Forschungsmafia: Titelhandel · Forschungsbetrug · Wissenschaftskorruption · Hochschulkriminalität

Tichys Titelhandel

Hadmut Danisch
21.10.2009 23:52

Ich dachte, noch tiefer könnte die Uni Karlsruhe eigentlich nicht mehr sinken. Doch, sie kann.

Manchmal, nur manchmal, gibt es diese Art von Meldungen, die in mein Blog einzutragen mir genau dieselbe Sorte von unbändigem Spaß macht, wie als Kind bei Schmuddelwetter mit viel Anlauf und mit beiden Füßen voll in die großen, tiefen, dreckigen Regenpfützen zu springen. Das ist so eine. Hat mir wieder ein aufmerksamer Leser geschickt (Danke!).

Es geht um das Institute für Program Structures and Data Organization (IPD) der Universität Karlsruhe. Lehrstuhl Professor Walter F. Tichy. Das macht mir deshalb so Quietschespaß, weil der ja damals in meinem Promotionsstreit Dekan und einer der maßgeblichen Drahtzieher war, als man mir die Diss wegen ausgebliebenen Schmiergeldes mit bewußt falschen Gutachten und Untersuchungsberichten ablehnte. Wenn die an dieser Uni für die Annahme einer Diplomarbeit oder Dissertation Geld oder andere geldwerte Vorteile verlangen, geht ohne Geld gar nichts mehr. Umgekehrt bekommt man für Geld dort alles, auch ohne wissenschaftliche Leistung. Das Promovieren steht und fällt dort also mit dem Geld.

Für Geld machen die anscheinend alles. Die Webseite des Lehrstuhls Tichy (nicht des ganzen IPD, nur Tichy!) blendet nun (rechts im Menü unter „Ads”) Werbung ein, von Google.

Wie tief muß man sinken, um die Webseite, um den Namen eines Universitätsinstitutes, eines Lehrstuhls, blanko an einen Werbemakler zu verhökern, der da unkontrolliert einblendet, was er gerade will? Werbung für Zahnpasta und Inkontinenzeinlagen im Namen der Wissenschaft? Die nennen sich beste Informatik-Fakultät, Exzellenz-Universität, plustern sich als KIT auf und vergleichen sich selbst mit dem MIT, auf Weltniveau wollen sie kommen, und dann haben sie es nötig, öffentlich-rechtlich und im Namen der Wissenschaft betriebene Webseiten an beliebige Werbung unter Willkür eines Dritten zu verkloppen? Ist das stillos, ist das jämmerlich, ist das erbärmlich. Was kommt denn als nächstes? Vorlesungen mit drei Werbeunterbrechungen? Prüfungsfragen, ob man die Produkte des Sponsors auch alle kennt? Bachelor-Punkte in der Cornflakes-Packung?

Naja, und nun kam es, wie es kommen mußte: Google Ads paßt die Werbung der umgebenden Webseite an und hat das besser gemacht als erwartet. Vorhin (inzwischen gerade mal nicht, wird aber wieder kommen) erschien da die Werbung eines Titelhändlers. Pardon, man nennt sie ja Promotionsberater. Zwar war ich vorhin unterwegs, als ich den Hinweis bekam (und saß drolligerweise mitten in einer Sitzung einer Anti-Korruptionsgruppe), hatte aber glücklicherweise mein Netbook dabei und habe gleich einen Screenshot gemacht (anklicken!):

IPD

Rechts im Menü ist die Werbung

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Google Ads hätte keine Werbung finden können, die besser zur Universität Karlsruhe paßt. Wenn ich überlege, was die mir da für Probleme gemacht haben und wie teuer das auf Dauer für mich wurde, und sie ja ständig mir gegenüber und gegenüber dem Gericht behaupteten, keine befähigten Prüfer zu haben – man geht zum Promotionsberater, wirft Geld ein, und schon kommen Doktorvater, Dissertation, Auszeichnung vom Himmel gefallen. Und wenn die damit 250 Mitarbeiter beschäftigen können, müssen die ja ganz schön Umsatz machen – und zu jedem Umsatz gehört schließlich mindestens zwei Professoren, die mitspielen.

Und das auf der Webseite von Tichy. Mein Gott, sind die …. Ich werde jetzt erst mal zwei Wochen lachen.

Tichy ist nicht der erste dem das passiert. Sowas habe ich 2005 schon mal auf den Webseiten der TU Darmstadt entdeckt, natürlich auch bei den Informatikern:

DoktormacherTUD

Aber die hatten nur ihre Suchfunktion über einen externen Dienstleister gemacht, weil sie es selbst nicht auf die Reihe bekommen haben. Anscheinend haben sie dem nichts gezahlt sondern sich – als Informatiker – irgendwo kostenlose Dienstleistungen in die Webseite holen müssen. Der Dienstleister machte seinen Schnitt mit dem Einblenden von passender Werbung zum Suchbegriff. Suchte man auf der Fakultätsseite nach „Promotionsordnung”, bekam man gleich dazu die Werbung zum Doktormacher. Aber immerhin waren die in Darmstadt nur naiv und halt einfach nicht in der Lage, sich selbst eine Suchfunktion zu bauen. Tichy dagegen geht es nur ums Geld. Für ein paar Kröten erlaubt der Dritten, dort einzublenden, was immer sie wollen.

Genau so läuft’s in der Wissenschaft auch mit den Konferenzen, Publikationen und Dissertationen. Wer zahlt, darf einblenden, wozu er Lust hat.

Huahahaha…

Nachtrag: Das Kontaktformular muß man sich echt mal ansehen. Sie tun pro forma so, als würden sie nur beraten und mal korrekturlesen. Im Kontaktformular kann man aber neben dem Wunschthema direkt genau angeben, wieviel Seiten es werden sollen. Noch Fragen?

Nachtrag 2: Ich hab mir mal auf Google Ads die Erläuterungen angesehen. Zitat:

Dank der umfassenden AdWords-Inserentendatenbank verfügt Google über Anzeigen für alle Geschäftskategorien und buchstäblich für alle Arten von Content, egal wie speziell dieser ist.

Mit der Google-Technologie werden die relevantesten und ergebnisstärksten AdWords-Anzeigen für Ihre Website ermittelt. Und da Google die Anzeigen liefert, brauchen Sie sich um die Pflege der geschäftlichen Kontakte mit den Inserenten nicht zu kümmern.

Wie hoch sind meine Einnahmen?
Die Höhe Ihrer Einnahmen hängt von einer Reihe von Faktoren ab, u. a. von der Höhe des Gebots, das ein Inserent für eine Anzeige auf Ihrer Website abgibt. Von dem gezahlten Anzeigenpreis erhalten Sie einen entsprechenden Anteil. Sie können am besten herausfinden, wie hoch Ihre Einnahmen sind, indem Sie sich anmelden und mit der Veröffentlichung von Anzeigen auf Ihren Webseiten beginnen.

Das heißt, daß die Titelhändler gezielt dafür geboten haben, auf der Universitätswebseite zu erscheinen und Tichy bzw. sein Lehrstuhl nicht nur pauschal, sondern direkt an diesen Zahlungen mitverdient. Ich denke, man könnte so also mit Fug und Recht behaupten, daß Tichy bzw. sein Lehrstuhl an dubiosem Titelhandel mitverdienen.

Nachtrag 3 (22.10.): Beim Schreiben des Blog-Artikels hatte ich das mit der Zahnpasta-Werbung nur als Spott gemeint. Heute haben sie tatsächlich Werbung für Prophylaxe in Karlsruhe – Mundgesundheit durch Vorsorge, Zahnanalyse + gezielte Behandlung – www.dr-schnorbach.de drauf. Die sind sich für gar nichts zu schade. Und der Titelhändler ist auch wieder drauf.

Nachtrag 4: Hier gibt’s übrigens ein Plädoyer für Werbung auf Universitätswebseiten.

Nachtrag 5: Nun haben sie Mittel gegen Mundgeruch im Angebot….