Forschungsmafia: Titelhandel · Forschungsbetrug · Wissenschaftskorruption · Hochschulkriminalität

Dissertation über Forschungskorruption

Hadmut Danisch
13.8.2009 21:05

Auf Telepolis gefunden.

Ich habe nicht immer die Zeit, Bücher komplett zu lesen, bevor ich eine Buchkritik schreibe. Dafür schreibe ich es in meine Buchkritiken dazu, wenn ich sie nicht ganz oder nur quergelesen habe und gebe mir Mühe, daß das Teillesen immer nur zum Vorteil des Autors ausfällt. So verwegen, eine Buchkritik zu schreiben, ohne das Buch gesehen zu haben, bin ich aber nicht (obwohl das viele tun). Also schreibe ich nicht über das Buch, sondern über die Buchkritik über das Buch von Thomas Barth, die ich auf Telepolis gefunden habe. Es geht um

Maresa Mertel (Dissertation)
Strafrechtliche Grenzen einer Flucht ins Privatrecht bei der Drittmitteleinwerbung durch Hochschulen
Band 16 der Reihe: Drittmitteleinwerbung zwischen Kooperation und Korruption
Zu bestellen über den Deutschen Hochschulverband

Ein paar Details fallen mir spontan auf:

  • Das Thema scheint weit überwiegend von Frauen bearbeitet zu werden (vgl. meine bisherigen Buchkritiken).
  • Es ist bemerkenswert, daß es da schon Band 16 einer Reihe gibt.
  • Ich bin erstaunt, daß der Hochschulverband anscheinend eine gewisse Kertwende gemacht hat. Noch vor einiger Zeit waren die nämlich auf der Seite korrupter Professoren und halfen denen beim Vertuschen.
  • Es wurmt mich, daß man mir die Promotion verweigert hat, weil ich die Uni als korrupt eingestuft habe, während andere genau darüber promovieren.

Nach dem Eindruck, den die Buchkritik auf mich macht, ist diese Dissertation zwar wohl besser als die Dissertationen, die ich bisher betrachtet habe, aber nicht so gut wie die Buchkritik. Vielleicht hätte der, der die Buchkritik geschrieben hat, das Buch schreiben sollen:

Korruption in der Wissenschaft kann Verschiedenes bedeuten. Manche Wissenschaftler fälschen Ergebnisse, um ihren Job zu behalten – klassischerweise Naturwissenschaftler und Mediziner. Manchmal bereichern Forschungsergebnisse oder Einrichtungen und Möglichkeiten der Universitäten private Firmen, die ihnen sogenannte “Drittmittel” zur Verfügung gestellt haben: Die Firma zahlt, der Forscher forscht, die Firma bekommt die Ergebnisse – das erscheint uns heute als unproblematisch. Das ist es aber nicht.

Schöne Einleitung. Zwar unterscheidet man normalerweise zwischen Korruption und Wissenschaftsbetrug, aber es gehört in dieselbe Gattung. Ich sage in Vorträgen gewöhnlich, daß sich Plagiate und Forschungsfälschung zu Korruption verhalten wie Haschisch zu Heroin. Schockt die Leute immer schön. Aber der Punkt ist richtig, es ist die gleiche kriminalistische Schublade.
Der Autor der Buchkritik, Thomas Barth, hat offenbar Ahnung wovon er redet, so schnell wie er die Sache auf den Punkt bringt:

Unproblematisch wäre es, wenn eine Firma ihre eigene Forschungsabteilung oder ein privates Institut beauftragt und bezahlt. Der Forscher an Universität oder Staatsinstitut arbeitet jedoch in öffentlichem Auftrag und ist – zumindest als Professor – sogar Beamter. Als solcher nimmt er nicht nur das laut Verfassung von der Staatsgewalt zu garantierende Recht auf Freiheit von Forschung und Lehre in Anspruch, er genießt darüber hinaus auch zahlreiche Privilegien. Aus der Staatskasse finanziert, […]

Exakt getroffen.

Hauptproblem der Universitätskorruption ist der Dualismus Firma – Beamter. Professoren wollen beides sein, unabhängiger Beamter, unkündbar, mehr Grundfinanzierung als andere Gehalt bekommen, dazu noch die Ausstattung, Räume, Mitarbeiter, Sekretärin vom Staat stellen lassen, stinkend faul die Arbeit vernachlässigen und sich von den Mitarbeitern zuarbeiten lassen, und das ganze dann auf eigene Rechnung verhökern. Letztlich machen viele Professoren nichts anderes, als vom Staat bereitgestellte Leistungen (einschließlich ihrer eigenen Arbeitszeit) in eigenem Namen zu verkaufen. Im Prinzip nichts anderes als Unterschlagung, Diebstahl und Hehlerei. Man sollte sich mal vorstellen, was passierte, wenn etwa ein Polizist auf eigene Rechnung Polizeiausrüstung verkauft oder Polizeiautos vermietet, oder wenn ein Soldat der Bundeswehr dort Material entwendet und auf dem Schwarzmarkt verkauft. Die würden sofort rausfliegen und in den Knast wandern. Bei Professoren hält man diese Praxis für normal. Genau diesen Punkt, über den zu viele hinweggehen, spricht der Kritiker hier an – allerdings als Folge dessen, daß die Buchautorin es anspricht, wenn auch sehr viel verklausulierter. Klingt wie der Unterschied zwischen einem Juristen und einem Journalisten.

Richtig ist auch, daß die Buchautorin laut Barth auf die Ursache, nämlich die Privatisierung des Staates wie bei Post und Bahn, eingeht. Genau dieser Neoliberalismus und der Abbau der staatlichen Kontrolle über die Universitäten haben uns ja diese Korruptionssuppe eingebrockt. Die Universitäten gehen denselben Weg wie beispielsweise unsere Stromversorgung – immer mehr Abzocke, immer marodere Leitungen.

Fängt gut an.

Und dann scheint, so verstehe ich Barth, ein Klopfer zu kommen. Die Autorin Mertel will darauf hinaus, daß Rechtsgüter einem Bedeutungswandel unterliegen könnten. Die Korruptionsbekämpfung gehe zu hart mit Drittmittelspendern um. Aha, weht daher jetzt der Wind? Die Argumentation ist gar nicht neu, schon unsere Bundeskanzlerin vertrat vor Jahren die Auffassung, daß die Staatsanwälte zu hart gegen Professoren vorgingen und der Staat finanziell darauf angewiesen sei, daß Professoren anschaffen gehen, und man sie dazu aus den Korruptionsstraftaten auszunehmen hätte.

Eieiei, versuchen die Fakultäten jetzt, die Botschaft auf dem “wissenschaftlichen” Umweg über die Dissertationen unters Volk zu bringen? Sieht aus wie eine Abhandlung über Korruption und soll unterschwellig Bahn brechen?

Mmmh, es scheinen sich aber doch interessante Überlegungen zu finden, etwa wenn die Autorin den BGH angreift, weil der das Strafrecht dem Verwaltungsrecht anheftet. Barth zitiert Martel:

Dass in dem Dulden der Überweisung auf das universitäre Drittmittelkonto ein Annehmen im Sinne der Norm liegt, steht ebenfalls außer Zweifel. Damit erfüllt ein Forscher durch völlig gängige Forschungsfinanzierung ohne Weiteres den Tatbestand der Vorteilsnahme. […]

Im Konkurrenzkampf um Drittmittel geht es nicht mehr um Lauterkeit von Amtsträgern, sondern vielmehr um einen fairen und unbeeinflussten Wettbewerb. Die klassische Amtsträgerkorruption hat in der Praxis längst ihr Gewand abgelegt und sich modernen Gegebenheiten angepasst. Damit ist muss (sic!) auch eine Wandlung des geschützten Rechtsgutes einhergehen.

Autsch! Ist das nun Kritik, Naivität oder korrupt? Ist sie dafür oder dagegen?
Heißt das jetzt, wir sind alle korrupt, deshalb sollte man es nicht mehr bestrafen, sondern sich daran gewöhnen? Es geht nicht mehr um die Lauterkeit? Ich glaube, das kann man ganz höllisch mißverstehen, wenn man das so ausstanzt und aus dem Kontext der Autorin nimmt. Es ist nicht mehr klar, ob das Kritik oder ihre Meinung ist.

Und dann schlägt Barth heftig, aber gut und richtig drauf:

Es ist kein Geheimnis, dass derzeit unter dem irreführenden Schlagwort “Bologna-Prozess” die Universitäts- und Wissenschaftslandschaft einer viel kritisierten Neuordnung durch die Politik unterworfen wird. Medienkonzerne gehören zu den Drahtziehern und die Medien allgemein tun sich hier durch mangelhafte Kritikfähigkeit bzw. eine affirmative Haltung hervor (vgl. Barth 2006). Belange von Lehre und Forschung, von guter wissenschaftlicher Ausbildung und vertrauenswürdigem Erkenntnisinteresse werden im “Bologna-Prozess” in brachialer Weise Wirtschaftsinteressen untergeordnet.

Da hat er genau Recht. Mit dem Medienkonzern meint er sicherlich Bertelsmann. Aber kritisiert er nun die Dissertation, oder kritisiert er die Zustände und lobt die Dissertation?

Doch wenn korrupte Politiker unter Einfluss korrupter Wirtschaftseliten eine Forschungspolitik machen, um korrupten Forschern Korruption zu erleichtern, wird dies nicht dadurch besser, dass korrupte Medien unter dem Einfluss derselben korrupten Politiker und Wirtschaftseliten die Öffentlichkeit nicht darüber unterrichten. Dies alles sollten Juristen bedenken, bevor sie im Namen sich angeblich wandelnder Rechtsgüter das hierzulande gerade erst aufkeimende zarte Pflänzchen der Korruptionsbekämpfung mit ihren Füßen bearbeiten.

Oh, das hat er schön gesagt. Den Satz mit der Korruption muß ich mir in die Zitatensammlung schreiben.

Die Konsequenz allein aus dieser einen Sache wäre schon, daß man die Dissertation hätte ablehnen müssen, weil sie das Thema im Kern verfehlt hätte. Ist diese Dissertation am Ende wirklich ein inszenierter Schwindel, mit dem sich die Universitäten unterschwellig gegen die Korruptionsbekämpfung wehren? Schicken die Universitäten jetzt getarnt als Dissertationen Torpedos los, und ihre eigene Korruptheit zur öffentlichen Akzeptanz und zum gewandelten Wert zu reden? Ist denen nun gar nichts mehr heilig? Wären eine Doktorandin, die solches schriebe, und ihr Doktorvater nicht schon selbst korrupte Wissenschaftsbetrüger?

Ich werde es herausfinden, ich habe mir diese Dissertation natürlich sofort bestellt. Ich bin schon sehr gespannt, was ich darin finden werde.

Freut mich aber, daß solche Themen zunehmend ins Blickfeld rücken.

Und es freut mich, daß der Einfluß der Verlage und der Medien zugunsten von Blogs wieder schwindet. Denn zwischenzeitlich war es aufgrund der Blockade durch die Medien fast unmöglich, etwas Kritisches über Hochschulkorruption zu schreiben. Das haben die einfach auf politischen Druck blockiert. Doch inzwischen brechen sich einige unabhängige Quellen und Blogs eine eigene Bahn. Bis die Politik das Internet genauso reglementiert und eingeschüchtert hat wie die Presse.