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Hochschulkriminalität und die “Broken-Windows-Theorie”?

Hadmut Danisch
22.11.2008 1:50

Über einen Telepolis-Artikel bin ich mal wieder auf einen wissenschaftlich untersuchtes Phänomen namens Broken-Windows-Theorie aufmerksam geworden, was durchaus die Korruption und die Kriminalität im Forschungs- und Hochschulbereich erklären könnte. (Gemeint ist damit übrigens nicht die Qualität der Betriebssysteme von Microsoft und die dadurch verursachten Gewaltausbrüche…).

Es geht um das Phänomen, daß wenn erst einmal einer mit dem Bruch einer Norm angefangen hat, plötzlich immer mehr anfangen, auch Normen zu brechen und sich das hochschaukelt. “Broken Window” bezieht sich dabei auf das Beispiel eines Hauses, an dem der Vandalismus herrscht, wenn erst einmal eine Fensterscheibe eingeworfen wurde.

Auch da ist mir vor 20 Jahren im Studentenwohnheim etwas passiert, was auf genau diesem Effekt beruhte. Ich hatte damals ein zweites Fahrrad gekauft, weil mein erstes, älteres Fahrrad kaputt war und ich dringend eines brauchte. Dann habe ich das alte aber repariert und hatte zwei Fahrräder, die völlig in Ordnung waren. Und weil ich natürlich immer nur mit einem rumfahre, habe ich das etwas ältere im Fahrradschuppen stehen lassen und dort am Fahrradständer angekettet (Für Insider: Der Wellblechschuppen vor dem K1 Richtung Straße im HaDiKo, falls es den noch gibt.) Wochenlang stand das Fahrrad da unberührt, keiner hat was dran gemacht. Ich kam ja jeden Tag dran vorbei und habe das gesehen.

Plötzlich ging’s los: Zuerst hat mir jemand irgendwas abgeschraubt, von dem man gut sehen konnte, daß es fehlt. Ich weiß nicht mehr genau, ich glaub es war der Sattel. Kaum war das Fahrrad in seiner Integrität angetastet, galt das irgendwie als Freiwild, da sind alle Dämme gebrochen. Innerhalb von zwei Tagen, noch bevor ich einen neuen Sattel kaufen konnte, wurde das Fahrrad Stück für Stück, immer weiter gefleddert, jedesmal wenn ich vorbeikam, war mehr davon weg. Das ging so weit, daß man sogar das Vorderrad samt Gabel und Lenker mit Lenkervorbau und vom hinteren Rad die Nabe geklaut hat. Das hintere Rad – genauer gesagt die Felge, war mit einem ordentlichen Fahrradschloß mit dem Rahmen und dem Fahrradständer verbunden. Und genau das war nach 2-3 Tagen noch übrig, das Schloß, der Rahmen und die hintere Felge. Um die Nabe herauszubekommen hatte einer rundherum alle Speichen durchgeschnitten.

Und es gab keine Chance, etwas dagegen zu tun, denn so schnell konnte ich die Ersatzteile nicht nachkaufen, wie die das Fahrrad zerlegt haben. Als das erste Teil ab war, hätte ich das Fahrrad sofort mit ins Zimmer nehmen müssen.

Was ich an Korruption in den Hochschulen beobachtet habe, hatte gewisse Ähnlichkeit damit. So eine latente Grundkriminalität aus Kavaliersdelikten, über die man eigentlich augenzwinkernd hinwegsehen könnte, ist immer da. Man muß ja auch nicht heiliger als der Papst sein. Aber gerade die durch die “Autonomie der Hochschulen” bedingte Abwesenheit eines Disziplinarvorgesetzten und die notorische partielle Blindheit der Staatsanwaltschaften und die Dysfunktion der akademischen Selbstkontrolle begünstigen so eine Anfangskriminalität ohne Sanktionen. Und dann gibt es mancherorten kein Halten mehr, jeder will den anderen übertreffen und schlimmer plündern und schwindeln.

Als Gegenmittel wird normalerweise das Zero-Tolerance-Modell empfohlen. An den Hochschulen herrscht – jedenfalls für Professoren – jedoch das Gegenteil, das Modell der grenzenlosen Toleranz.

Könnte das der Grund für die vielen Tricksereien und Manipulationen sein, die sogar dann stattfinden, wenn derjenige gar nichts davon hat?