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Kein “wissenschaftlich maßgebliches Werk” oder “seriöse Einführungen”

Über Wikipedia, die Universität Karlsruhe und deren (selbsternannte?) Zensoren.

Da hat mich doch kürzlich ein lieber Leser meines Blogs auf etwas aufmerksam gemacht, wozu es mich doch juckt, etwas zu schreiben. Vor einigen Tagen, am 16. Juni, hat irgendwer (nein, ich war es nicht selbst, zumal ich eine Wikipedia-ID mit Klarnamen habe und sowas ganz sicher nicht anonym mache) in mindestens drei Wikipedia-Seiten, nämlich denen zu

einen Literaturverweis auf mein Adele und die Fledermaus eingefügt. Nett, Dankeschön! 🙂

Aber schon nach etwa einer halben Stunde waren die Verweise aus allen Seiten wieder gelöscht. Begründung:

Grund: kein “wissenschaftlich maßgebliches Werk” oder “seriöse Einführungen” – das ist keine neutrale Quelle, enzyklopädisch ungeeignet

Siehe die Versions-History der Seiten.

Die Seiten werden also offenbar überwacht. Urheber der Änderung war jemand mit dem Pseudonym Talaris, laut Selbstdarstellung Baujahr 1965, also 42 bis 43 Jahre alt, also eher kein Student mehr, dürfte eher ein regulärer Mitarbeiter oder sowas sein. Vielleicht auch einfach ein selbsternannter Webseitenpfleger, obwohl mir nicht ganz einleuchten will, warum jemand aus eigenem Antrieb solche Webseiten überwachen und “sauberhalten” sollte.

Interessant ist aber die Begründung, daß es kein “wissenschaftlich maßgebliches Werk” sei. Denn sonst ist das keine Wikipedia-spezifische Anforderung. An meiner Wikipedia-Seite zum Prüfungsrecht hat sich auch noch keiner gestört, daß ich einen Link auf meine Webseiten habe, obwohl die inzwischen schon mehrfach von der Wikipedia-Truppe geprüft und Schreibfehler und Schreibeweisen korrigiert wurden. Auch bei anderen Wikipedia-Seiten stellt man diese Anforderungen nicht, da wird bunt auf alle mögliichen Webseiten usw. verwiesen. Eine allgemeine Wikipedia-Anforderung ist es also nicht (Korrektur: Siehe Nachtrag unten)

Was ist es aber dann? Woher kommt die Anforderung?

Verräterisch ist die gewählte Formulierung, sowas kommt aus dem Hochschulbereich. Man muß ebenfalls wissen, daß “wissenschaftlich” und “unwissenschaftlich” in den allermeisten Fällen nur gestelzte Deckwörter für “paßt mir in den Kram” oder “paßt mir nicht” sind. Man nimmt die Interpretationshoheit für sich in Anspruch, ohne dies jemals irgendwie näher zu definieren.

Was ist aber die Konsequenz?

Kritik an Hochschulvorgängen wird niemals das Label “wissenschaftlich maßgebliches Werk” oder “seriöse Einführung” bekommen, weil es darin eben nicht (nur) um abstrakte wissenschaftliche Fragen geht. Eine solche Beschränkung führt also zwangsläufig dazu, daß in einem Wikipedia-Artikel keine Kritik an der Universität Karlsruhe und deren Professoren auftauchen kann, jedenfalls nicht direkt auf deren Wikipedia-Seiten.

Die Frage ist, wer dahinter steckt. Wer ist “Talaris”? Genauer: Was ist “Talaris”?

Falls Talaris eine Privatperson ist, könnte man das ganze in die Kategorie der vielen Wikipedia-Edit-Wars ablegen, so ne Art ideologisch motivierter Webseitenvandalismus, oder auch die Reinhaltung Deutscher Webseiten, je nach persönlicher Sichtweise, es möge sich jeder seine Meinung bilden.

Sollte Talaris aber Angehöriger der Uni, also im öffentlichen Dienst, gar Beamter sein, oder – noch schlimmer – mit Wissen und Billigung der Universität oder sogar im Auftrag gehandelt haben, dann ist die Sache ziemlich haarig: Dann nämlich wäre das eine Zensur durch die öffentliche Gewalt, die Exekutive.

Die Grundfrage ist: Was ist eigentlich ein Wikipedia-Artikel? Wieviel Mitspracherecht hat der, der vom Artikel betroffen ist? Und wieviel Mitspracherecht haben (scheinbar) unabhängige Dritte, die von dem Artikel nicht betroffen sind? Darf ich einfach hingehen und etwas herausnehmen, was ein anderer geschrieben hat, nur weil es meiner persönlichen Auffassung widerspricht? Kommen da die “Political Correctness”, die Blockwartmentalität und der vorauseilende Gehorsam durch?

Würde mich mal interessieren, wer oder was dahinter steckt. Nicht weil ich meinen würde, daß ein Link auf Adele unbedingt da rein müßte, das ist mir eigentlich eher wurscht. Sondern einfach weil ich die Art und Weise der Überwachung und des Eingreifens “bemerkenswert” finde. Ob die in Adele geschilderten Vorgänge oder Adele selbst von öffentlichem Interesse ist, kann man durchaus überlegen. Immerhin sind aus dem Streit schon manche Gerichtsentscheidungen von durchaus allgemeinem Interesse hervorgegangen. Beispielsweise die Sache mit der E-Mail-Sperre und § 206 StGB wurde in den meisten Tageszeitungen, Fachmagazinen und vielen juristischen Fachzeitschriften erwähnt oder diskutiert. Auch bei einem Streit darum, ob das überhaupt darf, äußerte das Landgericht Berlin die Auffassung, daß ich mich durchaus innerhalb dessen bewege, was für die Öffentlichkeit meinungsbildend ist, und deshalb unter dem Schutz der Meinungsfreiheit stehe.

Andererseits kann und will ich für mich in dieser Sache nicht in Anspruch nehmen, noch neutral zu sein. Es wäre absurd und unwissenschaftlich, mich hier noch als neutraler und objektiver Betrachter aufspielen zu wollen.

Das Problem der fehlenden Objektivität frisierter Wikipedia-Artikel wurde ja schon öfters diskutiert, es ist ja schon mehrfach aufgeflogen, daß Firmen und Prominente heimlich ihre Wikipedia-Seiten zurechtbiegen lassen. Und ich habe schon mehrfach über Webseiten gestaunt, in denen minder-fähige Professoren in höchsten Tönen gelobt und angepriesen werden.

Was sind also die Anforderungen, die an eine Literaturangabe in einem Wikipedia-Artikel zu stellen sind? Genügt es, wenn ein Werk meinungsbildend im verfassungsrechtlich geschützten Sinne ist oder muß es objektiv neutral und wissenschaftlich maßgeblich sein? Ist es für eine Enzyklopädie ausreichend, sich auf die objektiv neutralen wissenschaftlichen Veröffentlichungen zu beschränken oder ist sie unvollständig und verfälschend, wenn sie meinungsbildende Kritik aussperrt?

Nachtrag: Jui, da kam gleich einiges Feedback per E-Mail. Unter anderem der Hinweis auf die Wikipedia-Anleitung zu Literaturangaben, in der tatsächlich die Formulierung

Es geht nicht um eine beliebige oder möglichst lange Auflistung von Büchern, die zufällig zum Thema passen, sondern um die wissenschaftlich maßgeblichen Werke oder um seriöse Einführungen.

Die Formulierung ist also tatsächlich von Wikipedia. Aber ist das auch sinnvoll? Zu fachlichen Begriffen wie “Kryptographie” oder “Differentialrechnung” sicherlich. Aber bei Institutionen oder minder-wichtige lebende Personen? Was soll denn da ein “wissenschaftlich maßgebliches Werk” oder eine “seriöse Einführung” sein?

Seltsam bleibt es auf jeden Fall.

Ein Kommentar (RSS-Feed)

nadar
6.7.2008 18:35
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Eventuell kannst du damit http://wikiscanner.virgil.gr/index_DE.php ein wenig mehr herausfinden.