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Wissenschaftskorruption: Warum ich „padeluun” nicht als Sachverständigen akzeptiere

Hadmut Danisch
27.8.2010 18:11

Viele haben sich darüber aufgeregt, weil ich mich als Bürger und Wähler dagegen wehre (bzw. es zumindest versuche), daß in der Internet-Enquete-Kommission des Bundestages ein „Sachverständiger” nur unter dessen Künstlername auftaucht und nicht erkennbar ist, warum man ihn ausgewählt hat und worin seine Qualifikation liegt. Ein aktueller brandheißer Fall, der aufzeigt, warum ich mit meiner Skepsis Recht habe.

Die Süddeutsche und
DER SPIEGEL berichten über einen von Schwarz-Gelb in der Sache Laufzeit von Atomkraftwerken (also etwas, was uns alle betrifft) bestellten Gutachter, den Professor Marc Oliver Bettzüge, von der Uni Köln. Zitat Spiegel:

Das heißt: Es geht nicht um irgendein Gutachten, sondern um die Zukunft der deutschen Energiewirtschaft.

Schaut man nun auf die Homepage dieses Professors, dann steht da:

Herr Prof. Dr. Marc Oliver Bettzüge ist Inhaber der Stiftungsprofessur für Energiewirtschaft – Staatswissenschaftliches Seminar – der Universität zu Köln. Die Stiftungsprofessur wird bis zum Jahre 2012 vom Stifterverband der Deutschen Wissenschaft und danach von der Universität zu Köln getragen.
Zudem ist er Direktor des Energiewirtschaftlichen Instituts an der Universität zu Köln (EWI), welches den Status eines An-Instituts hat und von der Universität zu Köln und der Gesellschaft zur Förderung des EWI e.V. getragen wird.

Kein Hinweis darauf, wer da das Geld einwirft. Laut SPIEGEL ist es aber nun so (Zitat):

Pikant: Bettzüge ist neben seiner Leitungsfunktion am EWI auch Inhaber einer Stiftungsprofessur an der Uni Köln. “Diese Stiftungsprofessur wird von der deutschen Energiewirtschaft finanziell unterstützt”, erklärte die Uni Köln bei Bettzüges Ernennung 2007 in einer Pressemitteilung. […]

Eine Sprecherin der Uni Köln bestätigte SPIEGEL ONLINE, dass die Stiftungsprofessur “nicht aus dem Haushalt der Universität, sondern von der deutschen Energiewirtschaft” finanziert werde.

Doch wer steckt hinter “der deutschen Energiewirtschaft”? Die Erklärung findet sich auf der Homepage der Uni Köln. Dort heißt es: “Die Stiftungsprofessur wird bis zum Jahr 2012 vom Stifterverband der Deutschen Wissenschaft getragen.”

Der Stifterverband ist eine Dachorganisation, die für andere Stiftungen oder Konzerne Geld verteilt. Vizepräsident des Verbands ist Johannes Teyssen, der Chef des größten deutschen Energiekonzerns E.on. Im Vorstand des Stifterverbands sitzen außerdem RWE-Chef Jürgen Großmann und EnBW-Chef Hans-Peter Villis. Alle drei Unternehmen betreiben in Deutschland Atomkraftwerke, alle drei haben sich für längere Kernkraftlaufzeiten ausgesprochen.

Wer die einzelnen Finanziers von Bettzüges Stiftungsprofessur sind, listet der Stifterverband detailliert auf. Darunter finden sich:

  • die E.on AG
  • die RWE AG
  • der Kohlekonzern RAG
  • sowie Vattenfall Europe Mining & Generation, eine Tochter des vierten großen Energiekonzerns in Deutschland.

Wie nahe sich Bettzüge und die großen Stromkonzerne stehen, macht auch sein Lebenslauf deutlich. Bis 2007 arbeitete er für das Beratungsunternehmen Boston Consulting Group (BCG). In dieser Funktion “hat Bettzüge vornehmlich das Top-Management europäischer Energiekonzerne (Strom und Gas) beraten”, teilte die Uni Köln bei seiner Ernennung zum Professor vor drei Jahren mit. “Bettzüge steht damit für einen gelungenen Brückenschlag zwischen Wissenschaft und Praxis.”

Doch nicht nur die Stiftungsprofessur wirft Fragen auf. Auch Bettzüges Institut, das EWI, steht massiv in der Kritik. So berichtete die “Süddeutsche Zeitung” am Donnerstag, das EWI nehme Geld von den Stromkonzernen E.on und RWE. Demnach zahlen beide Konzerne auf fünf Jahre verteilt jeweils vier Millionen Euro an die “Gesellschaft zur Förderung des EWI”, die das Institut trägt. Entsprechend seien die Konzerne auch in den Gremien repräsentiert: Im Verwaltungsrat des Instituts stellten RWE und E.on jeweils eines von sieben Mitgliedern. Manager beider Unternehmen säßen auch der Fördergesellschaft vor. […]

Doch genau daran äußern Kritiker Zweifel. “Das EWI sieht nach einem getarnten Subunternehmen von E.on und RWE aus”, sagt die Vizefraktionschefin der Grünen, Bärbel Höhn. Zumindest indirekt stehe der Leiter des Instituts auf der Gehaltsliste der Energiekonzerne. “Die Bundesregierung braucht wohl ein abhängiges Institut, damit man die Atomkraft schönrechnen kann.”

Dasselbe Schema, das ich hier schon öfters kritisiert habe: Die Universitäten sind systematisch auf Korruption umgebaut worden (Haupttreiber dieser Entwicklung waren die Bertelsmann-Stiftung und deren Ableger Centrum für Hochschulentwicklung CHE), indem man sie einem unkontrollierbaren finanziellen Zufluss aus der Industrie unterstellt und jede Kontrolle abgesägt hat. Da sprießen die Stiftungsprofessuren und An-Institute aus allen Löchern, und Lobbyisten kaufen sich unverholen ihre Lobbyisten (oder wie im Fall des Hasso-Plattner-Institutes ganze fakultätsartige Gebilde) in den Hochschulbereich ein, kaufen den „Professoren-Titel” mit dazu und betreiben betrügerischen Lobbyismus unter der Fahne der Wissenschaft.

Das zeigt wieder einmal, daß man deutschen Universitäten und Professoren überhaupt nicht mehr trauen und glauben kann. Man hat über die letzten 10-15 Jahren einen Korruptionssumpf angelegt, mit dem man sich die eigene Glaubwürdigkeit (sofern davon überhaupt noch etwas übrig war) völlig zerstört hat. Das Bild des Professors ist heute geprägt vom Eindruck des Mietmauls, des Gefälligskeitsschwätzes, des Lobbyisten, des Hochstaplers der in jedem beliebigen Thema schwätzt, wenn da nur Geld zu holen ist. Wir müssen deshalb soweit gehen Professoren heute in ihrer Hauptfunktion als gedungene Täuscher und damit effektiv als Berufsbetrüger anzusehen.

Der Knackpunkt daran ist – um auf das Thema padeluun/Internet-Enquete zurückzukommen – daß diese Zusammenhänge für den Normalbürger und Wähler nicht ohne weiteres aufzuklären sind. Der sieht, daß da ein Sachverständiger kommt, und muß das glauben bzw. den für kompetent und unabhängig halten. Wie aber soll man das überhaupt noch aufklären können, wenn ein solcher „Sachverständiger” unter anderem Namen auftritt, als er beispielsweise Geld von der Industrie bekommt? In diesem Fall hier hat dieser Professor vorher bei der Boston Consulting Group als Unternehmensberater für die Energiewirtschaft gearbeitet. Würde er jetzt beispielsweise als Sachverständiger im Bundestag unter Pseudonym (man kann sich ja als Buchautor einen Künstlernamen zulegen) auftreten, wäre so etwas kaum noch aufzudecken.

Nun ist padeluun kein Professor und kein Consultant, sondern gibt sich als Ex-Punker und Künstler aus. Aber es stinkt gewaltig danach, daß das gerade deshalb ein Probelauf ist, um „Sachverständige” willkürlich und bewußt unter Verletzung der Kompetenzfrage auszuwählen und unter falschem Namen als Bundestagssachverständigen einzuschleusen. Klappt’s einmal, klappt’s wieder. Und padeluun wurde von der FDP benannt.

Und mit diesem Professor Bettzüge versucht Schwarz-Gelb gerade, der Öffentlichkeit einen Lobbyisten als Sachverständigen getarnt unterzuschieben. Zwar war da noch nicht der Name verändert, aber man hat einen bezahlten Lobbyisten als Sachverständigen ausgegeben, was ja genau der Hauptgrund ist, den ich gegen solche Pseudonyme genannt habe. Und das schönste daran ist, daß padeluun auch noch aus dem – eigentlich gegnerischen, linken Spektrum – kommt. Die arbeiten auch noch daran mit, solche Täuschungsstrukturen zu etablieren und kommen sich dabei auch noch gut vor.

Versteht Ihr jetzt, warum ich so entschieden gegen solche Pseudo-Sachverständigen bin? Daß allerdings so schnell ein konkreter Fall als Beispiel auftauchen würde, hätte ich auch nicht gedacht. (Allerdings bin ich mir ziemlich sicher, daß derselbe CCC-Dunstkreis, der so für padeluun und dessen Pseudonym-Masche eintritt, gerade strikt gegen Atomkraftwerke und Lobbyisten-Sachverständige ist. Die arbeiten auch mit Doppelmoral und zweierlei Recht.)

8 Kommentare (RSS-Feed)

C.
27.8.2010 21:33
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Ist gut jetzt. Ich finde den Namensgebrauch von padeluun auch ziemlich albern, aber das *ist* seit vielen Jahren sein ganz regulärer bürgerlicher Name. Ganz legal, mit Perso und so. Sonst stünde der auch nicht auf seinem Platzkärtchen beim BVerfG. Es fällt in seinem Fall nur auf, weil es eine unübliche Namensgebung ist.

Wie wär’s mit dem deutschen Bundeskanzler Herbert Frahm?
Oder dem Autor Samuel Clemens? Ist Farrokh Bulsara ein Begriff?


Hadmut Danisch
27.8.2010 22:14
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Schwätz doch nett so een entsetzlichen Bepp.

padeluun kann nicht sein bürgerlicher Name sein, weil man 1.) in Deutschland seinen bürgerlichen Namen nicht nach Lust und Laune ändern kann und 2.) ein bürgerlicher Name aus Vor- und Nachnamen bestehen muß, weil das Namensrecht vorschreibt, wie der Name des Kindes zu bilden ist.

Die drei von Dir genannten Echtnamen sind mir alle bekannt, über alle drei habe ich schon ausführliche Filme gesehen, in denen der Name genannt wurde.

Der Vergleich ist außerdem bei zweien der dreien dämlich. Mark Twain und Freddy Mercury unterliegen erstens nicht deutschem Namensrecht und traten auch nur als Künstler und nicht im Rahmen demokratischer Gesetzgebungsprozesse auf. Kapiert endlich mal, daß das ein Unterschied ist. Schallplatten oder Bücher zu verkaufen ist etwas anderes als sich in demokratische Prozesse einzumischen. So ein Schwachsinn! (Kein Mensch zwingt mich, deren Platten oder Bücher zu kaufen. Aber mit den Gesetzen, die unsere Regierung produziert, muß ich zwangsweise leben.)

Willy Brandt hat seinen Namen auch nicht gändert, weil ihm danach war, sondern wegen des Nationalsozialismus. Einen spinnerten Möchte-gern-Künstler mit der Namensänderung wegen der Verfolgung durch Nazis zu vergleichen, halte ich für mehr als nur geschmacklos. Ich halte es für eine grobe Dummheit. Im übrigen hat Brandt meines Wissens als Politiker der Bundesrepublik auch kein Geheimnis mehr darum gemacht. Zudem zeigt es, wie wichtig das Wissen ist, um beurteilen zu können, mit wem man es zu tun hat.


C.
28.8.2010 11:19
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Genau: Von allen dreien wußte man es, alle drei waren aber unter ihrem selbstgewählten Namen in der Öffentlichkeit aktiv und bekannt. Wären die mit ihrem Originalnamen (oder wie auch immer man das nennen mag) irgendwo angekündigt worden, hätte kaum einer gewußt, um wen es da geht. Wäre das dann irgendwie besser?

Und damit kommen wir zum obigen Strohmann-Argument (ist das ein Anglizismus?): *Natürlich* /wäre/ es ein Problem, wenn Leute z.B. als Sachverständige im Bundestag auftreten und woanders unter einem anderen Namen von irgendwelchen Lobbyisten Geld bekommen. Das passiert hier aber nicht. Herr Schäffner tritt schon seit Jahrzehnten unter seinem “anderen Namen” auf, und *nur* unter dem, ob der jetzt staatlich anerkannt ist oder nicht. Irgendeinen Täuschungsversuch zur Identität einer Person mag ich da nicht erkennen. Sollte das schon vorgekommen sein, hätte ich gern verifizierbare Beispiele.

Zitat von oben: “Der [Normalbürger] sieht, daß da ein Sachverständiger kommt, und muß das glauben bzw. den für kompetent und unabhängig halten.” – Beweis durch Behauptung. Muß er nämlich gar nicht. Er kann nachfragen, sich informieren, recherchieren… – das ist heutzutage auch noch richtig einfach.

Und ja, Sachverständige sollen bitte eine besondere Qualifikation in dem Bereich haben, zu dem sie sich sachverständig äußern wollen und sollen. Daraus, daß das zu oft nicht so ist, jetzt aber eine großangelegte Verschwörung zu spinnen, ist Blödsinn.


pepe
28.8.2010 12:51
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hanna
15.9.2010 21:21
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Tsts …

Hadmut, schau’ Dir den mal an!

http://podfiles.zdf.de/podcast/3sat_podcasts/100912_sendung_neues_p.mp4

Achja:
Respekt!!

hanna.


Hadmut Danisch
15.9.2010 21:46
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Bin gerade unterwegs und über meine UMTS-Stick geht das nicht (bzw. würde ewig dauern). Worum geht’s denn da?


hanna
16.9.2010 23:50
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ein bissel über den CCC, vom ZDF gemacht,
Schäubles Fingerabdruck, Constanze Kurz,
A. Maguhn, K. Koch, tron, Politik und CCC,
Enquete Kommission 😉
niedlich gemacht, anschauenswert.

Respekt, hanna.


Anonymer Kommentator ;-)
25.9.2010 17:29
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Zu paddeluun: Soweit ich weiß, ist das ein eingetragener Künstlername. Ein solcher kann weitestgehend wie der “echte” Name benutzt werden, insofern halte ich das für tolerabel.

Zu Herbert Frahm: Es war früher bei Kommunisten üblich, nur unter einem falschen “Kampfnamen” aufzutreten. Ich finde es etwas frech, daß er dann unter seinem “Kampfnamen” weiter Politik gemacht hat und man ihm das durchgehen ließ.