Forschungsmafia: Titelhandel · Forschungsbetrug · Wissenschaftskorruption · Hochschulkriminalität

Wissenschaftliches Prekariat in Karlsruhe (und anderswo)

Hadmut Danisch
6.5.2011 20:58

Ein Leser schickt mir den Hinweis auf einen höchst lesenswerten und kritischen (aber leider nicht kostenlos zugänglichen) Artikel in der Karlsruher Badische Neueste Nachrichten von heute. (Update)

Der Personalratsvorsitzende des KIT (vulgo: Uni Karlsruhe) Wolfgang Eppler kritisiert in einem Interview, daß in Karlsruhe (aber auch an anderen deutschen Hochschulen) die Zahl der nur befristet angestellten Mitarbeiter ein enorm hohes Maß erreicht hat. (Schon zu meiner Zeit als Wissenschaftler von 1994 bis 1998 war das ja ein Riesen-Problem und die Ursache von manchem Schwindel und Betrug durch das Rektorat, wie etwa dem damaligen Betrug mit den Arbeitszeiten für die Promotion, mit dem die Uni Karlsruhe die Gerichte täuschte um Klagen auf Dauerverträge abzuwehren, siehe Adele.)

So seien im Jahr 2009 93% der Wissenschaftler und 31% der Nichtwissenschaftler nur befristet angestellt gewesen. Sogar Sekretärinnen bekämen oft nur Zweijahresverträge.

Auch im wissenschaftlichen Bereich katastrophale Zustände. Da gibt’s Leute, die mit 40 eingestellt werden und dann mit 50 den Vertrag nicht verlängert bekommen, und dann vor dem Aus stehen. Oder daß Leute nach der Promotion mit 30 oder 35 trotzdem noch jahrelang immer nur befristete Verträge bekommen.

Das hat zwei üble Auswirkungen auf das Qualitätsniveau der deutschen Universitäten:

  • Als Doktorand oder sonstiger wissenschaftlicher Mitarbeiter (eben alles außer Professor) wird man extrem erpressbar, weil der Professor einen jederzeit ohne Begründung und Anlaß erledigen kann, einfach indem er den Vertrag nicht verlängert. Es wird praktisch das Kündigungsrecht völlig außer Kraft gesetzt – die Uni als rechtsfreier Raum.

    Das kenne ich auch aus eigener Erfahrung. Ich habe am Anfang – bis ich gedroht habe, alles stehen zu lassen und zu gehen – immer nur Jahresverträge bekommen. Man steht unter ständigem Erpressungsdruck, jede Sauerei des Professors, jeden Schwindel und Betrug mitzumachen, seine Forschungsergebnisse als dessen welche auszugeben, als Ghostwriter zu arbeiten, Ergebnisse zu fälschen usw., weil man erledigt wird, wenn man nicht mitspielt.

    Es bringt eine Erpressungssituation, gegen die man keine Chance hat, man wird zum Mittäter gezwungen, wie in der Mafia. Das Machtmonopol der Professoren, das daraus entsteht, ist höchst schädlich.

    Mir wurde von Professoren (auch in Karlsruhe) berichtet, die einen extrem hohen „Verbrauch” an Mitarbeitern haben und diese wechseln, wie andere Leute ihre Unterhosen. Da treiben Leute üble Machenschaften und sind zur Personalführung und wissenschaftlichen Anleitung völlig unbefähigt. Aber im Kampf Beamter gegen befristeter Mitarbeiter verliert immer der Mitarbeiter.

    Das ist sogar noch schlimmer: Da der Professor ja nicht nach seinen Personalführungsqualitäten, sondern nach der Zahl der Promotionen beurteilt wird, wird quasi der mit dem höchsten Mitarbeiterverbrauch sogar besser bewertet.

  • Es führt zu einer starken qualitativen Degeneration der Universität.

    Denn unter diesen Umständen bleibt ja kein vernünftiger und befähigter Mensch als Wissenschaftler an der Uni, wenn er in der Industrie einen unbefristeten Job haben kann. Das Risiko, wie so viele bis über 40 an der Uni rumzuhängen, dann dort rauszufliegen, nicht mehr vermittelbar zu sein und als Taxi-Fahrer oder promovierter Hartz-IV-Empfänger zu enden, ist einfach viel zu hoch. Niemand, der wirklich was kann, wird sich ohne Not auf dieses Risiko einlassen.

    Das heißt, daß in der Post-Dok-Szene eigentlich nur noch die bleiben, die entweder realitätsferne Idealisten, Spinner oder schlichtweg unfähig und nicht zivil einsetzbar sind. So ein richtig intellektueller Bodensatz der nicht ordentlich Verwendbaren.

    Und aus dieser Bodensuppe der Übriggebliebenen und derer, die nichts besseres gefunden haben, aus diesem Ausschuß rekrutiert sich dann der wissenschaftliche Nachwuchs, die Professoren.

    Wie das dann läuft, habe ich vor einiger Zeit im Berufungsverfahren auf eine Professur erlebt, auf die ich mich als Externer beworben hatte. Die Bewerbungsschreiben hat man erst gar nicht gelesen. Aufzeichnungen über die Auswahl oder nachvollziehbare Kriterien gibt es auch nicht. Stattdessen hat man die Professur rechtswidrig und mit allerlei Schwindel, Tricks und Täuschungen und hausberufungsverbotswidrig dem Hauskandidaten von überaus mickriger und zweifelhafter Befähigung zugeschustert, weil der halt auch schon deutlich über 40 war und sich immer noch von Zeitvertrag zu Zeitvertrag quälte. In dem Alter, ohne verwendbare Befähigung und mit Null Berufserfahrung hätte der auf dem Arbeitsmarkt überhaupt keine Chance mehr gehabt.

    Oder eben auch solche zugeschusterten Ausschreibungen wie an der Uni Tübingen.

    Aus solchen eigentlich nicht mehr verwendungsfähigen Restbestandsexistenzen und Ladenhütern rekrutiert sich dann die Professorenschaft, weil die Universitäten auf der Strecke zwischen Diplom/Master, Promotion und Professur kein konkurrenzfähiges Biotop für befähigte Leute mehr sind. Die fähigen Leute gehen auf dieser Strecke, und das, was dann zurückbleibt, übernimmt die Universität.

Wie auch in diesem BNN-Artikel angesprochen, müßte man dem dringend entgegenwirken. Etwa durch das Arbeitsrecht. Und, indem man Drittmittel nur noch vergibt, wenn an den Projekten nur noch (oder eine Mindestquote) an unbefristet Beschäftigten teilnimmt.

Update: Ich habe gerade noch den Hinweis bekommen, daß es dazu eine eigene Website Wir sind das KIT! gibt, wo man auch statistische Daten findet.

12 Kommentare (RSS-Feed)

quarc
7.5.2011 16:42
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| Das heißt, daß in der Post-Dok-Szene eigentlich nur noch die bleiben,
| die entweder realitätsferne Idealisten, Spinner oder schlichtweg
| unfähig und nicht zivil einsetzbar sind. So ein richtig intellektueller
| Bodensatz der nicht ordentlich Verwendbaren.

Ich lese Deinen Blog sehr gerne, aber bitte, bitte, ziehe doch wenigstens
einmal in Erwägung, dass es (zumindest in manchen Fächern) Leute gibt, die
die wissenschaftliche Tätigkeit in Forschung und Lehre so gern haben, dass
sie auch die skizzierten Risiken in Kauf nehmen oder nicht den höheren
Gehältern in der (vermeintlich freien) Wirtschaft nachlaufen, ohne dass
sie deshalb intellektueller Bodensatz sind. Insbesondere, wenn es (anders
als z.B. in der Informatik) in den betreffenden Fächern außerhalb der
Universitäten kaum Forschungstätigkeit gibt.
Es gibt auch fähige Spinner.

Natürlich kann ich niemandem empfehlen, dafür in Deutschland zu bleiben,
aber das ist eine andere Geschichte.


Hadmut Danisch
7.5.2011 16:49
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Es fällt mir in letzter Zeit immer schwerer zu glauben, daß jemand, der wissenschaftliche Forschung wirklich gerne hat, an deutschen Universitäten bleibt. Je mehr ich mich damit befasse und je mehr Informationen ich dazu bekomme, desto eher erscheint mir das als Gegensatz.

Außerdem habe ich ja als eine Variante explizit die Idealisten erwähnt, worunter wohl die fallen würden, die Du meinst. Aber auch gegenüber dieser Personengruppe hege ich inzwischen deutliche Zweifel.

Aber letztlich sind wir uns ja einig, denn ich beziehe meine Kritik nur auf Deutschland, und Du sagst selbst, daß Du niemandem empfiehlst, dafür in Deutschland zu bleiben. Also kollidieren unsere Ansichten da nicht.


Steffen
9.5.2011 14:31
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Wenn ich so in meinem Bekanntenkreis schaue, dann sind die, die wirklich in Wissenschaft und Forschung aufgehen, sehr rar gesät. Ich kenne eigentlich nur genau einen, für den die Wissenschaft tatsächlich sein ehrliches Lebensziel darstellt.

Ich habe die Beobachtung gemacht, daß häufig eine Menge Heuchelei und/oder Selbstbetrug mit dabei ist, wenn jemand sagt, daß ihm die Wissenschaft so viel Spaß machen würde, daß er die miesen Arbeitsbedingungen akzeptieren kann. Im akademischen Bereich herrschen ähnliche psychologische Vorgänge wie in religiösen Sekten. Es wird sehr gerne der Mythos gepflegt, daß nur wissenschaftliche Arbeit das einzig wahre sei, daß die Welt draußen böse und feindlich sei, und daß jeder der die Uni verlässt, damit sein Seelenheil aufgibt. Das geht bis hin zu “Shunning” ( http://en.wikipedia.org/wiki/Shunning ), was mir ganz persönlich widerfahren ist, nachdem ich den Absprung gemacht habe.

Und dann gibt es noch die Leute, die halt einen Doktor machen oder gar Post-Doc weil sie keine Ahnung haben was sie sonst machen sollen, oder Angst vor der Welt da draußen haben. Eine Bekannte: “Naja, ich mache jetzt halt noch 1 Jahr Post-Doc”. Ich habe ihr versucht klarzumachen, daß daß sie dieses Jahr mit irgendeinem Elfenbeinturmthema vergeudet haben wird, und sie dann immer noch vor dem gleichen Problem stehen wird, nämlich: Was sie eigentlich wirklich beruflich machen will. Inzwischen sind es 3 Jahre, und die Frau macht immer noch Post-Doc…


Hadmut Danisch
9.5.2011 14:36
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Seltsam, diese Assoziation, den Wissenschaftsbetrieb mit klerikalen Strukturen zu vergleichen, ist mir auch schon oft durch den Kopf gegangen. Vieles ist da tatsächlich sektenartig.


Steffen
9.5.2011 14:39
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Hadmut Danisch
9.5.2011 14:41
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Ich hab auch noch einen Haufen Notizen und Mails aus der Zeit während dem Urlaub, die ich noch nicht abgearbeitet habe, da ist auch nochmal sowas dabei.

Wenn das inzwischen so viele so sehen, muß ja was dran sein.


The User
9.5.2011 21:24
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Außerdem habe ich ja als eine Variante explizit die Idealisten erwähnt, worunter wohl die fallen würden, die Du meinst.
Ja, die fallen wohl darunter, aber im weitern Text des Eintrags heißt es dann, dass quasi nur unqualifizierte in die universitäre Forschung gehen, und es ist doch nicht jemand unqualifiziert, wenn er unter diese Kategorie fällt und eben etwa Grundlagenforschung betreiben will. In manchen Gebieten gibt es so wenig Stellen in der Forschung, und die so gut wie nur an Unis, dass auch die, die in Deutschland bleiben wollen, sicherlich mehr als genug hoch qualifizierte Bewerber enthalten. Es ist ja auch immer eine gewisse Hemmschwelle fürs Auswandern vorhanden, auch wenn du es vllt. niemandem empfehlen wolltest in Deutschland an der Uni zu arbeiten.

Stattdessen hat man die Professur rechtswidrig und mit allerlei Schwindel, Tricks und Täuschungen und hausberufungsverbotswidrig dem Hauskandidaten von überaus mickriger und zweifelhafter Befähigung zugeschustert, weil der halt auch schon deutlich über 40 war und sich immer noch von Zeitvertrag zu Zeitvertrag quälte. In dem Alter, ohne verwendbare Befähigung und mit Null Berufserfahrung hätte der auf dem Arbeitsmarkt überhaupt keine Chance mehr gehabt.
Natürlich ist das rechtswidrig, aber ich kann das den Leuten nicht übel nehmen, wenn sie den Kerl eben bei sich behalten und nicht vors aus stellen wollen. Und gänzlich unqualifiziert für diese Professur wird er ja vmtl. nicht gewesen sein, wenn er an der Uni schon länger in dem Gebiet gearbeitet hat.


Hadmut Danisch
9.5.2011 21:31
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Es geht nicht ums “übel nehmen”, sondern darum, ob die ihre Dienstpflichten erfüllen und wie die mit ihren Steuergeldern umgehen. Und um die anderen 39, die um ihre Bewerbungschancen geprellt wurden.

Er hatte vorher die Vertretungsprofessur inne, und die Fakultät hat währenddessen zu genau seinem angeblichen Fachgebiet gegenüber einem Gericht erklärt, daß sie niemanden hat, der sich damit auskennt und sich dazu äußern kann. Die haben den nicht mal selbst für befähigt gehalten. Und im Streit um die Professur wurde sogar behauptet, daß Berufserfahrung gar nicht erwünscht sei.


Anna Freud
10.5.2011 14:08
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Über das Klerikale am Beginn der Akademien hat Michel Serres mal einen Text verfasst (“Paris 1800”) in “Elemente zu einer Geschichte der Wissenschaften”.

Ich weiß noch, als ich den gelesen habe, habe ich mich kaputtgelacht. Im Grunde beschreibt er die exakte Ersetzung des klerikalen Machtgefüges durch “Wissenschaftler”, die mehr oder weniger nur die klerikeral-politischen Positionen eingenommen hatten (die rein Klerikalen wurden ja gegangen) im Sinne einer eher zufällig “passenden” Konstellation, sodass diese Eingesetzten ihre Vorstellung in Gang setzen konnten. Von diesem Augangspunkt des Ordens (!) des Klerus wurde dann die Akademie ins Werk gesetzt, wenn ich das noch richtig im Kopf habe. Aber urkomisch ist der Text alle mal.

Ich glaube, Max Stirner war einer der ersten, der die Akademien mit Kirchen und Religionen verglichen hat, dicht gefolgt von Schopenhauer und Nietzsche. Heute hat das aber sicher eine ganz andere Qualität, aber die Wurzeln bleiben ja die gleichen.


quarc
11.5.2011 20:59
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> Es fällt mir in letzter Zeit immer schwerer zu glauben, daß jemand, der
> wissenschaftliche Forschung wirklich gerne hat, an deutschen Universitäten
> bleibt. Je mehr ich mich damit befasse und je mehr Informationen ich dazu
> bekomme, desto eher erscheint mir das als Gegensatz.

Das hängt von den Optionen ab (auch im Ausland ist die Beschäftigungslage
im akademischen Bereich nicht rosig).
Für Ingenieure, Informatiker, Mediziner und (teilweise) Biologen wird es
auch außerhalb der Universitäten noch Arbeitsplätze in der Forschung geben,
aber selbst dort meist nicht in der Kombination mit Lehre. Für andere
Fachrichtungen gibt es kaum solche Möglichkeiten. Wenn man dann z.B.
universitäre Angebote europaweit sucht, merkt man schnell, dass die
überwiegende Zahl der Angebote in Deutschland liegt, was wegen der hohen
Zahl an Hochschulen nicht verwunderlich ist.
Wer also nicht gleich in die USA will, wird also eher in Deutschland
etwas finden. Das Entsetzen über die Verhältnisse stellt sich auch nicht
sofort ein, sondern oft erst dann, wenn es schon zu spät ist. Du hattest
in einem früheren Eintrag mal dieses treffende Bild verwendet, in dem
Gefangene bei einem Fluchtversuch nach Überwindung einer Mauer immer wieder
auf eine weitere Mauer stoßen, aber lange Zeit glauben, dies sei die letzte,
und daher nicht so schnell aufgeben. Das trifft hier auch.

Insofern halte ich übrigens auch Blogeinträge wie diesen hier für sehr
wichtig, um auch mal die Unterseite der Münze aufzudecken.

> Außerdem habe ich ja als eine Variante explizit die Idealisten erwähnt,
> worunter wohl die fallen würden, die Du meinst. Aber auch gegenüber dieser
> Personengruppe hege ich inzwischen deutliche Zweifel.

Die meinte ich eigentlich nicht, und in dieser Hinsicht würde ich auch
Deine Zweifel teilen. Es geht bloß darum, dass manche Menschen bei den
Kriterien für eine Berufswahl nicht nur auf das Gehalts schauen,
sondern auch auf die eigentlichen Tätigkeit. Das bedeutet dann eben, dass
sie lieber solche Tätigkeiten bevorzugen, die sie gerne machen und die sie
(wenigstens nach eigener Einschätzung) gut können, als solche, die sie
uninteressant finden oder weniger gut können, selbst wenn letztere besser
bezahlt werden. Ist das mittlerweile so exotisch geworden?

Komischerweise bin ich auch häufig schon dem entgegengesetzten Vorurteil
begegnet: dass nämlich diejenigen, die sich für eine Tätigigkeit außerhalb
der Universität entscheiden, dies nur aus Mangel an Fähigkeiten tun.
Es wird dann darauf verwiesen, dass man nach jahrelanger Tätigkeit außerhalb
der Universität kaum noch Chancen hat, eine Tätigkeit an einer Universität
zu finden; diese Beobachtung wird dann (rückwirkend) so gedeutet, dass den
betreffenden von vornherein das Zeug für Forschung und Lehre gefehlt hat,
sie also insbesondere zu den “nicht ordentlich Verwendbaren” gehörten.

Diese Fehldeutungen verkennen den Effekt spezialisierter Berufstätigkeit.
Wer nach dem Diplom oder Magister promoviert und in universitärer
Forschung und Lehre arbeiten will entscheidet sich für eine bestimmte
Berufslaufbahn, genauso wie derjenige, der sich für eine außeruniversitäre
Tätigkeit entscheidet. Es handelt sich um _verschiedene_ Berufe, selbst
wenn das vorherige Studienfach das gleiche ist (wobei hier ja auch noch
verschiedene Schwerpunkte möglich sind). Nach ein paar Jahren sind dann
für die Stellensuche naturgemäss nicht mehr die im Studium erworbenen
Kenntnisse und Fähigkeiten sondern die in der konkreten Berufstätigkeit
gesammelten Erfahrungen wichtig. Der Wechsel von oder zur Universität
kommt dann einem Berufswechsel gleich, der fast unmöglich gemacht wird.


Preuss, Frank
18.6.2011 2:02
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Liebes Forum

Dieses Land hat seit langem einen enormen Aderlass- jedes Jahr wandern Hunderttausende, darunter insbesondere Hochschulabsolventen, aus.
Im Bereich des Sports haben »wir« haben einige Bestandteile der Begabungssiebung der ex_DDR übernommen; die Wissenschaft zählt diesem Land schon lange nichts.
Von allem gab (bereits seit 1980 ff.) und gibt es zuviel- gleich welcher Fachrichtung, gleich welcher Qualifikation(sgüte).
Den irren, mit Globalisierung betitelten Preiswettbewerb, diese nicht mehr endende Spirale nach unten, hätte dieses Land via (Produkt-)Differenzierung verhindern können- nur: Solcherlei ist weder Sinn und/oder Ziel von deutscher Politik noch heimischer Wirtschaft.
Wer den km 42 eines Bildungsmarathons SGB- Alimentierungen aussetzt, sollte sich nicht wundern, dass Jugendliche einer Rütli- Oberschule in Berlin NICHTS mehr leisten wollen. Vor Jahren bereits setzte ich mich in eine durch Neukölln, dann Kreuzberg führende Buslinie, die gerade nach Schulschluss 12 bis 13jährige beförderte: Da war nur noch die überlaute Sprach- und Stimmengewalt eines Porno- Synchronisation zu vernehmen: “Äeh’, fick Dich Alter- in Arsch, in Votze- Du Wichser”. Und doch scheinen diese Schüler soziologisch effizienter zu agieren, in diesem Sinne kleverer zumindest als wir: “Kann ich Hartz IV, du Clown, du Opfer- Alter”.
Solche Weltenlenker wie BMWi DVolksw. R. Brüderle finden es u. a. in Ordnung, wenn die prekäre (Stichwort: Prekariat) Lage u. a. solche Unternehmen zu verantworten haben, die -in Weisung eines ungemein kleveren Controllings- nicht selbst ausbilden, sondern von Dritten, am besten Schwellenländern, ausbilden lassen- nun gilt es, diese Leute zu importieren. Nichts investiert, nichts geschuldet: Unentgeltliche Praktika allenfalls, mit vielerlei Anglizismen begrifflich aufgewertet: “Was klatschen wir uns vor Lachen auf die Schenkel: “Wegen dem Supervisor, dem Chief Economist, usw. hat der/die noch weiter das ganze Wochenende umsonst durchgearbeitet”.
Nun geht das nicht lange gut; seit langem ist Deutschland real Patentimportland.
Unglaubliche Hunderte von Mrd. sind für ein heimisches Bankensystem verschwendet worden, dass dem Binnenmarkt schon seit 1995 nicht mehr als Kreditwirtschaft dienen möchte. Im Ausland formulierte Kreditkonditionen beim Hauskauf (120% vom Grundstückswert, erforderliches mtl. Einkommen 0 USD) wären in der Mitte Europas undenkbarst.
Ein gewissermaszen neues Manhattan- Projekt (natürlich anderer Aufgabenstellung und ohne L. Groves) wäre angesichts angedeuteter Summen parallel mehrfach finanzierbar, z. B.: Transmutation (mögl. Reduzierung von Endlagerzeiten von 1.000 : 1), DIE neue Energie (Wasserstoff?), Meerwasserentsalzung oder gar die Sequenzierung menschlicher, tierischer und pflanzlicher Genome. Wir hätten hier alle Hände voll, Tag und Nacht zu tun!!

Warum wird so etwas regierungsamtlich nicht einmal gedacht? Zum (w)einen ist völlig wurscht, was mit unseren Wissenschaftlern passiert; an vorgenannten Themen haben Massgebliche keinerlei Interesse; letztlich nur solches, den Umstand zu leugnen . Zum anderen ist uns viel wichtiger, dass Banken jedweder Couleur jedwede Geschäfte risikolos zum Maximalprofit abwickeln.


fb
22.6.2011 0:32
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> Das heißt, daß in der Post-Dok-Szene eigentlich nur noch die bleiben,
> die entweder realitätsferne Idealisten, Spinner oder schlichtweg
> unfähig und nicht zivil einsetzbar sind. So ein richtig
> intellektueller Bodensatz der nicht ordentlich Verwendbaren.

Herzlichen Dank. Ich fühle mich hiermit beleidigt. Ich sehe mich durchaus als “realitätsfernen Idealisten”, aber warum ich deshalb gleich “nicht ordentlich verwendbar” bin, würde ich gern doch nochmal erläutert haben. Gesetzt, dass das deutsche Hochschulsystem so schwarz ist, wie du es malst, sollte man dort etwa für einen idealistischen Ingenieur mit mehrjähriger Berufserfahrung und Promotion doch gerade Verwendung haben.

> Es fällt mir in letzter Zeit immer schwerer zu glauben, daß jemand,
> der wissenschaftliche Forschung wirklich gerne hat, an deutschen
> Universitäten bleibt.

Weil er in Deutschland Familie hat, die nicht mit ins Ausland kann oder will?
Weil im europäischen Ausland vielleicht das akademische Klima gesünder, aber die sonstige Mentalität schwerer erträglich ist?
Weil irgendjemand ja irgendwann mal die gebietsweise siechende deutsche Wissenschaft wieder aufrichten sollte (und wer, wenn nicht Idealisten)?
Weil in der Alternative “Industrie” in meinem Fachgebiet noch wesentlich prekärere Arbeitsbedingungen herrschen (doch, doch), Forschung als Zeitverschwendung betrachtet wird und Inkompetenz und Gewinnfixierung fröhlich das Zepter schwingen?

Nur mal so als Denkanstoß.