Forschungsmafia: Titelhandel · Forschungsbetrug · Wissenschaftskorruption · Hochschulkriminalität

Was wäre gewesen, wenn zu Guttenberg nicht gelogen hätte?

Hadmut Danisch
12.8.2013 23:27

Im Ersten kommt gerade eine Sendung über Lüge in der Politik. Verschiedene Bereiche, aber eben kam auch die Aussage zu Guttenbergs, dass seine Dissertation kein Plagiat sei. Irgendwer kommentierte das, dass er gelogen hat, und nicht zugeben wollte, dass er „Fünfe hat gerade sein lassen”.

Stellt Euch aber mal als Gedankenexperiment vor, zu Guttenberg hätte damals öffentlich gesagt: Ja, natürlich ist die Arbeit abgeschrieben. Das haben damals alle so gemacht, das war an der Uni normal und akzeptiert, ich kenne es gar nicht anders, und habe damals wirklich gedacht, dass man so promoviert.

Was wäre dann passiert?

5 Kommentare (RSS-Feed)

heinz456
13.8.2013 9:36
Kommentarlink

Naja, es ist ja eine Binsenweisheit, dass für Politiker häufig nicht das eigentliche Vergehen zum Rücktritt führt, sondern die Kommunikation des Vergehens. Mit einer besseren Kommunikation hätte er sich als “Kanzler in Wartestellung” aufgrund seines Grads an Beliebtheit vielleicht sogar noch retten können (immerhin hat die “Wir wollen Guttenberg zurück”-Facebook-Gruppe noch immer >420.000 Mitglieder), aber eine entsprechende Diskussion ist natürlich relativ müßig.

Was man mit Sicherheit aber genauso schief gegangen wäre, ist dein Vorschlag, dass er eine Aussage wie “Ja, natürlich ist die Arbeit abgeschrieben…” getätigt hätte. Das wäre für den politischen Gegner, die Wissenschaft, und selbst die anderen Herren und Damen Doktoren aus der CSU eine Sache gewesen, die man nicht auf sich hätte sitzen lassen können. Mit so einer Aussage wäre er einfach nicht mehr tragbar gewesen und hätte von Mutti entlassen werden müssen.


ein anderer Gast
14.8.2013 10:49
Kommentarlink

Ich vermute zumindest die Bayreuther Juristen – wenn nicht sogar alle Juristen wären not amused über so eine Aussage.
Hieße es doch im Klartext:
Ein Doktor in Jura ist sowieso das Papier nicht wert auf dem er gedruckt ist. Jura hat mit Wissenschaft im eigentlichen Sinne doch nichts am Hut – womit er nicht völlig falsch läge 😉

Da die meisten Politiker nun mal Juristen sind und verschiedene von denen auch einen Doktortitel inne haben, hätte er sich nicht nur in der eigenen Partei wenig Freunde gemacht.

Bestenfalls hätte er mit einer solch ehrlichen Antwort in der Bevölkerung ein paar Sympathiepünktchen gewinnen können. Politisch hätte er aber dann allenfalls noch bei den LINKEN oder den Piraten Unterstützer.

Anyway – Es ist gut dass er weg ist – und kommt hoffentlich so schnell nicht wieder.
Mich erschreckt dabei immer wieder wie weit es derart oberflächliche Schaumschläger und Selbstdarsteller alleine nur mittels Seilschaften, Protektionismus und ihrem smarten Getue bringen können.

Liest man die alten Artikel der konservativen Boulevardpresse, die sich vor Entzücken geradezu einnässten, so kann man sich wirklich nur noch wundern:
“Der kann Kanzler!” – Klar doch und mein toter Opa erst recht!
“Unsere neuen Kennedys!” – Sicher gegen Frau Merkel strahlt jeder tumbe DSDS Kandidat wie die Sonne.


quarc
14.8.2013 21:12
Kommentarlink

> Stellt Euch aber mal als Gedankenexperiment vor, zu Guttenberg
> hätte damals öffentlich gesagt: “Ja, natürlich ist die Arbeit
> abgeschrieben. Das haben damals alle so gemacht, das war an
> der Uni normal und akzeptiert, ich kenne es gar nicht anders,
> und habe damals wirklich gedacht, dass man so promoviert.”

Mit der Behauptung, das sei damals normal gewesen, wäre er wohl nicht durchgekommen, aber ohne eine solche Behauptung hätte er wohl Minister bleiben können, wenn er sein Abschreiben schnell genug zugegeben hätte. Denn die meisten Leute hätten sich durchaus damit zufriedengegeben, dass man auch ohne “Dr.” Minister sein kann. Durch sein Hinauszögern hat er halt das Schicksal seines “Dr.” mit dem Ministeramt verknüpft und das ließ sich später nicht mehr lösen. Spätestens als er sich hinter toten Soldaten versteckt hat um Kritik abzuwehren, war der Ofen aus. Es kommt halt nicht gut an, wenn man nicht die Würde des Amtes schützt, sondern sich selbst mit der Würde des Amtes schützen will. Erschwerend kam hinzu, dass seine Popularität hauptsächlich auf seiner vermeintlichen Unabhängigkeit vom Politikbetrieb beruhte; wenn man aber erst einmal vom Wohlwollen von Seehofer und Merkel abhängt, ist es damit vorbei.

Instruktiv ist übrigens ein Vergleich mit einem anderen Politikblender, Joschka Fischer. Während dessen Ministerzeit wurde publik, dass er 1978 einen Polizisten mit einem Brandsatz scgwer verletzt hatte — meiner Ansicht nach deutlich schwerwiegender als eine abgeschriebene Dissertation. Der war geschickter, hat sofort alles zugegeben und sich damit die Initiative bewahrt. Ihm ist auch zugutegekommen, dass man gerne alles mögliche auf 1968 projiziert und dementsprechend seine Aktion von Journalisten gerne als “Jugendsünde” im Umfeld von 1968 verkauft wurde. Die Journalisten ignorierten dabei weitgehend, dass der Vorfall im Jahr 1978 (also zehn Jahre später) stattfand und Joseph Fischer bereits 30 Jahre zählte. Insgesamt als ein Beispiel für gelungene Krisenbewältigung, wenn man nur offensiv genug alles zugibt. Im Vergleich dazu war der Ölprinz einfach zu doof.


techniknörgler
17.8.2013 0:02
Kommentarlink

“Die Journalisten ignorierten dabei weitgehend, dass der Vorfall im Jahr 1978 (also zehn Jahre später) stattfand und Joseph Fischer bereits 30 Jahre zählte. Insgesamt als ein Beispiel für gelungene Krisenbewältigung, wenn man nur offensiv genug alles zugibt.”

Nicht ganz: Einem anderen Politiker hätte man das durchaus um die Ohren gehauen, wenn er nicht auch bei den Grünen gewesen wäre.


quarc
19.8.2013 20:32
Kommentarlink

> “Die Journalisten ignorierten dabei weitgehend, dass der Vorfall
> im Jahr 1978 (also zehn Jahre später) stattfand und Joseph Fischer
> bereits 30 Jahre zählte. Insgesamt als[o] ein Beispiel für gelungene
> Krisenbewältigung, wenn man nur offensiv genug alles zugibt.”
>
> Nicht ganz: Einem anderen Politiker hätte man das durchaus um die
> Ohren gehauen, wenn er nicht auch bei den Grünen gewesen wäre.

Das mag bei manchen Journalisten eine Rolle gespielt haben, die so froh über eine rot-grüne Regierung waren, dass sie eine deren Hauptfiguren nicht gleich wieder verlieren wollten. Aber auch bei solchen journalisten, die mit rot-grün gar nichts anfangen konnten, ist er erstaunlich gut weggekommen. Ich halte es für viel wichtiger, dass Fischer — wie eben auch zu Guttenberg — bei seiner Selbstdarstellung erfolgreich den Eindruck erwecken konnte, er sei weitgehend unabhängig von seiner Partei. Entscheidend ist bei solchen Sachen die Notamputation, also die schnelle und gründliche Abtrennung der Verfehlung von der eigentlichen politischen Tätigkeit. Als Merkel das mit ihrer Bemerkung, sie habe ja keinen wissenschaftlichen Mitarbeiter eingestellt, zaghaft versucht hat, war es bereits viel zu spät.