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Buchkritik: Traumjob Wissenschaft?

Hadmut Danisch
19.7.2011 15:12

Ein Leser hatte mir neulich das Buch „Traumjob Wissenschaft? Karrierewege in Hochschule und Forschung” empfohlen. Ich habs endlich geschafft, es mal durchzulesen.

Das Buch in sein Sammelband verschiedener Aufsätze, die allesamt um das Thema der beruflichen Stellung des wissenschaftlichen Mittelbaus (also ungefähr alles zwischen Diplom und Professor) betrachtet, und sie beziehen sich alle mehr oder weniger auf das „Templiner Manifest” (oder dessen Themen). Naja, ist ja heute so üblich, jedem Arbeitsergebnis einen hochtrabenden Titel mit Ort im Namen zu geben.

Wäre ich Zyniker, so würde ich vielleicht sagen, daß man bei diesem Buch im wesentlichen schon vor dem Lesen weiß, was drin steht, weil es von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft kommt, und Gewerkschaften monothematisch sind und das Ergebnis ihrer Untersuchungen gerne schon vorher festlegen, denn Gewerkschaftsstandpunkte sind ungefähr so vorhersehbar wie die Erdrotation der nächsten zwei Wochen. – Äh, Moment mal, ich bin doch Zyniker. Also… nee, lassen wir das mal.

Nein, so schlimm ist es eigentlich nicht. Könnte man sich unter dem Titel „Traumjob Wissenschaft?” alles mögliche vorstellen, dreht sich das Buch allein um den Aspekt der Arbeitsvertragssituationen von wissenschaftlichen Mitarbeitern. Andere Wissenschaftsaspekte kommen darin nicht vor, nichts mit Prüfungen, nichts mit Korruption und so. Das macht eigentlich nichts, es ist gut, sich auf ein Thema zu konzentrieren. Nur der Titel verspricht vielleicht mehr, als das Buch dann bringt.

Aber schlecht ist es nicht. Im Gegenteil, es sind einige gute Aussagen drin. Ein Haken ist allerdings, daß es verschiedene Aufsätze sind, die sich inhaltlich teils stark überlappen, und man dadurch einige inhaltliche Wiederholungen hat.

Sehr drastisch wird beschrieben, daß der wissenschaftliche Nachwuchs an den deutschen Universitäten keine brauchbare Perspektive hat, und sich die Situation aus verschiedenen Ursachen immer mehr verschlechtert. (Meine Rede, ich sag ja seit Jahren, daß das Hochschulsystem so gebaut ist, daß fast nur weltfremde Idealisten, Spinner und solche, die auf dem Arbeitsmarkt nicht untergekommen sind, an der Universität bleiben und sich aus diesem degenerierten Pool dann die Professoren rekrutieren.) Hangelten sich Mitarbeiter früher von Jahres- zu Jahresvertrag, sind diese Zeitverträge heute meist auf wenige Monate beschränkt und voller Lücken, weil die Universitäten heute immer stärker dem Diktat der Drittmittel unterliegen und die Mitarbeiter-Verträge deshalb nur soweit reichen, wie jeweils Geld da ist. (Anmerkung von mir: Insofern ist mir unklar, warum man die Leute überhaupt noch wissenschaftliche Mitarbeiter nennt, denn in meinen Augen hat das viel mehr mit einer freiberuflichen Tätigkeit als einem Angestelltenverhältnis zu tun. Man müßte mal drüber nachdenken, ob es für wissenschaftliche „Mitarbeiter” nicht sinnvoller wäre, gleich als Freiberufler auftragsbasiert zu arbeiten, denn dann hätten sie auch ein paar Vorteile und nicht nur die Nachteile dieser Arbeitsweise. Beispielsweise wären sie nicht mehr an ein Institut oder einen Lehrstuhl gebunden, und auch nicht zur Anwesenheit verpflichtet, wodurch die Professoren sich viel mehr um die Mitarbeiter bemühen müßten.)

Es wird sehr deutlich dargestellt, daß das deutsche Universitätswesen an seinem Sonderweg krankt, den es so nur in Deutschland gibt, nämlich daß der Wissenschaftsbetrieb von einer kleinen Kaste unkündbarer Professoren regiert wird, die die einzige stabile Stellung innehaben, und alle anderen in prekärer, unterwürfiger und abhängiger Stellung sind, und ständig um ihr Ein- und Fortkommen bangen müssen. Die Autoren üben deutliche (und wie ich meine sehr berechtigte) Kritik an diesem deutschen Sonderweg. Ich selbst habe außer Korruption und Machterhalt noch nie einen vernünftigen Grund für diesen deutschen Sonderweg entdecken können.

Und es wird sehr deutlich dargestellt, daß sich die Situation in den letzten Jahren rasant verschlechtert hat. Was natürlich eine klare Bewertung unserer Politik ist (aber insofern mit einer gewissen Vorsicht zu genießen, da die eher linksorientierten Gewerkschaften naturgemäß immer irgendeine Kritik an einer rechtsorientierten Regierung üben werden, allzuviel darf man da also nicht drauf geben).

Auch interessant ist, daß hin und wieder mit anklingt, daß die katastrophalen Arbeitsbedingungen an den Universitäten vor allem Frauen benachteiligen und die dann in Scharen davonlaufen. Während Frauen in Studium und bei den Studienabschlüssen noch in der Mehrzahl sind, verlassen sie danach fluchtartig die Universitäten (was mir persönlich die Frage aufdrängt, ob Frauen da gegenüber den Männern wirklich benachteiligt oder im Gegenteil eher schlauer sind und deshalb gehen.)

Zitat Anke Burkhardt, Seite 19:

„Es ist fraglich, ob es den Hochschulen gelingt, die leistungsstärksten und wissenschaftlich vielversprechendsten Nachwuchswissenschaftler/-innen für eine Hoschullaufbahn zu begeistern und längerfristig zu halten.”

Das ist das Problem der Universitäten: Survival of the meanest. Massiver evolutionärer Selektionsdruck in Richtung derer, die nichts besseres gefunden haben. Seite 20:

„Von einem ernsthaften Bemühen der Hochschulen, sich durch attraktive Arbeitsbedingungen unterhalb der Professur und längerfristig ausgerichtete Personalentwicklungsplanung die „besten Köpfe” zu sichern, ist wenig zu spüren.”

Stimmt. Und diese Situation wird durch Dummköpfe wie den SAP-Milliardär Hans-Werner Hector, der der Uni Karlsruhe neulich 200 Millionen Euro geschenkt hat, damit sie durch höhere Professorengehälter die „besten Köpfe” auf dem Weltmarkt einkaufen kann, noch verschärft, denn mit solchen Spenden verfestigt man noch die Ansicht und das Modell, daß man Spitzenwissenschaftler nicht selbst macht und heranzieht, sondern sie von anderen ausbrüten läßt und fertig auf dem Weltmarkt einkauft. Naja, das hat Methode. SAP will ja auch nicht, daß die Kunden selber schlau werden, sondern von ihnen fertige Lösungen kaufen. Und dafür, daß er so denkt und zahlt, und damit unserer Ausbildung entscheidend schwächt, hat man ihm – welche Absurdität – noch die Ehrendoktorwürde umgehängt.

„Der sogenannte Mittelbau musste in den letzten Jahren erhebliche Abstriche in punkto Arbeitsplatzsicherheit, finanziellem Auskommen und Planbarkeit der Karriere in Kauf nehmen. Das trifft insbesondere die große Gruppe der wissenschaftlichen Mitarbeiter/-innen im Angestelltenverhältnis an Universitäten.”

Ja. Und wie hält man sie dann an den Universitäten? Indem man ihre Promotionen sabotiert und verschleppt. Achim Brötz, Seite 92:

„In der Hoffnung auf eine Verlängerung des aktuellen Arbeitsvertrages werden praktisch alle Zumutungen (sprich Zusatzarbeiten) vonseiten der Hochschule, des Instituts oder des Doktorvaters bzw. der Doktormutter akzeptiert. […]

Ich kenne einen Fall, in dem Wissenschaftliche Mitarbeiter/-innen von ihrem Chef aufgefordert wurden, mindestens in der „Kernzeit” von neun bis sechzehn Urh am Projekt zu arbeiten, an fünf Tagen in der Woche, danach könnten sie ja an ihrer Dissertation arbeiten. Bezahlt wurden sie halbtags.”

Und das muß sich ändern. Mir selbst ist es mal so ergangen, daß ich von meinem damaligen Chef und Doktorvater angefahren wurde, weil ich während meines Jahresurlaubs (!) morgens erst um 10 Uhr ins Institut kam, obwohl ich regelmäßig bis 22 Uhr arbeitete, ihm also sogar in meiner Urlaubszeit 10-12 Stunden täglich nicht genügten. Wann wird dieser Zuhälterei und Erpressung endlich ein Ende bereitet?

Oder Silke Gülker, Seite 31:

„Nicht zuletzt die Exzellenzinitiative hat aber nun sichtbar gemacht, dass im internationalen Wettbewerb um die besten Köpfe ein System Nachteile hat, in dem keine planbaren Perspektiven geobten werden können (vgl. Sonderman et al. 2008).”

Das ist genau der springende Punkt. Bei Spenden wie der Hector-Stiftung ist es nicht schade um das private Geld Hectors, das dadurch in den Sand gesetzt wird, nur bezüglich des Schadens, den er damit anrichtet. Aber bei der Exzellenzinitiative wurden erhebliche Steuergelder dafür verprasst um die Situation effektiv zu verschlechtern. Und spätestens da hört bei mir der Spaß auf.

Die richtige Frage findet sich dann auch auf Seite 99:

„Muss in der Kathedrale der Wissenschaft ein Säkularisierungsprozess stattfinden?”

Ja, und nicht nur das. Nicht nur der Klerus, auch der Adel muß aus dem System geworfen werden. Stellt die Guillotinen auf, wie in der französischen Revolution. (Oder sind Guttenplag und Vroniplag bereits diese Guillotinen?)

Und dann wird eben auch ausführlich dargelegt, daß das ganze akademische System auf Ausbeutung beruht, daß man der veralteten Ansicht nachhängt, daß Wissenschaftler kein Beruf, sondern eine Lebensform sei, der das Forschen auch unentgeltlich als Zwang immanent ist. Dabei gibt es einen sehr schönen Verweis auf einen Artikel im Economist mit dem Titel „The disposable academic – Why doing a PhD is often a waste of time”, in dem sich solche Perlen finden:

„But universities have discovered that PhD students are cheap, highly motivated and disposable labour. With more PhD students they can do more research, and in some countries more teaching, with less money. A graduate assistant at Yale might earn $20,000 a year for nine months of teaching. The average pay of full professors in America was $109,000 in 2009—higher than the average for judges and magistrates. ”

Was zu der allumfassenden Erkenntnis führt, daß die Zustände an den Universitäten katastrophal, und gleich dreifach unwürdig sind, nämlich der Wissenschaft, eines Rechtsstaates und einer Industrienation.

Womit ich das Buch – trotz einiger Schwächen der der mit einem Sammelband einhergehender Nachteile wie etwas unausgeglichener Themenverteilung und Wiederholungen – jedem am Thema Interessierten durchaus zum Lesen empfehlen und nahelegen möchte.

Das Buch enthält eine Problembeschreibung und -analyse. Was komplett fehlt, ist eine Problemlösung. Und im Zusammenhang damit geht das Buch eine Meile an einem wesentlichen Teil des Problems vorbei, den es nach Gewerkschaftsideologie freilich nicht geben darf. Und in dieser Ausblendung eines Teils des Problems liegt mein großer Kritikpunkt.

Eine Lösung bestünde meines Erachtens darin, daß die Leute einfach nicht mehr als Mitarbeiter an den Universitäten bleiben, sondern nach dem Diplom/Master/Examen dort verschwinden. Die Ursache dieses ganzen Schwachsinns ist nämlich das Überangebot an willigen Selbstausbeutern. Dieses Detail übersieht die GEW hier nämlich geflissentlich, daß die Ursache solcher Probleme eben nicht allein bei der bösen Politik und den bösen Professoren liegt – sondern eben auch bei den blöden Mitarbeitern. Zum Ausbeuten gehören nämlich immer zweie, ein Ausbeuter und einer, der sich ausbeuten läßt.

Im Buch wird mehrfach das Problem des Flaschenhalses angesprochen, den unser Hochschulsystem bietet. Die Leute schuften als kurzbefristet eingestellte und lausig bezahlte Mitarbeiter bis sie irgendwo im Alter von 45 angekommen sind, und dann werden nur die wenigsten davon Professor und der Rest steht auf der Straße, arbeitslos und zu nichts mehr (nichts mehr? waren sie es denn vorher mal?) zu gebrauchen.

Das ist nicht nur das kriminelle Verhalten der Professoren, der Wölfe. Es ist das Überangebot an Schafen. Und Blöden, die sich auf solche Verträge einlassen. Mal ehrlich gefragt: Warum soll sich eine Universität einen Mitarbeiter für 3 Jahre ans Knie nageln, wenn draußen genug Blöde warten, die sich auch für 3 Monate annageln lassen und dann noch weitere 3 Monate mit Wonne kostenlos arbeiten? Wenn es genug Privatidiotendozenten gibt, die vor lauter Gier auf die Beamtenstelle kostenlos arbeiten? Machen wir uns im täglichen Leben nicht immer über die lustig, die aus Geldgier auf jeden noch so blöden Betrug reinfallen, etwa indem sie gerne dicke Anzahlungen für vermeintliche Schnäppchen leisten, die jeder Mensch, der nur halbwegs bei Verstand ist, noch als Betrug erkennen würde? Warum akzeptieren wir es dann, wenn es Leute in den Universitäten genauso machen?

Das Problem ist gar nicht primär die Universität mit ihren Kurzzeitverträgen oder der ausbeutende Professor. Das Problem ist das Überangebot an willigen Idioten, die den Markt kaputt machen.

Würden wir mal ordentlich aufklären und die Leute von dem Berufssackgasse Wissenschaftlicher Mitarbeiter abbringen, und die Zahl der Bewerber auf das Maß stutzen, in dem es tatsächlich Professuren gibt, sähe das plötzlich ganz anders aus.

Stellt Euch vor, ein Institut sucht mal wieder Dumme, die für Hungerlohn arbeiten, und findet keine. Wenn der Professor plötzlich sein Drittmittelprojekt nicht mehr durchziehen kann oder die Klausuren selbst korrigieren muß. Was glaubt Ihr, wie schnell da ein Wahnsinns-Wettbewerb da wäre, und die sich mit Musik und Schlagsahne oben drauf um Mitarbeiter reißen würden.

Und das ist der Ansatzpunkt. Ich käme heute beispielsweise nicht mehr auf die Idee, an einer Uni für BAT2A 6-7 Tage-Wochen a bis zu 12 Stunden am Tag zu arbeiten, etwa um deren Systeme in Gang zu halten. Die bekommen ein Angebot mit einem Freiberufler-Stundensatz, und dann wird stundengenau abgerechnet. Und was sie nicht bezahlen, wird nicht gemacht. So müßte man mit den Universitäten umspringen. Das klappt aber nur, wenn es alle so machen.

Stellt Euch doch mal vor, was da an den Universitäten los wäre, wenn da einfach mal zwei, drei Jahre lang niemand mehr wissenschaftlicher Mitarbeiter werden will. Beispielsweise weil wir vielleicht wirklich mal Fachkräftemangel bekommen, so sehr, daß die Industrie sogar die Zivilversager mit abwirbt. Stellt Euch vor, es gäbe an den Universitäten nicht, wie sie immer jammern, zu wenig Mitarbeiterstellen, sondern sie könnten nicht mal die, die sie haben, besetzen. Wär das nicht mal so richtig geil?

Und damit hat man in dem Buch zwar das Problem richtig erkannt und analysiert, aber nicht gemerkt, daß die Ursache und die Lösung des Problems woanders liegen. Aber seit wann wäre eine Gewerkschaft in der Lage, Ursachen und Lösungen im eigenen Lager zu suchen?

9 Kommentare (RSS-Feed)

anonym
19.7.2011 15:17
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“Insofern ist mir unklar, warum man die Leute überhaupt noch wissenschaftliche Mitarbeiter nennt”

Man nennt sie in BW _akademische_ Mitarbeiter. Sie arbeiten zwar an einer akademischen Einrichtung, von Wissenschaft hat aber nie jemand etwas behauptet.


Hadmut Danisch
19.7.2011 15:24
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akademisch im Sinne von unnütz?

Mir ging es mehr um das Substantiv „Mitarbeiter” als um das adjektiv davor. Denn ein echtes Angestelltenverhältnis ist das ja nicht, das ist ja eher Sklavenarbeit.


Steffen
19.7.2011 16:25
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“Ich käme heute beispielsweise nicht mehr auf die Idee, an einer Uni für BAT2A 6-7 Tage-Wochen a bis zu 12 Stunden am Tag zu arbeiten, etwa um deren Systeme in Gang zu halten. Die bekommen ein Angebot mit einem Freiberufler-Stundensatz, und dann wird stundengenau abgerechnet. Und was sie nicht bezahlen, wird nicht gemacht. So müßte man mit den Universitäten umspringen.”

Hierzu passt perfekt eine Begebenheit, die ich in einem Kommentar in diesem Blog vor ein paar Monaten beschrieben habe:

https://www.forschungsmafia.de/blog/2011/03/06/fruher-promovierten-die-besten-die-klugsten-die-fleisigsten/#comment-3540

Das Gesicht meines ehemaligen Profs werde ich nie vergessen. Er ist regelrecht zurückgetaumelt, als ob er einen Schlag direkt ins Gesicht bekommen hätte.


Hadmut Danisch
19.7.2011 16:44
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Tja, schon schlimm wenn man so von der Realität ereilt wird…


der andere Andreas
19.7.2011 18:29
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hmm wie sehe denn eine steuerungsmaßnahme aus?

die universitäten sind einrichtungen des landes mit beamten an der spitze heißt im normal fall ist das jeweilige kultusministerium dienstherr. somit für die beseitigung von missständen zuständig.

ich sehe aufklärung zwar als dringend notwendig (hab mich durchaus selber geärgert beim studieneintritt nicjht besser informiert gewesen zu sein über das was da wirklich geht) aber alleine recht machtlos…

wie wäre die einführung von mindestlaufzeiten für arbeitsverträge aus. z.b. 3 jahre für den standardlabormitarbeiter auch mit entsprechender festschreibung der aufgabenfelder und wochenarbeitszeit, da mit hätte derjenige dann wenigstens was in der hand.
selbst wenn man die aufgabenfelder sehr weitfasst hätte der betroffene wenigstens mal vorm unterschreiben nen gewissen ausblick was ihn erwartet an statt dann im laufenden betrieb mittels salamitaktik immer neuen forderungen ausgesetzt zu werden.

anderer versuch (auch kombinierbar) wäre die einführung von promotionsarbeitsverträgen. quasi als angestellten verhältnis, dass rein der ausarbeitung einer promotionsarbeit gilt.
ebenfalls mit arbeitsrechtlichen festlegungen und dokumentationspflicht der geleisteten arbeit. da es solche dokumentationspflichten (im sinne von lasten- u. pflichtenheft etc.) sowie einarbeitungspläne und mitarbeiterbewertungen auch in der freien wirtschaft gibt sähe ich da jetzt keine sonderliche gängelung irgendeiner seite.
würde den promovierenden in nachzuweisende leistungspflicht bringen (eindämmen der ghostwriter) und die uni/den prof in dokumentationspflicht. (ist sicherlich nicht der weisheit letzter schluss, eher der versuch eines realitätsnahen ansatzes)

die stärkung der gewerkschaftlichen vertretung dieser gattung arbeiter halte ich bei der momentanen zahnlosigkeit unserer meisten gewerkschaften dagegen eher für aussichtslos.

auch das system der freien mitarbeiter funktioniert doch in vielen bereichen nicht ordentlich – siehe journalisten… und noch mehr scheinselbständige braucht deutschland, meines empfindens nach, ebenfalls nicht mehr.
die meisten jungen studienabgänger weisen ja eben nicht die nötige selbstsicherheit und erfahrung auf um der uni da die stirn bieten zu können, aufklärung hin oder her…


Tom
20.7.2011 9:05
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Die Entscheidung, eine Arbeit auch für einen Hungerlohn anzunehmen, ist aus ökonomischer Sicht sicher oft nicht nachzuvollziehen. Diese Selbstausbeutung findet sich aber nicht nur bei Doktoranden, sondern in allen Bereichen bis hin zu Hartz-4-Aufstockern. Arbeit ist eben für viele sinnstiftend an sich.

Die Präkarisierung von Arbeitsverhältnissen – ob nun nach Wissenschaftszeitvertragsgesetz oder durch Leiharbeit – ist jedoch eine politisch tolerierte, wenn nicht gar geförderte Marktverzerrung. Eine Befristung ist vom Arbeitnehmer zusätzlich zur Arbeitsleistung aufgebrachte Flexibilität. Diese muss Geld wert sein. Dass man damals für die Leiharbeit Tarifabschlüsse sogar unter dem Niveau der Festangestellten überhaupt erlaubte, war (gewollt?) dämlich. Die so gelagerten Abschlüsse der “christlichen” Gewerkschaften werden ja inzwischen glücklicherweise gerichtlich gekippt.

Im Endeffekt müsste man sogar gesetzlich festschreiben, dass befristete Arbeitsverhältnisse zwingend mit einem Aufschlag gegenüber vergleichbaren Festangestellten zu entlohnen sind. Eigentlich würde man dieses Ergebnis auch vom “freien Markt” erwarten. Der funktioniert nur nicht. Die Leiharbeiter treibt das Amt; die Universitäten nutzen in ihrer eigenen finanziellen Not ihr Monopol auf die Verleihung eines Doktors schamlos aus. Das inherente Problem der ständigen Befristung ist aber auch, dass sie erpressbar macht. Die unsicherere Position erfordert schon mehr Verhandlungsgeschick, um was herauszuholen. Und gerade bei Doktoranden wird die Wurst, die sie die ganze Zeit an der Angelrute vor sich her tragen, durch die Investition Zeit immer wertvoller – auch wenn sie der Wurst objektiv kein Stück näher kommen. Hier muss tatsächlich aufgeklärt werden, *bevor* die Leute in diesem Strudel stecken!


pepe
20.7.2011 10:39
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Danke Tom.

Uebrigens: Der einzige, der bei uns innerhalb der letzten Jahre in vertretbarer Zeit seinen PhD bekommen hat, hat von Anfang an gesagt: Ich bin nach 3 Jahren fertig oder ich geh woanders hin. (Allerdings hat er in dieser Zeit auch gearbeitet wie ein Tier und mehr publiziert als jeder andere hier.)


Hadmut Danisch
20.7.2011 10:53
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@pepe: Da drängt sich natürlich die Frage auf, über wen das eine Aussage ist. Die Mitarbeiter oder die Universität.


yasar
22.7.2011 10:36
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Dazu passend aus PHD-Comics: http://www.phdcomics.com/comics/archive.php?comicid=1435

Man beachte den Aushang im zweiten Bild links unten.