Forschungsmafia: Titelhandel · Forschungsbetrug · Wissenschaftskorruption · Hochschulkriminalität

PhD: Will work for food…

Hadmut Danisch
13.2.2011 21:35

Ha! Ich hatte doch kürlich mal ein Bild erwähnt, in dem ein PhD-Wissenschaftler am Straßenrand steht und anbietet, für Essen zu arbeiten.

Leider konnte ich das Bild damals aus urheberrechtlichen Gründen nicht direkt ins Blog packen und wußte auch nicht, wo es herkam. Ein lieber Leser hat mir jetzt den Link geschickt, wo das Bild zu finden ist. Nämlich hier bzw. auf dieser Webseite. (Sieht allerdings auch nicht wie das Original aus, sondern eher wie ein Blogger mit weniger Hemmungen als ich sie habe oder der zuverlässig weiß, daß das Bild frei ist.)

Das Bild dürfte wohl auch kaum einen echten hungernden PhD darstellen, sondern ist sicherlich gestellt, die Zusammenstellung ist zu offensichtlich eher auf Kritik als auf Arbeit ausgelegt.

Das heißt aber nicht, daß es deshalb unzutreffend wäre. Wenn man sich die Finanzentwicklung in den USA ansieht, dann dürfte das da sicher bald vielen „Wissenschaftlern” so gehen, die nur über akademische Pseudofähigkeiten verfügen, aber nichts Reales können. Solche Elfenbeinturmritter eben.

Gibt allerdings auch in Deutschland eine ganze Menge von Doktoren, die Taxi fahren müssen oder sonst am Hungertuch nagen.

(Anekdote: Ich hab mal vor vielen Jahren in einer großen Industrieanlage eine Sicherheitsuntersuchung durchgeführt. Dabei schlich gelegentlich so ein seltsamer Mensch unauffällig umher, sagte kein Wort, beachtete uns gar nicht, und war nur damit beschäftigt, die übliche Büro-Begrünung in Form von Topfplanzen usw. zu gießen und sauber zu machen. So jemand, der einfach unter der Wahrnehmungsgrenze durchschleicht, wie ein Tiefflieger unter dem Radar. Ich hielt den für einen der vielen Ausländer Arbeitskräfte im untersten Lohnsegment mit Migrationshintergrund, der kein Deutsch versteht und – wie bei den Putzkolonnen – aus Billig- oder Zeitarbeitskräften rekrutiert wird.

Irgendwann kam ich mal auf den zu sprechen und fragte, wo der eigentlich überall Zutritt hat. Es ist ja bekannt, daß manche Länder gezielt technisch gut ausgebildete Spione als einfache Putzkräfte zum Spionieren schicken, oder die Leute einfach bestechen. Die lachten und sagten mir, der sei völlig harmlos und vertrauenswürdig. Und was es mit dem auf sich hätte.

Irgendwann hätten sie sich da mal unter den Kollegen über Photosynthese unterhalten. So auf dem Niveau der Allgemeinbildung technisch interessierter Leute. Als zufällig dieser „taubstumme” Blumengießer vorbeischlich. Als der hörte, wovon die da reden, sprang der plötzlich wie von der Tarantel gestochen auf, schnappte sich die Filzstifte fürs White-Board und hielt aus dem Stand einen wissenschaftlich geschliffenen Vortrag in bestem Deutsch samt kompletten Formelapparat über die Photosynthese in allen biochemischen Details. Die standen mit offenen Augen und heruntergeklapptem Kiefer da und staunten bis zum Anschlag.

Der Mann war promovierter deutscher Biologe, hatte keine Professur ergattert und dann keinen Job in der Industrie gefunden, weil er nichts konnte, was irgendwer brauchte. Um sich wenigstens über Wasser zu halten, hatte er den Job zur Pflege der Pflanzen in dieser Firma übernommen, was ihm so peinlich war, daß er immer so tat, als existierte er gar nicht, und jeden Kontakt vermied. Die Firma dachte sich, geben wir ihm halt eine Chance, und einen promovierten Biologen zum Blumengießen und Gummibaumabwischen zu haben, wär ja auch edel und entspräche dem High-Tech-Anspruch der Firma.

Noch eine? Auf dem Flur im Studentenwohnheim hatten wir damals einen Chemiker mit Bestnoten. Chemie kein Problem für den, aber mit dem echten Leben so ein bisschen überfordert. Wissenschaftler eben. Der schaffte den Absprung von der Uni auch nicht und blieb da in diesem Studierenden-Milieu und Studentenwohnheim stecken, weil halt auch kein Geld reinkam. Irgendwann war der plötzlich weg, aber seine Sachen noch da und sein Zimmer nicht gekündigt. Der war dann erstmal in die Geschlossene eingeliefert worden, damit er sich nicht umbringt. Ein paar vom Flur haben ihn auch mal besucht, gestaltete sich aber schwierig. So zwei oder drei Jahre später habe ich ihn dann mal in der Stadt getroffen. Irgendwie abgedreht und fertig mit der Welt, in zerschlissenen Klamotten. Und mit dreckigen, von kleineren Verletzungen, Hornhaut und Schwielen überzogenen Händen. Ich sprach ihn darauf an und er sagte mir, daß die für ihn eine Gärtnerlehre organisiert haben. Der arbeitete dann in einer Gärtnerei und machte so die einfachen handwerklichen Aufgaben, Blumen eintopfen und sowas. )

11 Kommentare (RSS-Feed)

Steffen
13.2.2011 22:24
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Zur Situation in den USA, wieder ein Artikel aus dem Chronicle of Higher Education (wo sich seit einiger Zeit solche Berichte häufen).

Titel “They’re Mad as Hell”. Zitat:

“In the comments section of my column, one reader lashed out at tenured professors who have “seemingly no clue about the realities of the current higher-ed job market.” Another complained that “the system wouldn’t be in such a bad state as it is if faculty didn’t blatantly mislead students, whether through their own ignorance or lying intentionally, about the actual value of a graduate degree.”

Offensichtlich dämmert es so langsam den ganzen PhDs und PostDocs in den USA, daß sie nach Strich und Faden verarscht wurden. Aber der Professor, der den Artikel geschrieben hat, scheint es trotzdem noch nicht ganz zu kapieren:

http://chronicle.com/article/Theyre-Mad-as-Hell/126199/


WeiterGen
13.2.2011 22:33
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Nette Anekdoten! ich hab den Artikel mal bei mir verlinkt.


pepe
14.2.2011 11:44
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Ich hab Neuigkeiten fuer dich: Nicht nur Doktoranden und Professoren muessen sehen wo sie bleiben, sondern ganz wesentliche Teile der Bevoelkerung muessen heute mit unsicheren Arbeitsverhaeltnissen leben. Sie schleppen sich teils mit chronischen Erkrankungen taeglich zur Arbeit, machen den ganzen Tag das gleiche, koennen vom Lohn nichtmal ihren Unterhalt bestreiten. Die Pflegeheime produzieren am laufenden Band Nervenzusammenbrueche. Nicht bei den Patienten, sondern beim Personal.

Was fuer Idioten, dass sie nicht etwas gelernt haben was “gebraucht” wird. Was sind das fuer weltfremde Menschen die auf der Parkbank schlafen, weil es ihnen zu peinlich ist, sich bei der “Arbeitsagentur” um Sozialhilfe zu bewerben?

Und was faellt diesen Doktoranden ueberhaupt ein, einfach so Biologie zu studieren. Wer braucht sowas schon.. Die sollen gefaelligst was vernuenftiges machen…typisch Elfenbeinturmler..

Ich fass es nicht, dass du im Kapitalismus anhand des Arbeitsmarkts entscheiden zu koennen glaubst, welche Menschen einer gesellschafltich sinnvollen Taetigkeit nachgehen. Der freie Markt hat als Zielfunktion nicht das gesellschaftliche Wohl sondern den individuellen Profit. Die Sorte Menschen, die da primaer ueberlebt, sind Egoisten und Blender, Leute die Scheisse fuer Gold verkaufen und sich durch Beziehungen oben halten.

Hat der Chemiker Leute betrogen, hat er Beziehungen ausgenutzt? Warum ist er deiner Meinung nach offenbar als Mensch nichts wert und hat seine aktuelle Situation verdient? Warum sollen wir alle ueber sein von dir geschildertes Schicksal lachen?


Hadmut Danisch
14.2.2011 16:21
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Schön polemisches Gezeter, aber völlig an der Sache vorbei.

Es geht nicht um den Arbeitsmarkt und die Konjunktur, sondern darum, daß eine von verbeamteten (oder sonstwie auf Lebenszeit eingestellten) Professoren geleitete Uni ziemlich weit am Bedarf vorbei ausbildet.

Und es gibt auch kaum eine andere Berufsgruppe, die sich so viel einbildet, bei der Anspruch und Wirklichkeit so weit auseinanderdriften. Welcher andere Befähigungsnachweis ist schon so leer und willkürlich wie die Promotion und wird trotzdem als Teil des Namens geführt und eingetragen?


pepe
15.2.2011 11:51
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> Es geht nicht um den Arbeitsmarkt und die Konjunktur, sondern darum, daß
> eine von verbeamteten (oder sonstwie auf Lebenszeit eingestellten)
> Professoren geleitete Uni ziemlich weit am Bedarf vorbei ausbildet.

– Du bist der einzige, der hier von Kunjuktur redet.
– Es geht nicht um den Arbeitsmarkt, aber schon im naechsten Satz sprichst du von “Bedarf” und dein ganzer Artikel macht den Bedarf allein am Arbeitsmarkt fest.

Deine Argumentation stimmt hinten und vorne nicht.


Hadmut Danisch
15.2.2011 12:00
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Du schimpfst Dich da an der Oberfläche entlang, weil Dir meine Aussage nicht gefällt, aber Du denkst nicht richtig drüber nach.

Das ist ein Problem von Angebot und Nachfrage.

Konjunktur und Arbeitsmarkt sind die Nachfrage.

Was die Uni an Leuten produziert, ist das Angebot.

Beides paßt nicht zusammen. Und ich sehe das Problem, jedenfalls daß, über das ich hier reden will, auf der Uni-Seite, beim Angebot.

Natürlich hat das eine immer mit dem anderen zu tun. Wenn ich das Angebot kritisieren, hat das thematisch immer auch mit der Nachfrage zu tun, weshalb man das eine nicht völlig vom anderen trennen kann. Das heißt aber nicht, wie Du es suggerieren willst, daß jedes Problem immer ein Problem der Nachfrage sein muß und man das Angebot nicht kritisieren dürfte, weil nach Definition oder Ideologie immer die Nachfrage dran schuld ist, wenn sie nicht das kauft, was in den Regalen liegt, egal wie schlecht.

Auch wenn Angebot und Nachfrage eng miteinander zusammenhängen, muß es möglich sein, das Angebot zu kritisieren und dort die Fehler zu suchen. Also komm mir bitte nicht so flach und bauernlogisch daher.


pepe
15.2.2011 18:57
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Du bist es, der hier flach argumentiert: “Wer keinen Job hat ist nicht nuetzlich.”

Seit wann entscheidet irgendein Markt darueber, was ein Mensch lernen und machen kann?

Wie schon im ersten Kommentar geschrieben gibt der Markt eine viel zu eingeschraenkte Sicht der Dinge wider. Der freie Markt agiert zunehmend losgeloest von dem, was die Gesellschaft braucht. Das haben schon seine Erfinder kritisiert und ist heute offensichtlicher den je. Er ist damit keine gute Zielfunktion.

Der Markt wuerde am liebsten auch alle staatlichen Kontrollen abschaffen, deswegen sind sie noch nicht per Definition schlecht oder unnuetz.


Hadmut Danisch
15.2.2011 19:20
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Ich habe nie gesagt, daß jemand nicht nützlich ist, der keinen Job hat. Das hast Du falsch verstanden. Oder verdreht.

Ich habe gesagt, daß die an der Universität etwas lernen, für das es keinen Job gibt, weil es so kaum nützlich ist. Es gibt eine begrenzte Anzahl von Jobs dafür in der Universität, die bewußt von Nützlichkeit unabhängig sind (und immer wieder schreiben mir ja die Leute, auch Professoren, daß Sinn und Zweck der Verbeamtung und Unabhängigkeit des Wissenschaftlers doch gerade sei, von der Notwendigkeit der Nützlichkeit enthoben zu sein).

Also liegt das Problem so, daß die Leute für den Wissenschaftsbetrieb abgerichtet werden, der erklärter- und gewolltermaßen von Nützlichkeit absieht. Nützlichkeit ist kein Ausbildungsziel an der Uni, weil „Wissenschaftler” die Nützlichkeit verachten.

Sie produzieren von der Sorte mehr Leute, als sie dann selbst einstellen.

Und die wundern sich dann, weil außerhalb der Uni Nützlichkeit gefragt ist, die sie nicht gelernt haben.


pepe
15.2.2011 21:18
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> Das heißt aber nicht, wie Du es suggerieren willst, daß jedes
> Problem immer ein Problem der Nachfrage sein muß und man das
> Angebot nicht kritisieren dürfte,

Das sage ich auch nirgends. Ich sage ganz im Gegenteil, dass deine Kritik viel zu einfach und pauschal ist und voellig ausblendet, dass Unis nicht ohne Grund Markt-unabhaengig designed sind. Du kannst nicht einfach wegen fehlender Nachfrage die Lebensentscheidung eines Menschen in Frage stellen, damit reduzierst du die Menschheit auf ihren Geldwert. So lange gibt es den freien Markt noch nicht, dass das ansatzweise gerechtfertigt waere.


Hadmut Danisch
15.2.2011 21:27
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Du willst also darauf hinaus, daß man die Universitäten eigentlich überhaupt nicht kritisieren kann und darf, weil man damit die Lebensentscheidung von Menschen in Frage stellt.

Aha. Dasselbe Ziel wie immer, nur mal ne neue Begründung.


quarc
18.2.2011 22:10
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Aha. Jemand studiert, spezialisiert sich für ein bestimmtes Gebiet,
qualifiziert sich dort weiter, findet irgendwann in seinem Beruf keine
Stelle mehr und hat (auch schon in vorgerücktem Alter) keine Chance mehr,
in anderen Berufen mit den dortigen Spezialisten mitzuhalten, wenn es
um offene Arbeitsstellen geht. Das klingt für mich nicht sonderlich
universitätsspezifisch. Ein anderer beendet seine Ausbildung, bekommt
finanzielle und psychische Probleme, und beginnt nach einem Zusammenbruch
damit, sein Leben wieder ganz klein aufzubauen. Kommt auch in den besten
Berufen vor. Willkommen in der arbeitsteiligen Gesellschaft.

Solange man in unsrere Gesellschaft die freie Berufswahl ernst nimmt,
muss man auch akzeptieren, dass sich Menschen für bestimmte Berufstätigkeiten
spezialisieren, die sie irgendwann doch nicht mehr ausüben können.
Da kann es in der Tat vorkommen, dass jemand Biologie studiert und sich
aus den möglichen Spezialisierungen eben die Unilaufbahn auswählt, weil
er sich nun mal in Forschung und Lehre spezialisieren will. Wer das nicht
will kann nach dem Diplom versuchen, in der Industrie unterzukommen.
Ich wüsste nicht, wie Universitäten diese individuellen Wahlen sinnvoll
abschneiden könnten oder sollten.

Solche Beispiele wie aus Deiner 1. Anekdote (mit dem Biologen) kann
man nur verhindern, wenn man eine der (vielen) Krankheiten des
Hochschulsystems behebt: dass die dort wissenschaftlich Beschäftigten
meist nur die Wahl zwischen Aufstig und Ausstieg haben. Das verheizt
Wissenschaftler unnötig. Es ist nämlich nicht so, dass etwa der oben
beschrieben Biologe an einer Uni nicht gebraucht würde. Nur wird nach
Ablauf der jeweiligen Beschäftigungszeiten die Uni gar nicht die
Möglichkeit haben, ihn unterhalb einer Professur weiter zu beschäftigen.
Und das die Frage, ob man nun eine Professur erlangt, nicht unbedingt
nur von den Fähigkeiten der betreffenden Person abhängt, brauche ich Dir
natürlich nicht mehr zu erzählen.