechend längere Klausurzeiten ausgeglichen werden.
  • Beeinträchtigungen in weniger als 1% der Prüfungszeit müssen toleriert werden.
  • Nur die Beschwerden des “Durchschnittprüflings” müssen berücksichtigt werden.

“Durchschnittprüfling” sei ein Begriff des Prüfungsrechts. Weil ich es für ziemlich verantwortungslos und großen Unfug halte, so etwas – noch dazu als Professor und Prüfer, und damit mit einer gewissen amtlichen Verbindlichkeit, die weit über eine Meinung hinausgeht, zumal mit dem Hinweis, es von einem anderen Professor so erfahren zu haben, der laut seiner Homepage Prüfungsausschussvorsitzender ist – habe ich einige Kommentare dazu in sein Blog geschrieben. Für zartfühlend andeutende Formulierungen bin ich ja auch nicht bekannt. Die Reaktionen daruf in diesem Blog-Artikel und einem weiteren Blog-Artikel über „Freie Meinungsäußerung”
finde ich gleich in dreifacher Hinsicht überaus bedenklich und in ihrer Tendenz gefährlich.

Prüfungsrecht

Der erste Fehler ist, daß der in seinem Blog keine Quellenangaben macht. Da sollte Wissenschaftlern eigentlich in Fleisch und Blut übergegangen sein. Gerade im juristischen Bereich sollte man immer nachlesen können, in welchem Urteil das steht, weil Urteilsbegründung durch die extreme Verkürzung in den juristischen Kommentaren fast nie exakt erfasst werden können. Man muß immer die Möglichkeit haben, das im Urteil nachzulesen. So aber stinkt das schon von vorherein nach „so hätten wir es gerne”.

Die verwendeten Formulierungen und Aussagen dürften höchstwahrscheinlich auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.8.1993, 6 C 2/93 = BVerwGE 94, 64 = DVBl 1994, 158 = NVwZ 1994, 486 zurückgehen. Und da stehen sie anders drin, denn wenn man das ohne es verstanden zu haben, so weitererzählt, dann ergeben sich Verfremdungseffekte wie beim Stille-Post-Spiel. Und da haben sich hier die Fehler angereichert.

Der zweite Fehler ist, daß aus diesem Urteil nicht allgemein zu folgern ist, daß ein Prüfer irgendetwas nicht beachten müsste. Denn erstens hat in dem Fall die klagende Studentin gewonnen, womit das Gericht sich darauf konzentrierte, welche Umstände in diesem Fall für den Gewinn der Klage ausreichten, zumal die Klägerin gewisse Umstände gar nicht angegriffen hatte. Aus der Tatsache, daß ein Gericht etwas durchgehen läßt, weil der Kläger es nicht angegriffen hat, kann man nicht schließen, daß es zulässig wäre. Zweitens hat das Gericht nichts davon gesagt, daß die Prüfungsbehörde irgendetwas generell unterlassen dürfte.

Der dritte Fehler ist, daß der „Durchschnittsprüfling” kein Begriff des Prüfungsrechts ist, denn so einen gibt es nicht. Das Bundesverwaltungsgericht hatte diesen Begriff zwar in Anführungszeichen verwendet, aber nur, weil es die wörtlichen Ausführungen des Präsidenten des beklagten Prüfungsamtes wiedergab und aufgriff. Es ging hier nur darum, ob eine kurzeitige Lärmstörung den „Durchschnittsprüfung” nachhaltig aus dem Gedankengang reißen könnte. Es ging nicht darum, ob ein Durchschnittsprüfling andere Rechte hätte als ein nichtdurchschnittlicher Prüfling. Zitat aus dem Urteil:

Sowohl bei der Beurteilung der Erheblichkeit der Störung als dann auch bei der Bemessung der Ausgleichsmaßnahme ist dann allerdings, weil es immer um die Chancengleichheit mit anderen Prüflingen in entsprechenden Prüfungssituationen geht, jedenfalls im Grundsatz nicht von der jeweils unterschiedlichen individuellen Empfindlichkeit des einzelnen Prüflings, sondern sachnotwendig – entsprechend nivellierend und verallgemeinernd – von dem “Durchschnitts”-Prüfling auszugehen. Insofern ist dann auch Raum für die Entwicklung von Erfahrungssätzen, die sodann der Beurteilung des Einzelfalles – vorbehaltlich der Berücksichtigung von gegebenen Besonderheiten – zugrunde gelegt werden können und müssen.

Die Prüfungsbehörde kann und muß bei ihrer eigenen Bewertung einer Störungswirkung – es ist nun wirklich nicht jedes Geräusch so störend, daß die Prüfung verlängert werden muß – zunächst mal vom durchschnittlichen Prüfling ausgehen, denn sie kann ja nicht hellsehen und muß für alle die gleichen Prüfungsverhältnisse herstellen. Das gilt aber nur für die Einschätzung der Prüfer „von Amts wegen”. Wenn ein – undurchschnittlicher – Prüfling sich trotzdem gestört fühlt, dann muß er eben den Schnabel aufmachen, weil die Prüfer das sonst ja nicht wissen können. Zitat aus dem Urteil:

Erfahrungsgemäß kann es indessen bei der Mehrzahl denkbarer Störungen zweifelhaft sein, ob der “Durchschnitts”-Prüfling, auf den die Prüfungsbehörde im Zweifel abstellen muß, die konkrete Störung als so erheblich empfindet, daß er daraufhin in seiner Chancengleichheit verletzt ist. In allen diesen Fällen ist die Prüfungsbehörde, um möglichst sachgerecht entscheiden zu können und z.B. die Chancengleichheit nicht etwa durch eine ungerechtfertigte Schreibverlängerung zu verletzen, auf die Mitwirkung der Prüflinge angewiesen; in diesen Fällen ist dem einzelnen Prüfling, der sich infolge der Störung in seiner Chancengleichheit verletzt fühlt, eine entsprechende Rüge nicht nur zumutbar, sondern sie ist auch erforderlich, um der Prüfungsbehörde anzuzeigen, daß eine Verletzung der Chancengleichheit in Betracht kommt. Die Prüfungsbehörde wird ihrerseits sodann prüfen, ob eine Verletzung der Chancengleichheit zu bejahen ist, und gegebenenfalls die erforderlichen Maßnahmen treffen müssen.

Da steht das genaue Gegenteil dessen, was dieser Professor hier in seinem Blog behauptet. Das Gericht sagt, daß der nicht-durchschnittliche Prüfling sich aus eigenem Antrieb beschweren muß, wenn er sich gestört fühlt, obwohl die Prüfer/Prüfungsbehörde nach ihren Erfahrungsgrundsätzen die Störung für unerheblich hält. Die Prüfer müssen dann prüfen, ob die Beschwerde gerechtfertigt ist. Der Professor aber behauptet

Nur die Beschwerden des “Durchschnittprüflings” müssen berücksichtigt werden.

Das genaue Gegenteil des Urteils. Jeder, der auch nur die Prinzipien und Grundlagen des Prüfungsrechts verstanden hat, muß sofort merken, daß die Aussagen dieses Blogs und dieser Professoren der LMU schon strukturell nicht stimmen können.

Der vierte Fehler ist, daß es in diesem Urteil nur um Lärmstörungen ging. In dem Blog wird die Aussage gleich auf Beeinträchtigungen schlechthin verallgemeinert. Auf andere Beeinträchtigungen (zu warm, zu kalt, zu hell, zu dunkel,…) ist das so aber nicht ohne weiteres übertragbar.

Der fünfte Fehler ist, daß der Professor behauptet, daß Beeinträchtigungen, die weniger als 1% der Prüfungszeit betragen, toleriert werden müssten. Das stimmt schon deshalb nicht, weil das Gericht ausdrücklich festgestellt hat, daß die strittige Störung deutlich über 1% lag und es deshalb über Störungen unter 1% gar nicht entschieden hat. Das Gericht der Vorinstanz hatte geäußert, daß Lärmstörungen unter 1% unterhalb der Erheblichkeitsschwelle lägen, weil sie den Prüfling nicht nachhaltig aus den Gedanken rissen, was die Klägerin nicht angegriffen hatte und nicht entscheidungsrelevant war, weshalb das Gericht daran nicht gezweifelt hatte. Als Urteil festgelegt ist das nicht. Wenn der Prüfling am Nachbartisch an seinem Gebiß erstickt, wird das in der Regel auch weniger als 1% der Prüfungszeit in Anspruch nehmen – unterhalb der Erheblichkeitsschwelle liegt es sicherlich nicht. Außerdem besteht auch hier die Möglichkeit zur Beschwerde. Es heißt also gerade nicht, daß es toleriert werden muß, sondern nur, daß die Behörde es als unerheblich ansehen kann, wenn und solange sich keiner beschwert.

Der sechste Fehler ist, daß der Professor in seinem Blog pauschal sagt:

Beinträchtigungen sollen durch entsprechend längere Klausurzeiten ausgeglichen werden.

Das ist auch falsch. Er stellt es so hin, als würde man mit ein paar zusätzlichen Minuten jegliche Beeinträchtigung heilen können. Völliger Unfug. Wenn ein Prüfling beispielsweise nicht genug Licht hat, es zu kalt ist, die Aufgbenstellung unklar ist und dergleichen, kann man das nicht durch längere Klausurzeiten ausgleichen. Viele Beeinträchtigungen führen unausweichlich zu einer Wiederholung der Prüfung – rechtlich gesehen. In der Realität schert sich keiner drum.

Der siebte und fundamentalste Fehler ist, daß die beiden Professoren da das Prüfungsrecht in seiner ganzen Motivation auf den Kopf stellen. Das Prüfungsrecht ist kein eigengesetzliches Recht, sondern als Richterrecht aus den Grundrechten abgeleitet, namentlich aus der Berufsfreiheit (Art. 12 Absatz 1 GG) und der Rechtswegsgarantie (Art. 19 Absatz 4 GG). Die Grundrechte verpflichten die Staatsgewalten, nicht den Prüfling. In der Prüfung ist der Prüfling Grundrechtsträger und der Prüfer nur Grundrechtsverpflichteter. Der Professor hat als Prüfer keine eigenen Rechte (außer dem, nicht im Übermaß herangezogen zu werden), denn er tritt nur als Staatsgewalt und nicht als Grundrechtsträger auf. Das ganze Prüfungsrecht ist von seiner Struktur her deshalb ein Recht dessen, was der Prüfer muß, nicht dessen, was er nicht muß. Einen Rechtssatz des Inhaltes, daß ein Prüfling sich nicht beschweren könnte oder irgendwelche Beschwerden nicht beachtet werden müßten, kann es im Prüfungsrecht überhaupt nicht geben. Es gibt kein Verfassungsrecht, daß irgendwem den Rechtsweg verbieten könnte oder würde. Schon die Darstellung in diesem Blog ist bezogen auf das Prüfungsrecht widersinnig. Da fehlt das Grundwissen, um die Dienstaufgaben eines Professors zu erfüllen.

Das ist so genau die Sorte von Schlampigkeit, Beliebigkeit und Wissenspanscherei, die ich bei deutschen Professoren – und ganz besonders den Informatik-Professoren – seit über 10 Jahren immer wieder beobachte. Nichts wird da richtig nachgeprüft und fundiert erfasst, das findet alles irgendwo auf Geschwätz-Ebene statt. Und daraus ergiebt sich diese fatale Willkürlichkeit und Beliebigkeit, aus der heraus alles immer so formuliert wird, wie es Professors gerade am genehmsten und bequemsten ist. Nicht anders habe ich es in den fachlichen Streitigkeiten in meinem eigenen Fall erlebt: Immer nur irgendwelches faule Halbwissen, was dann nach Belieben so zurechtgeschwätzt wird, daß das bequemste Ergebnis rauskommt. Nicht in der Lage, einen Sachverhalt mal richtig aufzuklären, zu recherchieren, richtig darzustellen.

Sollte da aber, wie in der Diskussion zum Blog-Artikel unten anklingt, tatsächlich die Rechtsabteilung der LMU dahinterstecken, wäre das ein ziemlicher Hammer. Die Formulierung „geben Kollegen weiter, was sie erfahren haben” zeugt davon, wie fremd und weit weg das alles ist. Berufserfüllung auf Laienniveau, auf Grundlage von Hörensagen. Man sieht, was dabei herauskommt. Wenn das wirklich so war, daß die sich dieses „Wissen” von der Rechtsabteilung so abgeholt haben, dann ist das ein prima Beleg dafür, daß es nicht funktioniert, wenn der Professor auf eigenes Prüfungsrechtswissen verzichtet und meint, sich das bei Bedarf von den Juristen holen zu können (glauben die in Karlsruhe übrigens auch…).

(Nur falls jemand fragt: Ja, ich kenne das im Blog angesprochene Buch von Zimmerling. Ich kenne auch Zimmerling. Ich habe hier mindestens 9 Bücher über Prüfungsrecht, dazu einen großen Fundus an Urteilen im Volltext, und ich habe sie alle gelesen.)

Ignoranz-Mechanismen

Ich habe es schon oft angesprochen. Im Hochschulumfeld fallen mir immer wieder dieselben Methoden und Mechanismen der Ignoranz, der Dialektik, der Rabulistik auf. Ausgerechnet dort, wo sie sich alle als Wissenschaftler ausgeben, blühen die unwissenschaftlichsten Argumentationsmethoden. Das Ziel ist immer, den Urheber unerwünschter Kritik anzugreifen, zu entwerten, immer die inhaltliche Auseinandersetzung zu vermeiden. Immer dieselben Standardmethoden.

Man spricht dem anderen die Wissenschaftlichkeit ab. Sagt, er sei wissenschaftlich nicht anerkannt, man müßte gar nicht erst zuhören. Sehr beliebt ist auch immer die andersherum-Methode. Betrachtet der andere konkrete Fälle, heißt es, die kann man nicht verallgemeinern. Tut er es nicht, dann hält man entgegen, es sei nicht belegt. Gern genommen wird auch immer wieder die Methode, daß man einfach behauptet, irgendetwas – völlig irrelevantes oder zumindest meilenweit fernliegendes – fehlt und hätte unbedingt berücksichtigt werden müssen. Auch immer wieder gern verwendet die Ausflucht, daß man irgendetwas nicht verlangen könnte. Und wenn sonst gar nichts mehr hilft, erklärt man sich für beleidigt. Das Zauberwort „Beleidigung” ist der Joker, die Notbremse, der Universalschlüssel. Sagt man es, ist die Diskussion zu Ende, es wird gar nichts mehr betrachtet, und der Professor bzw. der angegriffene Ranghöhere kann ohne Gesichtsverlust und unter Behauptung des argumentativen Sieges den Kampfplatz verlassen. Je länger man im Wissenschaftszirkus kritisch unterwegs ist, desto bekannter kommen einem diese immer gleichen Worthülsen vor, desto deutlicher merkt man, daß da nichts an Wissenschaft, aber viel an antrainiertem Geschwafel steckt. Die Ursache dafür ist Group Think. Ein psychologischer Effekt, der Menschen, die in Gruppen handeln, zu selbstverstärkenden Fehlern führt, und sie trotzdem immer überzeugter von der Richtigkeit ihres Handelns werden läßt. Siehe das Buch Groupthink von Irving L. Janis.

Anfangs spielt er noch eine Weile mit, greift aber schon zu weitläufigen Themenänderungen, Promotionen vor dem zweiten Weltkrieg und so. Mit der deutschen Rechtsprechung konfrontiert, rutscht er in Richtigung typischer Worthülsenargumentation:

Ehrlich gesagt: mir geht die Belehrung zu weit.

Ich habe an Promotionsprüfungen in ein halbe Dozen Länder teilgenommen, wo diesbezüglich unterschiedliche Rechte und Pflichte bestehen. Ich habe mich natürölich nicht jedesmal eine juristische Ausbildung zugelegt. Das wäre genauso idiotisch sinnlos, wie einen Führerschein für jedes Land zu machen, wo man mal Auto fährt.

Ich bestehe darauf: Vorurteile gegen Professoren sind verbreitet. Meine Erfahrung ist, dass sie sehr wohl von ihren Rechts- und moralischen Pflichten bewusst sind und Angelegenheiten wie Prpfungen und Prüfungsrecht sehr ernst nehmen.

Plötzlich geht die Belehrung zu weit. Ein Hinweis auf Wissen, für dessen Kenntnis er eigentlich bezahlt wird. Er argumentiert allen Ernstes, daß es idiotisch sinnlos wäre, wenn ein Professor lernen müßte, was er tut. Vergleicht das Prüfen mit Autofahren. Ich habe durchaus den Eindruck, daß (zu) viele Professoren mit der Zukunft ihrer Prüflinge umgeht wie mit einem Mietwagen. Hauptsache, für sie ist es bequem. Daß ein Beamter in Deutschland Pflichten hat, interessiert ihn nicht. Die Anforderungen an Professoren müssen so runtergeschraubt werden, daß er bequem die Länder wechseln kann wie – ja, wie eben Mietwagen. Heute hier, morgen dort. Und die Prüflinge müssen es ausbaden.

Und dann soll es ein Vorurteil sein. Billige Masche. Wir sind kulturell darauf abgerichtet, daß wir – political correctness – alles, was als Vorurteil dasteht, für falsch halten, und ein Vorurteil als Beweis des Gegenteils ansehen. Vorurteile über Vorurteile sozusagen. Wieder so ein magisches Wort. Man muß es nur sagen, und schon ist die Situation geklärt. Ich beschäftige mich seit über 12 Jahren mit diesen Themen, länger als die gesamte Informatik-Ausbildung und -Tätigkeit manchen Professors. Wieviele Jahre müssen es denn sein, bis es kein Vorurteil mehr ist?

Und wenn eine Kritik am Berufsstand der Professoren – und die ist sicherlich nicht unberechtigt, im Bereich der Medizin geht man längst von einer flächendeckenden Korruption aus – wie im zweiten Blog-Artikel mit Ausländerfeindlichkeit gegen Türken gleichgesetzt wird, dann sind wir ganz tief in der unseriösen Demagogie angekommen. Die Botschaft ist: Professoren kann man gar nicht kritisieren, weil wer das tut auch Rassist ist und abends kleine Kinder frißt. Der Professor, das unkritisierbare Wesen. Und wieder die alte Masche, wie man sie auch von den Untersuchungskommissionen kennt: Immer den Kritiker persönlich angreifen, immer ablenken.

Er gibt dann sogar zu, daß er eigentlich keine Informatik-Ausbildung hat, nicht in Informatik promoviert ist, nur eingeschränktes Wissen hat. Prüfungsrecht ist auch nicht sein Ding.

Was aber ist denn dann sein Ding? Was befähigt den Mann, eine Professur in Informatik zu bekleiden und nicht nur ein paar Teilaspekte der Informatik zu vertreten? Er vergleicht das mit anderen Ländern. Wir sind hier nicht in anderen Ländern. Hier gilt für die Berufung auf Professuren Aritikel 33 Absatz 2, die Bestenauslese und die Voraussetzung der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung. Und es ist ebenfalls in der Rechtsprechung geklärt, daß ein Professor eben nicht nur einzelne Aspekte beherrschen, sondern das Fach auch in der Breite vertreten können muß. Von Medizinern verlangt man die Approbation, von Juristen die Staatsexamen, von Informatikern gar nichts. Da darf jeder kommen und nach Gutdünken lehren und prüfen.

Und genau deshalb ist es so wichtig, daß man das Prüfungsrecht kennt und einhält.

Blog-Kommentare und Zensur

Es wird viel dahergeredet über die Zensur in Blogs, wenn ein Kommentar nicht durchgelassen wird. Auch hier. Unsinn.

Zunächst mal ist der, der für das Blog verantwortlich ist, auch für den Inhalt verantwortlich (eine eigentlich inhaltslose Aussage bzw. Tautologie, scheint aber nicht allen klar zu sein). Weil der Inhaber des Blogs dran ist, wenn Mist drin steht, kann und muß es seiner Verantwortung unterliegen, was er durchlässt und was nicht. Auch wenn man an eine Zeitung einen Leserbrief schreibt, ist es der Zeitung überlassen, ob sie das abdruckt oder nicht. Ich bin der Auffassung, daß ein Kommentar immer nur ein Angebot ist, daß der „Redakteur” annehmen kann oder auch nicht, je nachdem ob es ihm in den Kram paßt oder nicht. Ich halte es da mit der Devise

Mein Blog – Meine Meinung
Dein Blog – Deine Meinung

Natürlich lasse ich gerne andere Meinungen zu, aber nur solange sie ordentlich und lesbar vorgetragen werden und ich den Eindruck habe, daß es dem Leser was bringt. Wenn da nur rumgeblökt und polemisiert wird, ohne daß der Kommentator zu erkennen gibt, welchen Standpunkt er eigentlich hat (Trolle usw.), und Trittbrettfahrer, die ihre Meinung irgendwo hinkleben wollen, aber selbst kein lesenswertes Blog zusammenkriegen, lasse ich nicht durch. Besonders wenn der Absender sich hinter Pseudonymen und falschen E-Mail-Adressen versteckt und meint, daß er damit eine Einbahnstraße für Angriffe hätte.

Etwas anderes gilt freilich, wenn es um falsche Tatsachen, strafrechtsrelevante Inhalte, das presserechtliche Gegendarstellungsrecht usw. gibt. Übrigens habe ich in der Vergangenheit schon auf freiwilliger Basis und von mir aus Professoren, die ich in meiner Doku stark kritisiert habe, ohne jede Verpflichtung angeboten, sie könnten zur Darstellung aus ihrer Sicht bis zu einem ganzen Kapitel schreiben, das ich unverändert gleich welchen Inhaltes mit aufnehmen werde. Bisher hat keiner das Angebot angenommen.

Auch bei meinem eigenen Blog halte ich das nicht anders. In den letzten Tagen hatte ich zweimal Themen, zu denen mich jeweils eine gewisse Zahl von schlechten Kommentaren erreicht haben, denen man deutlich anmerken konnte, daß sich Leute nur wichtig tun wollten, die eigentlich nichts eigenes zu sagen haben, aber nur um des Streitens und sich aufspielens willen Streit vom Zaun brechen. So eine Art Web-Vandalismus, statt Häuser und U-Bahnen hinterlassen die Leute ihre Kennzeichen auf Webseiten, oder wollen sich einfach selbst aufspielen, indem sie sich über den anderen zu stellen versuchen. Es steht außer Frage, daß ein Moderator (deshalb heißt er ja auch so) auswählen muß, was er durchläßt und was nicht, und daß er eben nicht alles durchlassen kann. Sonst verkäme das Blog/Forum/etc. zur Müllhalde. Ich selbst habe bisher nur in diesen komischen Beschimpfungsfällen die Kommentare nicht durchgelassen. Ich habe nicht die Absicht, mich in meinem eigenen Blog anpöbeln zu lassen, und welche Themen und Inhalte ich in meinem Blog haben will, entscheide ich selbst.

Insofern bin ich da auch keineswegs angefressen, wenn jemand einen Kommentar von mir nicht durchläßt. Kann er halten wie er will. Wer da Zensur schreit, zeigt nur, daß er nicht weiß, was das ist. Ob ein Blog-Inhaber Kommentare durchläßt oder nicht, hat überhaupt nichts mit Zensur zu tun.

Meinungsfreiheit heißt, daß man seine Meinung in ein eigenes Blog schreiben kann. Es hießt nicht, daß einem andere in deren Blog ein Forum bieten müssen. Da meine Kritik aber ohnehin in erster Linie an den Blog-Autor selbst und nur nachrangig an die Öffentlichkeit gewandt war, wäre es sowieso bedeutungslos gewesen, ob die Sache öffentlich sichtbar wird. Hauptsache, er selbst sieht sie.

Umso erstaunter war ich, daß er den Kommentar durchläßt, und sich dann darüber grämt, wie er damit umgehen soll.

Eigentlich gibt es nur zwei gute Wege, mit solcher Kritik umzugehen. Entweder betreibt man das Blog als eigene Meinung und läßt solche Kommentare nicht durch (sollen die Kommentatoren sich eben woanders verewigen), oder man geht ordentlich damit um. Kommentare aber durchzulassen und dann mit „Igitt, ein vorurteilsbehafteter Ausländerhasser” zu reagieren, ist kein gutes Bild.