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Wissenschaftsschwindel? Bundesverdienstkreuz für die erste E-Mail

Hadmut Danisch
2.8.2009 21:08

Mal wieder so eine kleine würzende Nebenbemerkung zum Schwindel an Universitäten.

Seit Jahren wurde von der Universität Karlsruhe kolportiert, Professor Werner Zorn hätte die erste E-Mail nach Deutschland empfangen. So behauptet Zorn gegenüber der ARD, daß er der erste Empfänger gewesen wäre, die Adresse sei zorn@germany gewesen.

Geglaubt habe ich das nie. Aus zwei Gründen. Weil ich Zorn persönlich kenne.

Der erste Grund: Ich habe ab 1986 in Karlsruhe Informatik studiert, und wie der Zufall es so will, meine Vorlesungen Informatik I und II bei Zorn gehört. Viel Ahnung hatte der nicht. Damals hatte ich mal eine Frage zu UUCP. Damals war das noch ganz wüst und schwierig, es gab noch kein WWW, sondern praktisch nur News, E-Mail, FTP und Telnet, und die Nachrichten waren klein. Damals wurde Software über News (comp.sources.*) verbreitet, dazu per shar in eine Datei gepackt, die mit uuencode in druckbare Zeichen gewandelt, mit split wieder in verschiedene, gleich große Teile zerstückelt und dann in einzelnen Nachrichten gepostet. Und zwar nicht nur für Unix. Ich hatte damals einen Commodore Amiga (ein geiler Hobel…), für den es jede Menge Software gab, über die berühmt-berüchtigten Fish-Disks oder über News. Irgendwann hatte ich mal irgendwoher irgendeine von diesen Mails oder News-Postings und dabei irgendetwas nicht verstanden. Hatte irgendwas mit UUCP zu tun. Weil es damals nicht so viele gab, die sich mit sowas auskannten und die man fragen konnte, dachte ich mir, fragste halt deinen Informatik-Prof. Das muß so Anfang 1987 gewesen sein. Pfeifendeckel. Zorn wußte gar nichts. Keine ordentliche Antwort. Unmöglich, daß der das Mail-System aufgebaut hatte. Bekannt war an der Uni, daß damals Michael Rotert der Ober-Admin war und das alles gebaut und gedeichselt hatte. Zudem hat die Truppe, die das damals aufgebaut hat, dann ja auch den ersten Internet-Provider Xlink gegründet, bei dem ich dann damals auch beschäftigt war. Rotert war damals mein Chef. Der wußte, wie das geht. Zorn wußte das nicht.

Dann kam die Sache mit meinem Promotionsverfahren. Zorn war an der Fakultät in Ungnade gefallen, weil er die Verantwortung für das Fakultätsnetz hatte, aber es völlig vernachlässigt hatte. Die Fakultät erregte sich so darüber, daß er nicht in der Lage war, das Fakultätsnetz wenigstens auf dem Stand des Restes der Uni zu halten, daß sie ihm die Zuständigkeit für die Informatik-Rechnerabteilung (IRA = lat. Zorn) entzog, um das Schlimmste zu verhindern. Nachdem die Technik-Truppe die Karlsruher Fakultät Richtung Xlink verlassen hatte, war Zorn völlig handlungsunfähig. Der lebte allein davon, die Arbeit seiner Mitarbeiter als die seine auszugeben, übliche Professorentaktik eben. Nach seinem Rauswurf aus der IRA gab die Fakultät ihm damals auf, sich durch Aufbau einer “Speerspitze der Informatik” zu bewähren. In das Ding bin ich damals reingezogen worden. Mein “Doktorvater” verlangte damals, daß ich für Zorn was baue, weil der selbst nichts auf die Reihe bekäme. Ich hatte einige Male mit Zorn zu tun, auch mit seinem – nur aus bunten Kreisen bestehenden – Konzept der “Virtual Department Architecture”. Nach dem inkompetetenten Zeug, was er damals da von sich gab, bin ich mir sicher, daß der ganz bestimmt kein Mailsystem aufgebaut hat, schon gar nicht das erste. Trotzdem wurde es immer wieder behauptet.

Seine Berufung an das Hasso-Plattner-Institut in Potsdam hing – wie mir zugetragen wurde – angeblich damit zusammen.

Auch das Bundesverdienstkreuz, daß er auf Betreiben des Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg erhalten hatte, beruhte wesentlich auf der Story, daß er die erste E-Mail erhalten hätte. Eigentlich wollte der Ministerpräsident von Baden-Württemberg überhaupt nicht erklären, wofür es das Bundesverdienstkreuz gab. Der Bundespräsident (bzw. sein Büro) hat es mir aber verraten, die sind dort nämlich ehrlicher als die in Baden-Württemberg, und sagen, wofür sie Leute auszeichnen. Baden-Württemberg hatte das so beantragt, und der Bundespräsident hatte das Bundesverdienstkreuz verliehen.

Eben gucke ich gerade in der ARD die Tagesschau, da kommt ein Artikel über 25 Jahre E-Mail in Deutschland. Würg, denke ich, da bringen die gleich wieder diese faule Nummer mit Zorn. Und war dann völlig verblüfft, daß die Tagesschau – im Gegensatz zu ihrer Webseite – Michael Rotert als den ersten Empfänger bezeichnete und auch ein Kurzinterview mit ihm brachte. Schön.

Forscht (=googelt) man noch etwas weiter, kommt man auf eine Kopie der ersten E-Mail. Interessant ist, die Kopie zu vergrössern.

Empfänger ist Rotert, Zorn steht im Cc. Im Text wird Zorn als Administrative, Rotert als Technical contact genannt.

Das heißt, Zorn war involviert. Die Mail ging aber eindeutig an Rotert. Rotert hat die Arbeit gemacht. Und Zorn hat – typisch für Professoren, besonders in Karlsruhe – die Leistung seiner Mitarbeiter als seine ausgegeben, wie er das dann später auch mit mir versucht hat.

Und das Land Baden-Württemberg hat ihn dann dafür für das Bundesverdienstkreuz vorgeschlagen. Mit einer Formulierung, die nur aus der Universität Karlsruhe selbst kommen konnte, weil in der Begründung Insiderwissen vorkommt.

So bekommt man hierzulande das Bundesverdienstkreuz. Zumindest in Baden-Württemberg.

2 Kommentare (RSS-Feed)


hardy.falk
3.8.2009 20:11
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Zitat
“Und Zorn hat – typisch für Professoren, besonders in Karlsruhe – die Leistung seiner Mitarbeiter als seine ausgegeben”.
IMHO wird dieses Verhalten auf dem Weg zur Habilitation erlernt. Der Weg ist in D steinig, und vor allem lang. Die ständige Furcht, es könne am Ende nicht reichen erzeugt diesen Sammelzwang. Damit ließe sich auch erklären, warum dieses spezielle Verhalten in den angelsächsischen Ländern weniger ausgeprägt ist.