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Buchkritik zu Ottemann: Wissenschaftsbetrug und Strafrecht

Gelegentlich gebe ich Buchkritiken und -empfehlungen bevor ich das Buch ganz gelesen habe, manchmal, bei Nachschlagewerken, nach dem Inhaltsverzeichnis und Stichproben. Bei wissenschaftlichen Büchern, die nicht wie ein Roman sequentiell und vollständig zu lesen sind, sondern auch in voneinander unabhängigen Abschnitten gelesen werden können, schreibe ich eine Kritik durchaus auch mal nach der Lektüre von 40-70% des Inhaltes. Dies ist so ein Fall:

Es geht um das Buch

Heike Ottemann
Wissenschaftsbetrug und Strafrecht
Zu Möglichkeiten der Sanktionierung von Fehlverhalten in der Wissenschaft
Dissertation Universität Jena 2006
Verlag Dr. Kovač
ISBN 3-8300-2605-6

Bei dem Buch handelt es sich um eine Dissertation. Deshalb erfährt man eigentlich nie etwas davon, Dissertationen haben wie die meisten wissenschaftlichen Veröffentlichungen fast immer mehr Autoren als Leser. Sie verstauben unauffällig in irgendeiner Universitäts- oder Fakultätsbibliothek, und das war’s. Schon oft habe ich Dissertationen ausgeliehen, die schon Jahre oder Jahrzehnte alt waren, und bei denen man noch merkte, wie die Seiten vom Schnitt zusammenhängen und die Bindung noch nie aufgebrochen wurde. Wer gerne Bücher oberhalb eines gewissen Mindestalters, mit einer gewissen Reife defloriert, den kurzen, leicht stechenden Schmerz bei ersten Öffnen förmlich erfühlen will, der nimmt sich Dissertationen. Wer sie aber besitzen möchte, der muß sich ranhalten, denn sie werden nur in Minimalauflagen veröffentlicht, meist nur wenig mehr als es Bibliotheken gibt, die sie aufgrund Auftrags voraussichtlich unbesehen haben wollen müssen werden. Sie freiwillig haben zu wollen ist unüblich und in der Auflage in aller Regel nicht vorgesehen. Wenn man überhaupt je von ihnen erfährt, sind sie deshalb meist ausverkauft. Und das ist meistens gut so, denn der Kauf wäre oft Geldverschwendung. Was bei dieser Dissertation nicht der Fall ist. Diese Dissertion ist – oder war – vermutlich das Geld wert. Vermutlich deshalb, weil ich nicht weiß, was sie einst gekostet hat, ich habe sie von einem Buchhändler als gebraucht erstanden.

Daß ich überhaupt von dieser Dissertation bzw. diesem Buch erfahren habe, ist ein seltsamer Zufall. Daß ich von dem Buch bisher noch nie etwas gehört habe, obwohl ich mich seit inzwischen rund 10 Jahren mit Wissenschaftsbetrug befasse (wobei ich Wert auf die Feststellung lege, daß ich damit das Beobachten und Untersuchen, nicht das Ausüben meine) und inzwischen auch eine hübsche Literatursammlung habe, sagt wohl etwas über den Bekanntheits- und Verbreitungsgrad von Dissertationen. Eigentlich wollte ich nämlich die fast titelgleiche Dissertation

Marion Völger
Wissenschaftsbetrug
Strafrechtliche Aspekte – unter besonderer Berücksichtigung des Missbrauchs staatlicher Forschungsförderung
Dissertation ETH Zürich 2004
Schulthess
ISBN: 3725548129

bei Amazon bestellen. Zu haben ist sie allerdings nur noch beim Schweizer Verlag Schulthess gegen üppiges Geld, 25 Franken wollen sie allein für den Versand nach Deutschland, insgesamt 89. Auch daß ich von dieser Dissertation erfahren habe, war nur einem Zufall zu verdanken, nämlich daß ich im Blog der Plagiatsjägerin Debora Weber-Wulff einen Eintrag über diese zweite (das heißt zeitlich gesehen erste) Dissertation gefunden habe, die ihrerseits auf diesen Artikel der ETH Zürich verweist. Und nach meinen Promotions-Abenteuern mit der ETH Zürich wollte ich mir natürlich unbedingt eine Dissertation von der ETH Zürich über wissenschaftliches Fehlverhalten besorgen – die müssen sich damit ja auskennen. Beim Versuch, diese Dissertation über Amazon zu beschaffen bin ich zufällig auf die andere fast titelgleiche Dissertation von Heike Ottemann gestoßen.

Mein erster Eindruck ist, daß das Buch der Breite vor der Tiefe den Vorzug gibt. Bei einem Umfang von 340 Seiten kommt einem da so der Verdacht, daß da die Breite so breit war, daß man in der Tiefe schon an die Grenze des Umfangs stieß, bevor man tief war. Die übliche Wissenschaftspublikationstechnik, an jeden bekannten und in der Literatur erwähnten Baum einmal gepinkelt zu haben, als müßte man dem Leser einzeln nachweisen, daß man auch wirklich alles gelesen hat, was zu lesen war. Müßte? Nein, muß, das ist gängige Bewertungstaktik für Dissertationen.

So beginnt das Buch mit einer Einleitung in Form eines Überblicks über Fälle wissenschaftlichen Fehlverhaltens von Ptolemäus, Galilei, Kepler bis heute. Dünn wie Wasser. So liest man, daß Galilei einige seiner Versuche nur beschrieben aber nicht durchgeführt haben soll. Ptolemäus soll abgeschrieben haben. Bei Kepler soll es Unstimmigkeiten gegeben haben. Und bei Newton soll ein Mogelfaktor vorgekommen sein. Aber konkret wird’s nicht, inhaltlich immer nur vage Andeutungen und extrem verkürzte Zusammenfassungen, die der Leser sich dann selbst ausarbeiten soll über die angegebenen Quellen. Das ist sicherlich der Anforderung geschuldet, möglichst viel Zeugs in den Höchstumfang dessen zu quetschen, was der Doktorvater zu lesen bereit ist. Was mal wieder zeigt, daß Dissertation und Buch zweierlei sind, Wissenschaft und Qualität ebenso. Mir wäre es lieber gewesen, die Fälle etwas konkreter zu beschreiben, mindestens so daß man ohne weitere Quellen versteht, wo da jeweils der Hund begraben war. Sonst kann man es sich nämlich eigentlich auch sparen. Wissenschaftliche Gepflogenheiten haben – jedenfalls im deutschsprachigen Raum – erschreckende Ähnlichkeiten mit den Fotographie-Gewohnheiten asiatischer Touristen: Es geht überhaupt nicht darum, ein gutes Foto oder sich mit der Örtlichkeit vertraut zu machen, sondern man rennt im Düsentempo durch alle bekannten Sehenswürdigkeiten (Heidelberg, Lorelei, Oktoberfest,…) und macht überall noch schnell das selbe dröge Standardfoto, Person bemüht lächelnd vor Hintergrund, fertig und weiter. Hauptsache, man hat in kürzester Zeit alle Orte abgehakt und jeweils einen Anwesenheitsbeleg gefertigt. Dem Betrachter des Fotoalbums soll nicht gezeigt werden, wie es am Urlaubsort aussieht, sondern ihm soll nachgewiesen werden, an wievielen Orten man nachweislich war. So erscheint mir auch dieses Buch (und eigentlich sehr viele wissenschaftliche Werke aufgrund der absurden Zitiersitten).

Etwas interessanter wird es im anschließenden Teil über die Ursachen. Auch hier wieder das Schema, alles mal angefaßt zu haben, aber ohne Tiefe und dünn wie Hühnersuppe. Ein typisches Beispiel über den Publikationsdruck (Seite 44) :

Würden die Stufen einer wissenschaftlichen Karriereleiter allesamt höchst integer beschritten, so gäben die karrieristischen Tendenzen im Rahmen wissenschaftlicher Tätigkeit nicht zwingend Anlaß zur Sorge. Allerdings wurde wissenschaftlicher Erfolg bis vor wenigen Jahren auch in Deutschland zu einem großen Teil an der Zahl der Publikationen eines Wissenschaftlers gemessen.

An solchen Stellen fragt man sich schon, wie mit so einer Dissertation eigentlich der Nachweis der Befähigung zu wissenschaftlichem Arbeiten erbracht worden sein soll. An sich ist das ja richtig, was sie schreibt. Aber es wird einfach so erzählt, keine Belege, keine Anhaltspunkte, nichts konkretes. Die Darstellung einer Meinung, keine wissenschaftliche Arbeit im eigentlichen Sinne. Der Leser kann’s glauben oder auch nicht. Woher sie das hat, erkennt man nicht. Hätte sie das nämlich näher geprüft und beschrieben, dann hätte sie gemrkt, daß das eben nicht bis vor wenigen Jahren so war, sondern immer noch so ist. An der Universität Karlsruhe hat man sich gerade (2007/2008) für eine Professur aus 42 Bewerber die Vorschlagskandidaten allein durch Abzählen der Literaturlisteneinträge herausgesucht, die Bewerbungen hat man gar nicht erst gelesen. Und die Art der Bewerbungen lassen den Schluß zu, daß es sich hier nicht nur um einen Sonderfall unverbesserlich Mittelalterlicher handelt, sondern das noch gängige Praxis ist. Wie kommt sie also zu der Aussage “bis vor wenigen Jahren”? Das übliche Schema, der eigenen Fakultät nicht auf den Schlips zu treten?

Interessant allerdings und mit meinen Beobachtungen übereinstimmend ist Ihre Darstellung zur Inflation von Veröffentlichungen. Aufgrund der starken Vermehrung von Fachzeitschriften (und Konferenzen) ist die Wahrscheinlichkeit, daß jemand ein Paper überhaupt nicht publizieren kann, massiv gesunken. Gedruckt und als Veröffentlichung geführt wird heute jeder Mist, viele Konferenzen eine Witz-Veranstaltung. Richtig erkannt, aber nur oberflächlich ausgeführt. Und weiter geht es in der Rund-Tour durch die Gründe. Immer dieselbe Beobachtung: Zwar stimmt es an sich, aber sie bleibt an der Oberfläche und bringt keine Belege, keine Beispiele. Der Leser kann nicht greifen, ob ihre Kritik stimmt. Er braucht eigenes Hintergrundwissen, daß er darin bestätigt finden kann. Ich finde viele Punkte in diesem Buch, bei denen ich sofort sage “Ja, stimmt, habe ich auch beobachtet”. Und das ist der Fehler des Buches, für den Leser, der nicht schon alles aus eigener Erfahrung kennt, ist das alles nur wenig konkret und glaubwürdig. Oder, wie die Juristen sagen, nicht substantiiert, schlimmer Anwaltsfehler. Und das in einer Dissertation an einer juristischen Fakultät. Und auch sprachlich nicht abgeschlossen. Beispiel (Seite 60):

Stellt also diese interne Überprüfung der Daten theoretisch einen wirksamen Filter gegen Manipulationen dar, so fragt sich, warum trotzdem manipulationsbehaftete Daten die Labore, Lehrstühle oder Institute verlassen können.

Stimmt, fragt sich. Das ist bekannt. Eine erkennbare Antwort gibt sie jedoch nicht. Auch die DFG-Kommissionen zur Untersuchung von Vorwürfen wissenschaftlichen Fehlverhaltens werden gerade mal erwähnt, aber nicht überprüft oder in Frage gestellt. Daß es diese Kommissionen in der Realität oft nicht gibt und das ganze Kommissionen-Dings ein groß angelegter Bluff ist, bemerkt sie nicht. Sie schreibt über das dreiköpfige Ombuds-Gremium der DFG, aber ohne das irgendwie zu bearbeiten. Sie beschreibt dieses Gremium völlig kritiklos und naiv allein anhand von dessen Selbstbeschreibung, reine Wiedergabe bestehender Fakten. Und ihre Definition zu Plagiaten (106) ist so kurz gegriffen, treuherzig und naiv, daß ich der Dame eigentlich nicht glauben will, daß sie sich ernsthaft mit dem Thema befaßt hat. Und so geht das über 100 Seiten, das erste Drittel des Buches. Wo liegt denn da die (Promotions-)Leistung? Na gut, nehmen wir es als 100 Seiten lange “Einleitung”. Jetzt geht’s dann wohl los.

Der zweite Teil des Buches beschreibt, mit welchen Mitteln des Strafrechts man Betrug angehen könnte. Als ich das überflogen habe, hat es mich geschüttelt. Damit zieht man eigentlich keinen Hund hinter dem Ofen vor. Einfach mal die Straftatbestände abgeklappert und zu jedem, der was sein könnte, etwas Blabla. Daß Forschungsbetrug Betrug in alle Richtungen, z. B. gegenüber dem Verlag sein könnte, auf den Trichter sind schon mehrere gekommen, das beißt einen in die Nase. Übrigens war die Staatsanwaltschaft Darmstadt der Meinung, daß es kein Betrug an Verlag und Lesern wäre, wenn ein Professor sich die Bücher von seinem Mitarbeiter schreiben läßt und unter eigenem Namen herausgibt, weil ja sowieso alle wüßten, das vorne und hinten gemogelt wird. Die Staatsanwälte in Darmstadt argumentieren also zynisch. Davon konnte die Autorin nichts wissen, die Diss ist von 2006 und die Meinung der StA Darmstadt von Januar 2007. Aber trotzdem ein Grund, sich das Kapitel über Betrug mal etwas näher anzusehen. Und auch da muß ich sagen, daß mich das nicht vom Hocker haut, da geht vieles an der Sache vorbei, zumal sich die Überlegungen zum Betrug ausschließlich auf Zeitschriftenartikel beziehen. So verneint sie, daß ein Betrug gegenüber dem Käufer einer Zeitschrift vorläge, weil der die wissenschaftliche Zeitschrift in der Regel ja abonniert hat und selbst in den Einzelfällen des einmaligen Kaufes sich nicht vorher überlegt, wer die Artikel geschrieben hat, er also zum Zeitpunkt der Vermögensverfügung nicht in einem ursächlichen Irrtum sei. Das ist aber meines Erachtens falsch. Bei einem ganzen Buch ist das nämlich schon so. Wer das kauft, kann sich schon überlegen, ob der Inhalt wirklich von einem Professor stammt oder in Wirklichkeit nur von dessen Assistent. Da geht sie aber nicht drauf ein.

Immerhin geht sie über den reinen Vorgang der Veröffentlichung hinaus und erkennt den eigentlichen Betrug bei honorarlosen Artikeln, nämlich den späteren Anstellungsbetrug. Aber auch das ist wieder nur oberflächlich ausgearbeitet. Auf Seite 257 behauptet sie einfach mal so, daß die Berufungskommissionen generell nicht mehr die Quantität sondern die Qualität beurteilen würden – allein weil die Kommission “Selbstkontrolle in der Wissenschaft” in Empfehlung 6 davon ausginge. Wer so naiv und oberflächlich agiert, kann meines Erachtens nicht über Wissenschaftsbetrug promovieren. Außerdem gibt es ja noch andere Stellen außerhalb einer Berufung. Man kann sich ja auch in der Industrie oder als Jurist in einer Kanzlei bewerben.

Und daß viele Professoren bei der wissentlichen Bestätigung falscher Autorenschaften oder gar der Durchführung von Promotionen wider besseres Wissen (in vielen Lehrstühlen ist es üblich, daß der Doktorand seine Dissertation aus drei Diplomarbeiten zusammenklaut) als Prüfer mitwirkt, kann eine Falschbeurkundung im Amt oder die Beteiligung an einem Anstellungsbetrug begehen. Kommt aber in diesem Buch nicht vor.

Im Ergebnis finde ich das Buch eigentlich nicht gut. Ein typisch lustlos und geistlos hingeworfenes Fleißwerk zur Erfüllung irgendwelcher Promotionsanforderungen. Eigentlich hat es auch keine echte Eigenleistung, denn es wird fast immer nur wiedergegeben, was woanders schon steht. Und alles hat Lücken, ist unvollständig, An sich kann man das so auch in einem Monat oder weniger hinwerfen. Da stecken keine tieferen Gedankengänge drin, keine Neuigkeiten, kein juristischer Schwierigkeitsgrad. Es verwundert mich gelegentlich, auf welchem Niveau juristische Promotionen stattfinden. Den Anforderungen, die man in meinem Promotionsstreit genannt hat, insbesondere durch den Vorsitzenden Richter des VG Karlsruhe, selbst promovierter Jurist, würde das jedenfalls nicht genügen.

Und dann kommen wir wieder auf ein Thema, das in diesem Buch völlig fehlt: Prüflings- und Prüferkriminalität. Wie kann man ein Buch/eine Dissertation über Wissenschaftsbetrug schreiben und das Thema Prüfungen und Titelhandel völlig auslassen? Daß eine große Zahl von Dissertationen faul ist und Doktortitel gekauft oder erfunden sind, ist doch bekannt. Wie kann man darüber hinweggehen?

ich habe fast den Eindruck, daß das Buch – wie so viele Dissertationen – so geschrieben wurde, daß es vor Ort niemanden verärgert und die Autorin allzuviele heikle Untiefen umschifft hat. Wie eine der Promotionen, die man aufgrund gewisser Institutszugehörigkeit irgendwann pauschal bekommt, nach dem Motto schreib halt mal irgendwas auf.

Das hängt vielleicht auch mit der an Universitäten üblichen Arbeitsweise zusammen, jede Konkretisierung als unwissenschaftlich abzutun. Ich bin schon lange der Meinung, daß man Wissenschaftlichkeit nicht automatisch durch Befolgen universitärer Gepflogenheiten erreicht, sondern daß diese sogar kontraproduktiv sein können. Wie die Autorin ja schon selbst schreibt – nur weil es veröffentlich ist, ist es noch lange kein Fortschritt für die Wissenschaft. Ein schönes Beispiel dafür, wie Wissenschaftlichkeit schon allein dadurch fingiert wird, daß irgendwer was aufschreibt, zwei Professoren dazu nicken und dann ein kommerzieller Verlag das Werk unauffällig und geräuschlos irgendwo druckt. Von diesem Verlag habe ich noch nie etwas gehört. Es gibt viele Verlage, die allein zu dem Zweck existieren, für den Wissenschaftsbetrieb eine Verlagstätigkeit zu fingieren. Schaut man auf die Webseite www.verlagdrkovac.de wird klar, daß der Verlag sich auf das Drucken von Dissertationen, Festschriften usw. spezialisiert hat. Ein echtes Lektorat gibt es da nicht. Wer zahlt, kann drucken lassen. Insofern muß man sich von vornherein bewußt sein, daß es sich hier nicht um ein echtes und von Lektoren geprüftes Buch handelt. Wissenschaftliches Druckpapier ist vor allem dann geduldig, wenn es bezahlt wird.

Einen echten Nutzen kann man aus diesem Buch kaum ziehen. Das ist alles zu schwammig, zu oberflächlich und doch wieder abgehoben, um da einen konkreten Anwendungsbereich zu finden. Alles hört immer auf bevor es zur Sache geht. Ich glaube nicht, daß ein Staatsanwalt oder ein Strafverteidiger damit ernsthaft etwas anfangen könnten. Das Buch ist akademisch, aber deshalb noch lange nicht wissenschaftlich.

In einem Buch zu einem Strafrechtsthema hätte ich mir beispielsweise auch etwas zur Frage der Forensik vorgestellt, wie trifft man eigentlich den Nachweis des Betrugs, wie sichert man Beweise, welche Probleme ergeben sich im Strafrechtsprozess, was macht man bei länderübergreifenden Taten, wie geht man mit Verdunklungsgefahr um. Null, nichts.

Es wird den Leser nun erstaunen, daß ich das Buch trotzdem empfehle, jedenfalls für Leute, die auf diesem Gebiet aktiv sind oder werden wollen. Aus unterschiedlichen Gründen. Einer ist, daß es immerhein einen Überblick gibt, daß das Thema existiert und viele Aspekte aufweist. Hört man Professoren reden, könnte man glauben, daß Wissenschaftsbetrug nicht existiert und nicht existieren kann. Allein die Tatsache, daß jemand darüber promovieren konnte, ist für das Thema existenzbegründend.

Ein zweiter Grund ist, daß es nicht sehr viele Bücher zu dem Thema gibt. Wer sich mit dem Thema befaßt, braucht Literatur, und derzeit gibt es da nicht so viel. Einen Überblick über bestehende Literatur sollte man da haben.

Ein dritter Grund ist, daß an einigen Stellen des Buches doch Kritik am Wissenschaftsbetrieb aufflackert, der ansatzweise auf wenigen Seiten anspricht, wie Wissenschaftsbetrug eigentlich zustandekommt und warum die Täter zum Täter werden.

Wobei mir immer noch nicht klar geworden ist, was eigentlich – von der Seitenzahl mal abgesehen – die Anforderungen an juristische Dissertationen sein sollen und worin die als Prüfungsleistung zu erbringende Eigenleistung stecken soll. Schon bei mehreren juristischen Dissertationen ist mir aufgefallen, daß sie aus kaum mehr bestehen als aus einem Zusammenschreiben von allem, was man in Literatur und Rechtsprechung zu einem Thema gefunden hat. Gerade das lehnt man aber in anderen Fächern als nicht für eine Promotion ausreichend ab.

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Hadmut
7.10.2008 21:22
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