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Ämterpatronage bei Professuren in Baden-Württemberg

Hadmut Danisch
19.10.2008 13:41

Ganz böse Sache: Es zeichnet sich zunehmend ab, daß das Wissenschaftsministerium in Baden-Württemberg an einer ganzen Reihe von gesetzeswidrigen Berufungen auf Professuren mitgewirkt hat.

In Baden-Württemberg gibt es ein Hausberufungsverbot, und zwar schon lange. Bei der Neuordnung des Landeshochschulrechts im Jahr 2005, bei dem das alte Universitätsgesetz und das Fachhochschulgesetz durch das neue Landeshochschulgesetz ersetzt wurden, wurde auch das Hausberufungsverbot übernommen, so heißt es auch in dem neuen § 48 Abs. 3 LHG:

Die Professoren werden vom Vorstandsvorsitzenden der Hochschule im Einvernehmen mit dem Wissenschaftsministerium berufen. Juniorprofessoren der eigenen Hochschule können nur berücksichtigt werden, wenn sie nach ihrer Promotion die Hochschule gewechselt hatten oder mindestens zwei Jahre außerhalb der berufenden Hochschule wissenschaftlich oder künstlerisch tätig waren. An Pädagogischen Hochschulen können bei Berufungen in der Sonderpädagogik Juniorprofessoren auch berücksichtigt werden, wenn sie drei Jahre außerhalb der Hochschule beruflich tätig waren. Bei der Berufung auf eine Professur können Mitglieder der eigenen Hochschule nur in begründeten Ausnahmefällen und nur dann, wenn zusätzlich die Voraussetzungen von Satz 2 vorliegen, berücksichtigt werden. […]

Schon diese Neuerung, daß Professoren jetzt vom Vorstandsvorsitzenden der Hochschule (vulgo: Rektor) berufen werden, ist äußerst fragwürdig, denn Professoren sind Beamte, und Beamte werden in Baden-Württemberg durch das Land und nicht durch eine Universität berufen. Das ist so nicht zulässig.

Außerdem verbietet die Landesverfassung eine solche Vorgehensweise. Artikel 20 Absatz 3 der Landesverfassung von Baden-Württemberg sagt dazu:

Bei der Ergänzung des Lehrkörpers wirkt sie [die Hochschule] durch Ausübung ihres Vorschlagsrechts mit.

Das ist eine positive und negative Abgrenzung. Daß der Rektor einer Hochschule die Professoren selbst beruft, ist schlichtweg Landesverfassungswidrig.

Warum macht man sowas? Neoliberalismus. Autonomie der Hochschulen. Seit Peter Frankenberg Wissenschaftsminister in Baden-Württemberg ist, blühen Willkür, Geschäftsmacherei und Korruption, dafür hat man heimlich und schleichend jede staatliche Kontrolle immer mehr abgebaut. Die Universitäten gehen den Weg, von dem man bei Energieversorgung und Banken längst gelernt hat, daß der Rückzug des Staates und die Privatisierung uns in größte gesellschaftliche Probleme bringen. Formal hat man damit jede Kontrolle abgeschafft, denn die Universitäten können nicht Vorgesetzte der Professoren sein, und das Ministerium will es nicht mehr. Ich habe inzwischen sogar den Eindruck, daß man die jeweiligen Dienststellen im Ministerium bewußt mit unerfahrenen und nicht qualifizierten Personen besetzt um den Wandel zu erleichtern. So hat sich Minister Frankenberg strikt geweigert, gegen Professoren disziplinarisch aktiv zu werden, die Geld oder Gegenleistungen für Prüfungen verlangt haben, obwohl er Disziplinarvorgesetzter ist und dies nicht dem Opportunitätsprinzip unterliegt.

Nun ergibt sich eine neue Seite dieser Entwicklung:

In Baden-Württemberg nehmen seit 2005 die Hausberufungen massiv zu.

Früher gab es da mal intern festgelegte, konkrete Anforderungen, denn Hausberufungen waren schon immer nur in “begründeten Ausnahmefällen” (sog. Soll-Vorschrift) möglich. Die Praxis in Baden-Württemberg ist aber, das so zu verstehen, als gäbe es kein Hausberufungsverbot mehr. “Begründete Ausnahmefälle” liegen nach Ansicht des Ministeriums jetzt immer dann vor, wenn der Hausbewerber “paßt”. Also immer, denn die Hochschule ist immer der Meinung, daß die von ihr vorgeschlagenen Bewerber “passen”.

Was ist nun eine solche Soll-Vorschrift?

Juristisch ist eine Soll-Vorschrift keine Empfehlung oder wie das sprachliche “sollen” aufzufassen, sondern genauso bindend wie eine Muß-Vorschrift, wenn nicht substantiiert und begründet dargelegt wird, daß ein atypischer Sonderfall und hinreichende Gründe vorliegen. Beispielsweise entschied das Verwaltungsgericht Karlsruhe zum Bau eines IKEA-Möbelhauses (aus einer Presseerklärung):

Eine Soll-Bestimmung ist nicht gleichzusetzen mit einer Regel-Ausnahme-Bestimmung, bei der sowohl die Regel- als auch die Ausnahmevoraussetzungen festgelegt werden müssten. Eine Soll-Vorschrift sind nämlich ebenso verbindlich wie eine Mussvorschrift. Nur in atypischen, nicht vorhersehbaren Ausnahmefällen kann davon abgewichen werden.

Yup. Genauso so ist es.

Das Wissenschaftsministerium erklärt aber, daß es in “ständiger Praxis” gestatte, daß die Universitäten Hausberufungen durchführen, wenn der Kandidat auf die Stelle gut paßt. Also immer, wenn die Universität will. Was soll daran ein “atypischer, nicht vorhersehbarer Ausnahmefall” sein?

Vor einigen Jahren gab es eine interne Liste von Voraussetzungen, die etwa forderte, daß die Stelle zuvor mehrfach erfolglos ausgeschrieben worden sein mußte. Wenn man dringend jemanden braucht und sich auch in mehreren Ausschreibungen niemand fand, nur dann durfte man eine Hausberufung durchführen.

Das aber hat man längst fallen gelassen. Das Ministerium behauptet gegenüber dem Landtag dreist, daß diese alten Regelungen mit dem neuen Landeshochschulgesetz “obsolet” geworden und nicht mehr gültig seien. Ein Hausberufungsverbot gäbe es effektiv nicht mehr.

Das ist aber falsch. Ich habe ja oben zitiert, daß das Hausberufungsverbot auch im neuen Landeshochschulgesetz ausdrücklich drin steht. Und nicht nur ausdrücklich, denn in der Gesetzesbegründung (Landtagsdrucksache 13/3640) Seite 218 steht:

“Das Hausberufungsverbot für eigene Mitarbeiter erfährt eine Verschärfung hinsichtlich des erforderlichen Wechsels der Hochschule. […] Der grundsätzliche Ausschluss von Hausberufungen hat zu Mobilität und zu hohen Qualitätsstandards beigetragen, der im Zusammenhang mit der Juniorprofessur systemimmanent lediglich etwas gelockert wird.”

Und auf Seite 221:

“Das Hausberufungsverbot in Satz 2 gilt im Interesse der für Nachwuchswissenschaftler wünschenswerten Mobilität auch hier, sofern der Bewerber den er forderlichen Hochschulwechsel nicht nachweisen kann.”

Also kann von einer Abschaffung des Hausberungsverbotes, wie es das Wissenschaftsministerium behauptet, keine Rede sein. Es wurde im Gegenteil verschärft und ausdrücklich bestätigt.

Schon die Wortwahl des Ministeriums, in “ständiger Praxis” vom Hausberufungsverbot abzuweichen, zeigt schon, wie man das Gesetz verletzt. “Ständige Praxis” ist kein begründeter Ausnahmefall, keine atypische, unvorhersehbare Konstellation.

Nun könnte man freilich die mehr liberale als rechtstreue Auffassung vertreten, daß ein Hausbewerber dann, wenn er wirklich der beste Bewerber ist, halt auch die Stelle bekommen sollte. Das würde aber voraussetzen, daß man rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis kommt, daß er wirklich der beste Bewerber ist. Und gerade das findet nicht statt.

Professuren sind Beamtenstellen und unterliegen daher den Anforderungen, die die Rechtsprechung aus Art. 33 Abs. 2 GG entwickelt hat, wie etwa die strikte Ausrichtung an der verfassungsmäßigen Kriterientrias aus Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung, umfangreiche und detaillierte Dokumentationspflichten und Chancengleichheit der Bewerber.

Nur: In der Realität pfeift man darauf. Bei der Auswahl der Bewerber wird – wie ich in mehreren Fällen beobachtet habe – gar nichts dokumtiert und willkürlich ausgewählt. Außer dem Dreiervorschlag sieht das Ministerium in der Regel überhaupt nicht, wer sich noch beworben hat. Nachprüfbar ist von dieser Auswahlentscheidung gar nichts, zumal die Auswahl in einem von mir untersuchten Fall durch geheime Abstimmung der Fakultät erfolgte, und damit mit Blick auf Art. 33 II GG rechtswidrig. Ein faires Auswahlverfahren findet da überhaupt nicht mehr statt.

Faktisch ist es so, daß die Fakultäten völlig willkürlich, gegen jede Chancengleichheit und ohne Dokumentation Bewerber auswählen und dann einfach behaupten, der oder die seien geeignet. Und wenn sie das behaupten, dann übernimmt das Wissenschaftsministerium das ohne eigene Nachprüfung. Und schon ist der Hausbewerber Professor.

Im Ergebnis führt das zu übelster Postenschacherei, Vetternwirtschaft, Vererbung von Professuren, wissenschaftlicher Inzucht (was bekanntlich das Risiko der Verblödung mit sich bringt). Wir sind eigentlich wieder genau in der korrupten Beamtenwirtschaft des kaiserlichen Preußens angekommen, derentwegen man ja den Art. 33 II GG geschaffen hat um genau dieses Übel zu verhindern.

Bei der Untersuchung eines solchen Falles fängt das Ministerium nun an, über die Qualifikation der Bewerber systematisch falsche Aussagen zu verbreiten um eine solche Hausberufung als richtige Auswahl hinzustellen. Hinter leeren Phrasen verbirgt sich eine erhebliche Unsicherheit und die Unfähigkeit, die eigene “ständige Praxis” zu begründen. Man klammert sich an die Behauptung, das Hausberufungsverbot sei obsolet und anbgeschafft. Was nicht stimmt. Immerhin räumt man ein, daß man solche Hausberufungen schon in vielen Fällen genehmigt hat.

Ist das die Spitze des Eisbergs?

Wurden in Baden-Württemberg reihenweise Professuren rechtswidrig vergeben?

Kommt da so richtig die Korruption hoch? Oder wird man einfach das Recht an die Korruptionspraxis angleichen?

Schon gegen Schmiergeldprüfungen und Promotionen zum Primärzweck des Industriekontaktes, gegen den Einfluß der Industrie und der Milliardäre in den Hochschulräten, hat man nichts unternommen, sondern einen Gesetzesentwurf vorgelegt, um Professoren aus den Korruptionsstraftatbeständen auszunehmen, weil der Staat die Hochschulen nicht mehr finanzieren könne. Die Hochschulen stellen sich zunehmend (und zunehmend offen) auf den Standpunkt, daß man auf die Gelder aus Prüfungen und Promotionen angewiesen sei. Doktortitel (d.h. -grade) werden zunehmend nicht mehr als wissenschaftliche Leistung erworben, sondern wie die mittelalterlichen Ablaßbriefe der Kirche gekauft, ohne daß es auf den Inhalt der Dissertation ankäme.

Wenn jetzt auch die Professuren willkürlich und hausintern vergeben werden, wo kommen wir dann noch hin?